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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Ostini, Fritz von: Das Haus Henkell in Wiesbaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0381

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HANS BEATUS WIELAND MÜNCHEN. »Haus Henkell« Wiesbaden. Haupt-Eingang.

DAS HAUS HENKELL IN WIESBADEN.

Oben auf der Höhe von Wiesbaden, an der
Beethovenstr., steht das „Haus Henkell",
das Haus des Herrn Otto Henkell, das in seiner
harmonischen Vereinigung des Schönen mit dem
Zweckmäßigen fast ebenso schwer seinesglei-
chen finden mag, wie der Kellerei-Palast in
Biebrich. So viele prächtige und originelle
Wohnhausbauten neuen Stils im letzten Jahr-
zehnt in allen Gauen Deutschlands aus dem
Boden geschossen sind, dieses Haus ist doch
wieder einzigartig. Nicht nur, weil es beson-
ders schön ist, sondern auch, weil alles, was
hier schön, malerisch, originell und weiß Gott
was noch ist, in engster Beziehung zur Eigen-
art, zum Leben der Hausbewohner steht. Der
Reichtum dieser Wohnstätte ist nirgends toter
Prunk, sondern überall erquickliches Behagen.
Die ganze Anordnung der Räume ist, wie der
Stil der Ausstattung, aus dem Stil entwickelt,
in dem sich das tägliche Leben hier abspielt,
und alle Proportionen entsprechen dem letzte-
ren. Das heißt Wohnungskultur im vornehmsten

Sinne, Wohnungskultur, wie sie in Deutschland
immer noch selten ist, weil wir nicht die alte
Lebenskultur haben, wie etwa die Engländer,
deren Komfort und Gewohnheiten wohl auch
für das „Haus Henkell" in vielem Richtung
gebend waren.

Was das Haus aber vor allem auszeichnet,
ist die innige Verschmelzung seiner zweckvollen
Behaglichkeit mit künstlerischem Geist. Hier
ist alles lebendige Kunst, und das gibt dem
Ganzen eine seltsam wohltätige Wärme. Schon
von außen. Das Wort „Villa" will einem nicht
aus der Feder, schreibt man über diesen Bau
voll Luxus, der so gar kein Luxusbau ist. Sieht
man ihn so, schmuck, frei und heiter zwischen
den Villen der Umgebung aufragen, so denkt
man wahrhaftig nicht an eine Architekturarbeit!
Das Haus Henkell ist keine jener Schöpfungen
eines Baukünstlers, in die sich die Besitzer müh-
sam — oder nie — hineinwohnen. Es ist aus
dem Wesen dieser Besitzer heraus entstanden
und sitzt ihnen, dünkt mich, wie angegossen.

1910. XII. 5.

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