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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0149

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KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.

APRIL 1910.

DERLIN. Man hat Max Sievogt, der in den
ersten Märzwochen bei Cassirer ausstellte,
nicht ohne Schärfe angegriffen. Wenn man einem
Künstler von so sicheren Qualitäten, der in seinen
besten Lebensjahren steht, einen Rückgang seiner
Leistungen vorhält, so kann das natürlich nicht
beißen: er liefert heute schlechte, d. h. unkünst-
Jerische Arbeit. Da liegen die Ursachen zu einem
ln den letzten Jahren allerdings immer deutlicher
fühlbaren Unbehagen seinen Bildern gegenüber
etwas tiefer. Er vernachlässigt die Form, es liegt
ihm wenig daran, mit der Farbe die Tastreize der
Objekte wiederzugeben. Er schaltet in der Wie-
dergabe Momente aus, die das Auge ungern ent-
behrt, da es doch nicht nur auf die koloristischen
Werte der Farbe reagieren möchte, sondern
auch im Raum sich zu ergehen wünscht.

'astend
1h

n interessiert die farbige Oberfläche der Dinge,
Und er komponiert Fleck und Fleck zu dekorativ
stets glücklichen Wirkungen. So aber empfinden
Wlr das Kunstwerk als eine Abstraktion. Das
£roße Bild der russischen Tänzerin Maria Paw-
'owa spricht deutlich genug. Es geht uns auch
Vor den mancherlei Landschaften Slevogts nicht
anders,als vor den Figurenbildern, von denen der

franzö
Fäh

sische Dragoner noch am wenigsten die
misse seines neuen Programms verrät. Ich
We'r5, daß der Künstler bewußt experimentiert und
ln der Folge dieselben Prinzipien auch auf viel-
ngurige Bilder großen Formats anzuwenden ge-
renkt. Es bleibt eine Frage, ob auf diesem Wege
neue künstlerische Wirkungen ohne Aufgabe der
Fundamente aller Ölmalerei zu erreichen sind; —
Robert Breyers Stärke liegt im Stilleben. Es
sind sympathische Arbeiten durchweg, Zeugen von
sol'dem Können und gesunden Zielen. Für die
Landschaft reicht seine Kraft vielleicht noch nicht
ganz aus, dagegen sind wieder seine Porträts sehr
respektabel. Linde-Walther, von dem man in
der Sezession gelegentlich schöne Bilder sah,
scheint neuerdings bedenkliche Wege zu gehen,
jedenfalls befindet sich unter den ausgestellten
Arbeiten kaum eine einzige, die des Künstlers Ruf
rechtfertigte. — Zurzeit sind am gleichen Ort die
37 Bilder M a n e t s aus der Sammlung P e 11 e r i n -
Paris zu sehen, deren Verkauf Paul Cassirer zu-
sammen mit einem Pariser Kunsthändler besorgt.
Es ist eine seltene Freude, vor diese außerordent-
lichen Werke zu treten. Man wird seiner Augen
froh und von einer heiteren Ruhe und vergißt
wieder einmal alle Bewunderung über der erha-

benen Selbstverständlichkeit dieser Meisterschaft.
Besonders lieb sind mir die früheren Arbeiten:
das Frühstück im Atelier (1869), die Barke (mit
dem Bildnis Claude Monets) 1874, das Porträt des
Kupferstechers Desboutin von 1875. Und dann die
schönen Pastelle! Es wäre gut, wenn ein Teil
der Bilder in Deutschland bliebe, damit uns stets
vor Augen stände, was „malen" heißt. — Die Aus-
stellung amerikanischer Kunst in der Kgl.
Akademie der Künste brachte, wie zu er-
warten stand, keine Sensationen. Mit wenigen
Ausnahmen haben die Maler drüben ihre euro-
päische Schule noch nicht überwunden, und es
bedeutet kaum mehr als ein artiges Spiel, vor
diesem oder jenem Bild auf den eigentlichen Vater
zu raten, der in Paris, in München oder Düssel-
dorf mit Sicherheit zu finden ist. Damit soll nicht
gesagt sein, daf3 es unter den 200 Bildern keine
Werke von Qualität gäbe, aber man spürt in dem
einzelnen Erzeugnis nicht die auf verschiedenen
Wegen erarbeitete Übereinstimmung eines ganzen
Kulturvolkes darüber was schön sei, kurz, es
gibt amerikanische Maler, aber keine amerika-
nische Malerei. Was bei der Jugend der ameri-
kanischen Kultur auch nicht weiter erstaunlich
ist. — Die älteren wie John La Farge und
William Morris Hunt waren gewiß starke Per-
sönlichkeiten, aber nur mäßige Maler, und Ge-
orge Inness ist zwar ein guter Landschafter,
aber er ging kaum über das Programm der Schule
von Fontainebleau hinaus. Man kennt Wh i st 1 er,
Qari Melchers und John Sargent und weiß,
was man von ihrem Amerikanertum zu halten
hat. Aber ich sah das Bildnis einer Frau mit
weißem Schal von William Meritt Chase:
das ist nicht nur gute Malerei, sondern zeigt „die"
amerikanische Dame. Ein junger Amerikaner von
Kultur blieb mit mir noch vor manchem anderen
Bild stehen und meinte mit fatalem Lächeln: Sehen
Sie, das ist amerikanisch, und dann war es ein
bißchen Romantik, ein süßlicher Frauenkopf, eine
zwar in den Farben echte amerikanische Land-
schaft, die aber mit verbildeten Augen gesehen
war, und im übrigen mittelmäßige Arbeit. Man
fragt sich, warum es da drüben nicht mehr Männer
gibt, die wie etwa Cooper in Öl oder Pen e 11
in radierten Blättern das merkwürdige und ganz
originale Bild der großen Städte festhalten? Aber
da fehlt es an der Naivität des Sehens, an einer
Primitivität des optischen Erlebens, die allein den
Menschen zum Maler macht. — ewald bender.

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