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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Fechter, Paul: Das Porträt und die Photographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0095

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Das Porträt wid die Pliotographie.

FRANK EUGltNE SMITH MÜNCHEN.

»Ein samoanisches Lied«

ihre gewissermaßen korrigierende Tätigkeit
bereits am Naturobjekt beginnen, das, was
ihm für den fertigen Druck vorschwebt, dort,
als am Vorbild, ordnend anlegen.

Diese vorbereitende Tätigkeit findet ihre
Krönung in der Wahl des für die Charakteri-
stik des Dargestellten fruchtbarsten Augen-
blicks. Der Maler hat die Möglichkeit, in
langer, häufiger Beobachtung die Anschau-
ungswerte, formale oder Bewegungsmomente,
in denen das unmittelbare Sein, das Persön-
liche des Modells rein zum Ausdruck kommt,
herauszuheben, zu konzentrieren und zu ge-
stalten. Für den Photographen ergibt sich die
Notwendigkeit, in den Eindruck eines Augen-
blicks all diese Momente der Charakteristik
zusammenzudrängen. Er hat nur den Gehalt
eines kurzen Augenblickes zur Verfügung,
muß versuchen, einen Moment intensiver Be-
lebtheit zu erhaschen, wo für Sekunden in
einer Geste, einer Bewegung, einem momen-
tanen Ausdruck das Wesentliche des ganzen
Menschen sich ausspricht. Vieles vermag er
bereits durch Anpassung der Umgebung, des
Lichtes, des Bildraumes zu geben: das Be-
deutsamste bleibt wohl dieses Ergreifenkönnen
des Momentes. Hier tritt bei dem Photo-
graphen das artistische Erlebenkönnen in
Aktion, das die erste Phase des künstlerischen
Prozesses beim Maler oder Bildhauer aus-
macht, während er die zweite, die Ausdrucks-
tätigkeit im wesentlichen dem Apparat und
der Chemie überlassen muß.

Diese künstlerische Tätigkeit setzt erst wie-
der bei dem Abschluß des ganzen Prozesses,
bei der Fertigstellung des Druckes ein, ob-
wohl dieser als Endziel genau genommen auch
den ganzen Entwicklungsprozeß modifizierend
beeinflußt. Der Photograph wird zum Gra-
phiker, der nun aus seiner Kenntnis der Per-
sönlichkeit des Dargestellten heraus, die Quali-
täten des Druckes bestimmt, die Grenzen
seiner Tonskala festlegt, zwischen der Beto-
nung von Linien und Flächen, dem Heraus-
heben des Malerischen oder des Zeichnerischen
wählt, technische Zufallseffekte ausschaltet,
und an ihre Stelle bewußte Verwertung aller
Möglichkeiten setzt, die die verschiedentlichen
Druckverfahren ihm bieten. Was die Arbeit
am Objekt begann, wird hier vollendet.

Die Abhängigkeit vom Gegenständlichen, die
nun einmal im Wesen der Photographie liegt,
ist nicht durch Umgehungsversuche zu besei-
tigen, sondern nur dadurch, daß man sie offen
anerkennt und das Ganze von ihr aus orientiert.
Denn gerade dadurch wird das Porträt das
eigentliche Wirkungsgebiet der Photographie
— wenigstens sobald es auf die getreue Fixie-
rung und Wiedergabe der Wirklichkeit an-
kommt. Was der Maler hier des öfteren als
Hemmung empfindet, die Beschränkung durch
das Objekt, ist die Grundlage ihrer ganzen
Existenz — sodaß es im Grunde nur gilt, ihre
spezifischen Gesetze bewußt und unter steter
Berücksichtigung der aus ihrem Begriff sich er-
gebenden ästhetischen Grenzen zu befolgen. —

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