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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Michel, Wilhelm: Münchner Sommer-Secession 1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0017

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MÜNCHNER SOMMER-SECESSION 1911.

Es ist eine stehende Erfahrung geworden: Die
Gesamtsignatur unserer großen Sammel-
ausstellungen, der „Secession" und des „Glas-
palastes", bleibt sich seit einer großen Reihe
von Jahren gleich. Verhängnisvoll gleich, wenn
man im Hervortreten neuer Erscheinungen und
Bestrebungen das Zeichen des Fortschritts sieht.

Die Malergeneration von heute ist nicht reich
an überlegenen, durchschlagenden Persönlich-
keiten, an Leidenschaft des künstlerischen
Ringens, an Feuer und Geist des Schaffens.
Um das Bahnen neuer Pfade wird wenig Schweiß
vergossen. Ein gewisser Bestand an modernen
Ausdrucksarten liegt vor. An ihnen halten
Maler und Jury fest. Von einer Vertiefung des
Errungenen zu sprechen, wäre Optimismus.
Eher von einer Verbreiterung. Die Kühnheiten
von gestern sind die Banalitäten von heute
geworden. Es ist immer dasselbe, dagegen gilt
keine Täuschung.

Man gerät vor diesem Überschwellen kon-
servativer Tendenzen in eine laue Milde des
Urteils. Vielleicht müssen wir endgültig die
altgewohnten Erwartungen von den großen
Sammel - Ausstellungen herunter schrauben.
Vielleicht dürfen wir von ihnen das deutliche
Sich-Abheben einzelner nicht mehr verlangen.

Die Kräfte und Persönlichkeiten halten sich
so ziemlich die Wage. Das heißt einerseits,
daß ein Plus an Kraft nirgends vorliegt, daß
keine opera supererogatoria geschehen. An-
dererseits bedeutet es aber auch, daß viele
dieser Kunstwerke, wenn sie im Atelier oder

in der Wohnung des Käufers der Konkurrenz
der anderen Leinwanden entzogen sind, immer-
hin noch respektable Kräfte entfalten. Zum
Verzweifeln ist also gar kein Grund. Freilich
auch nicht zur Begeisterung.....

Auch unsere Abbildungen wollen nicht so
genommen werden, als enthielten sie Kunst-
werke , die durch einen großen Abstand von
den übrigen getrennt sind. Sie sind nur als Stich-
proben zu betrachten; darüber und darunter
enthält die heurige Sommersecession nicht viel.
Die drei absolut besten Bilder sind nicht dabei,
aus reproduktionstechnischen Gründen: die
beiden Gemälde von Fritz v. Uhde und eine
Landschaft „ AmWaldrand " von Ulrich H ü b n e r.

Bahnen wir uns einen Weg durch das übrige.

Tüchtig wie immer ist Marie Caspar-Filser,
deren Landschaftskunst seit einer Reihe von
Jahren mit geradem, bedächtigem Schritt einem
schönen Ziele entgegengeht. Daß Julius Diez
bei aller kunstgewerblichen Begabung keinMaler
ist, wird von Jahr zu Jahr offenkundiger. Er
hat Lust am Erfinden von allerlei schrullenhaften
Geschichten, aber die Darstellung bleibt völlig
im Illustrativen stecken und steigert sich nir-
gends zu ernster Form. Von Ludwig Dill ist
ebenfalls im Laufe der Zeit nur der Geschmack
der Aufmachung übrig geblieben; kunstgewerb-
liche Wanddekorationen, eine Kunst, die Stu-
benluft atmet. Der weibliche Akt von Gustav
Essig ist eine lebendige, kluge Leistung, der
Baipare und die Bauernkirmes von Josse Goos-
sens sind von einer trockenen, schalkhaften

1911/12 1.1.

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