Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

DOI Artikel:
Ostini, Fritz von: Der Prachtbau der Henkell'schen Sekt-Kellereien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0380

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Prachtbau der Henkelt'sehen Sektkellereien.

Ordnung. Lustigeren und pittoreskeren An-
blick gewährt die Degorgierhalle. Hier arbeiten
elektrisch betriebene Maschinen, hier sind
Arbeiter und Arbeiterinnen mit dem Degor-
gieren und Wiederauffüllen der Flaschen nach
der Flaschengährung beschäftigt, hier erhal-
ten auch die Flaschen, die direkt von der
Verladerampe hereinwandern, ihre erste Fül-
lung. Degorgieren heißt man das Entkorken
der aus dem Rüttelkeller kommenden Flaschen
und das Herausschleudern der am Kork abge-
setzten Hefebestandteile. Nach dieser Behand-
lung werden die Flaschen mit dem Likör, einer
Mischung von Zucker und besonders feinem
Wein, aufgefüllt und dann noch einmal ein Jahr
oder mehr gelagert. Die Halle ist auch in ar-
chitektonischem Sinne nicht ohne Reiz. Zahl-
reiche Pfeiler — die Sockel sind wieder mit
weißgrauen Fliesen bekleidet — tragen die Ga-
lerie und die korrespondierenden Pfeiler dieser
durch ein geschmackvolles Gitter abgeschlosse-
nen Galerie die Decke. Ähnlich ausgestattet
ist die nahe gelegene Packhalle, wo die Sekt-
flaschen für den Versand eingekleidet werden,
das heißt ihr wohlbekanntes goldschimmerndes
Gewand erhalten, den Staniolkragen, die Eti-
ketten und — Steuermarken. Eben wurde eine
verblüffend raffiniert erdachte Maschine in Be-
trieb gesetzt, die alle diese Hantierungen auf
einmal automatisch besorgt und zuguterletzt
auch noch jede Flasche in ihr Seidenpapier-
mäntelchen wickelt. Nicht unerwähnt dürfen
übrigens auch die sinnreichen Vorrichtungen
bleiben, die den Transport der Flaschen durch
die weitläufigen Räume der Fabrik besorgen.
Gehts bergab, so sausen jene in zweckmäßigen
Holzrutschen dahin — 3000 Meter solcher
Rinnen sind angelegt; geht's aufwärts, so wer-

den die Flaschen durch endlose Kettenbänder
automatisch transportiert, von denen etwa an-
derthalb Kilometer durch alle Etagen laufen.

Einen Stolz der Firma bilden mit Recht die
Wohlfahrtseinrichtungen, die sie getroffen hat,
die weitläufigen Garderoberäume für Beamte,
Beamtinnen und Arbeiter, die Küche und die
Speiseanstalten. Hier wird nämlich mittags
alles im Hause verköstigt, weil nur eine kurze
Mittagspause eingeführt ist, um einen frühen
Arbeitsschluß um 4, resp. 5 Uhr zu ermöglichen.
Die Küche in ihrer blitzblanken Sauberkeit mit
den gewaltigen Reinaluminiumkesseln ist ein
Schatzkästlein für sich, und die Großzügigkeit
der Einrichtung wie die Reichlichkeit der Raum-
gebung macht sie direkt hübsch. Überaus appe-
titlich sind die Speisesäle, sowohl der etwas
elegantere des Beamtenkasinos, dem sich ein
Speisesaal für die Gäste anschließt, als auch
der freundliche große Speisesaal der Arbeiter
mit seinen heiteren Farben, seinen zierlichen
bunten Lüstern und seinen praktischen Eisen-
tischen, auf denen weiße Porzellanfliesen die
Stelle der Tischtücher vertreten. Von beson-
derer Nettigkeit, getäfelt und bemalt, sind die
Garderoben des Beamtenkasinos; aber auch
die etwas einfacheren der Arbeiterschaft strah-
len von mustergültiger Sauberkeit. In allen
diesen Räumen ist der ästhetisch erfreuliche
Eindruck dadurch gewonnen, daß nichts irgend-
wie Wünschenswertes gespart und durch nichts
im Wesen Überflüssiges die Harmonie dieser
hochkultivierten Sachlichkeit gestört ist.

Dieser Bau ist ein Ganzes in seinem Prunk,
wie in seiner Zweckmäßigkeit. Wer ihn durch-
wandert hat, mag sich vergeblich den Kopf zer-
brechen nach irgend einem Ding, das ihm noch
zu wünschen bliebe!



z

s






E


:





GESCHNITTENES HERGKRISTALL-MEDAILLON
AM FUSS DES EHRENPOKALS.
 
Annotationen