DAS PERSÖNLICHE IM KUNSTWERK.
von i)R. emil utitz prag.
Die große Berliner Kunstausstellung und die
zu München im Glaspalast werden von
Jahr zu Jahr besser; das ist eine unleugbare
Tatsache, Ich meine damit nicht nur die ganze
Art der Anordnung, die an Geschmack zu-
nimmt, sondern das überreiche Ausstellungs-
material selbst. Mag man nun auch die Nase
rümpfen über die riesigen „Kunstjahrmärkte",
über diesen Massenbetrieb, der manch zartes
fritz von uhde -München. »Malvoglio«, Gemälde im Bibliothekraum.
und stilles Werk tötet; so darf man doch nicht
vergessen, wie unendlich viel solide Arbeit
hier geboten wird, und daß heute ein gewisser
Durchschnitt künstlerischer Technik und Auf-
fassung erreicht ist, der grobe Entgleisungen
zu Seltenheiten macht, und in dem sich ekla-
tanter Kitsch doch nur ausnahmsweise findet.
Für die angewandte Kunst reicht nun im
allgemeinen eine gewisse Durchschnittshöhe
der Leistung aus. Den üblichen
und auch sachlich gerechtfertig-
ten Anforderungen genügen So-
lidität der Durcharbeitung und
Sicherheit des Geschmacks.
Wenn eine feste Tradition be-
steht, und die Führer die rich-
tigen Wege weisen, erschließt
sich hier das ergiebigste Feld für
die fleißigen Begabungen auch
minderen Grades. Da können
sie höchst Erfreuliches schaffen
und sich sehr nutzbringend be-
tätigen. Anders steht es um die
freien Künste; hier werden uns
die Werke, die nur geschmack-
voll und technisch einwandfrei
sind, bald langweilig. Die ange-
wandten Künste bilden gleich-
sam ein Kleid — im weitesten
Sinn dieses Wortes — ein Kleid,
das unser Leben umspannt, wie
der Rahmen das Werk. Aber freie
Kunst ist kein Rahmenwerk
zu einem Leben, zu einer Lebens-
gestaltung , sondern Selbst-
werk. Und wie wir darauf aus-
||HH|
gehen, unser Leben persönlich zu
bilden, ihm unsere eigene Note
aufzupressen, so suchen wir in
der Kunst vor allem Leben, und
zwar bedeutungsvolles Leben
mannigfachster Art: überschäu-
mend in Kraft und Stärke, spie-
lend in Grazie und Übermut, auf-
bäumend sich in Stolz und Not,
sich sehnend und hoffend, lei-
dend und jubelnd!
Des Lebens heißen, beleben-
den Atem suchen wir im Kunst-
werk ; und über den Mangel der
Seele können uns Kultur des Ge-
von i)R. emil utitz prag.
Die große Berliner Kunstausstellung und die
zu München im Glaspalast werden von
Jahr zu Jahr besser; das ist eine unleugbare
Tatsache, Ich meine damit nicht nur die ganze
Art der Anordnung, die an Geschmack zu-
nimmt, sondern das überreiche Ausstellungs-
material selbst. Mag man nun auch die Nase
rümpfen über die riesigen „Kunstjahrmärkte",
über diesen Massenbetrieb, der manch zartes
fritz von uhde -München. »Malvoglio«, Gemälde im Bibliothekraum.
und stilles Werk tötet; so darf man doch nicht
vergessen, wie unendlich viel solide Arbeit
hier geboten wird, und daß heute ein gewisser
Durchschnitt künstlerischer Technik und Auf-
fassung erreicht ist, der grobe Entgleisungen
zu Seltenheiten macht, und in dem sich ekla-
tanter Kitsch doch nur ausnahmsweise findet.
Für die angewandte Kunst reicht nun im
allgemeinen eine gewisse Durchschnittshöhe
der Leistung aus. Den üblichen
und auch sachlich gerechtfertig-
ten Anforderungen genügen So-
lidität der Durcharbeitung und
Sicherheit des Geschmacks.
Wenn eine feste Tradition be-
steht, und die Führer die rich-
tigen Wege weisen, erschließt
sich hier das ergiebigste Feld für
die fleißigen Begabungen auch
minderen Grades. Da können
sie höchst Erfreuliches schaffen
und sich sehr nutzbringend be-
tätigen. Anders steht es um die
freien Künste; hier werden uns
die Werke, die nur geschmack-
voll und technisch einwandfrei
sind, bald langweilig. Die ange-
wandten Künste bilden gleich-
sam ein Kleid — im weitesten
Sinn dieses Wortes — ein Kleid,
das unser Leben umspannt, wie
der Rahmen das Werk. Aber freie
Kunst ist kein Rahmenwerk
zu einem Leben, zu einer Lebens-
gestaltung , sondern Selbst-
werk. Und wie wir darauf aus-
||HH|
gehen, unser Leben persönlich zu
bilden, ihm unsere eigene Note
aufzupressen, so suchen wir in
der Kunst vor allem Leben, und
zwar bedeutungsvolles Leben
mannigfachster Art: überschäu-
mend in Kraft und Stärke, spie-
lend in Grazie und Übermut, auf-
bäumend sich in Stolz und Not,
sich sehnend und hoffend, lei-
dend und jubelnd!
Des Lebens heißen, beleben-
den Atem suchen wir im Kunst-
werk ; und über den Mangel der
Seele können uns Kultur des Ge-