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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Westheim, Paul: Von der Renaissance des Berliner Porzellans
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0096
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ADOLF AMBERG BERLIN.

Tafelaufsatz in Porzellan.

VON DER RENAISSANCE DES BERLINER PORZELLANS.

VON PAUL WESTHEIM.

Die aufquellende Freude an einer neuen Por-
zellankunst hat die Berliner Manufak-
tur auf sich zu lenken verstanden. Dänischen
Künsten ist sie ausgewichen; den Mächten des
Stillstands nicht erlegen, um so der alten Marke
aufs neue Klang und Ansehen zu sichern.
Schmuz-Baudis spendete den Kennern Ent-
zücken durch die Skala von Unterglasurtönen,
die er zu erreichen wußte, und nicht weniger
verdient machte er sich durch die Heranziehung
von Kräften aus den Reihen der in Berlin heran-
reifenden Kleinplastiker. Ganz im Stillen, aber
doch unverkennbar entwickelt sich hier eine
Ausdrucksweise von eigenem Gepräge, eine
Renaissance, die auf dem besten Wege ist, sich
zu einem Neu-Berlinischen Porzellan-
stil auszuwachsen.

Es war nichts weniger als ein gönnerhaftes
Entgegenkommen, wenn die große Berliner
Kunstusstellung diesen Sommer dem deutschen
Porzellan ein paar Säle einräumte. Was da von
einigen Manufakturen und privaten Werkstätten
geboten wurde, übte auf die meisten der kunst-
verständigen Besucher eine nicht geringe An-
ziehungskraft, zählt sicherlich zu dem Fesselnd-
sten, was Moabit überhaupt aufzuweisen hatte.
In dem regen Wettbewerb, der sich da vor ent-

zückten Augen abspielte, nimmtBerlin eine erste
Rolle ein. Künstler wie Hubatsch (mit einem
Piqueur von prickelnder Grazie), Wernekinck
(mit possierlichen Tierfiguren), Wackerle, der
einem melancholischen Pierrot den ganzen Duft
seiner ersten Nymphenburger Schöpfungen zu
geben wußte, und vor allem Adolf Amberg
erscheinen als die Träger dieses neuen Geistes,
der der preußischen Manufaktur zu einem so
unbestreitbaren Triumph verhalf.

Das Hauptstück der Schau war ein großer
Aufsatz, den Amberg für die Tafel des
Kronprinzen modelliert hat. Männer und
Jungfrauen, Vertreter aller Rassen, eine Ja-
panerin, eine Chinesin, Europa auf dem Stier,
ein Neger, ein Perser, Hirten, Fischer und Krieger
sind vereinigt zu einem Huldigungszug, der sich
im Schritt und Tanz, in unterwürfiger Ergeben-
heitundbacchischem Jubel, mitMusik, Trophäen
und Geschenken entfaltet. Ein Bewegungs-
rhythmus, der an- und abschwillt in wohl ge-
bundenen Intervallen, der die Folge der Figuren
zusammenfast zu geschlossenen Gruppen, und
diese Gruppen wiederum bindet zu einer le-
bendig beschwingten Einheit. Mit einer flachen,
gestreckten Schale im Mittelpunkt setzt es ein
und strebt nach beiden Seiten empor über die

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