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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Breuer, Robert: Orientalische Buch-Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0311

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Orientalische Buchktmst.

ERNST BARLACH - FRIEDENAU.

>Der Berserker«, Holzplastik.

ORIENTALISCHE BUCH-KUNST.

Jeder Kundige weig, dag der Orient unsere
Künste tief und fruchtbar beeinflußt hat
und noch immer anregt. Beispiele zu nennen,
ist überflüssig. Sie häufen sich täglich, und
bald wird der Historiker Material genug haben,
um die Geschichte der orientalischen Künste
in deren Beziehung zum Occident zu schreiben.
Ein Kapitel dieser gewaltigen Entwicklungs-Ge-
schichte illustrierte die wundervolle Ausstellung
orientalischer Buchkunst, die das Berliner Kunst-
gewerbe-Museum veranstaltet hatte. Da wären an
erster Stelle die Turfan-Funde zu nennen. Von den
Resultaten dieser zentralasiatischen Expedition
lernten wir schon im vergangenen Jahre herrliche
Plastiken und überwältigende Fresken kennen.
Diesmal zeigte man uns die Miniaturen, Bücher und
Schriftrollen, die jenes seltsame Völkergemisch,
Buddhisten, Manichäerund nestorianische Christen,
hinterließ. Es hält sehr schwer, von diesen
Schäden dem, der sie nicht sah, eine Vorstellung
zu vermitteln. Es sei nur gesagt, dag sich Fetyen
darunter fanden, Bruchstücke, die eine Kompo-
sitionskunst von höchster Konzentration, Farben-
reize von zartestem Duft und Linienspiele von
graziösester Sprache aufwiesen. Ein Fragment,

auf dem die Unterteile einer Reihe Knieender zu
sehen waren, lieg Geist und Temperament von
der Art van Goghs entströmen. Unverkennbar
spürte man auch hinter dem Figürlichen den
Rhythmus der Kalligraphie. Und gerade in dieser
Tendenz zur abstrakten Form wurzelt die Gröge
und die Unvergänglichkeit der alt-orientalischen
Kunst. Diese Kalligraphie war mit Arbeiten aus
andern Landschaften (Sammlung Oppenheim), mit
arabischen Koranschriften des neunten Jahrhun-
derts, mit persischen und türkischen Koranschriften
der späteren Jahrhunderte glänzend vertreten.
Wie schwächlich und dilettantisch wirken, gegen
solche orientalischen Schreibkünste gehalten, all
unsere mühsam erklügelten und ästhetisch zu-
recht geschnittenen Künstlerschriften. Welch eine
Gröge, welche Monumentalität in den kufischen
Schriftbildern! Noch heute fühlt man die Leiden-
schaft und das religiöse Pathos aus diesen Rhyth-
men mächtig sich entfalten. Man fühlt, dag solche
Buchstaben Siegeszeichen undfanatisierende Sym-
bole sein konnten.

Einen besonderen Reichtum birgt die Samm-
lung Sarre. Die diesmal gezeigten Miniaturen
bargen Lieblichkeiten, lyrische Liniendichtungen
und farbige Delikatessen. r. Breuer.

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