DAS ÄUSSERE DER FRAU ALS KUNSTWERK.
VON MARGARETE POCHHAMMER.
Häufig hört man die Ansicht äußern, es be-
stehe ein großer Unterschied zwischen der
Tier- und Menschenwelt darin, daß dort das
Männchen in seiner Erscheinung ausgezeichnet
sei, während bei uns die Natur dem Weibe
die größere Schönheit verliehen habe.
Wenn man aber mit klaren Augen — noch
nicht einmal kritisch — weibliche Erscheinungen
mustert — auf wie viele paßt denn in Wahrheit
das stolze Wort „schön"?
Manche sind hübsch, niedlich, pikant. Und
auch bei denen kommt noch sehr in Frage,
welchen Anteil die Natur, welchen die „Kunst"
an ihrer Erscheinung hat. — Ja, die Antwort
auf diese Frage ist kaum zweifelhaft, wenn man
nicht nur das Gesicht mit der bei der Frau
kleidsamen Umrahmung, sondern die ganze
Gestalt in Betracht zieht. Daß die männliche
Schönheit stark unter den Nachteilen der
Kultur — Überarbeit und Übergenuß — ge-
litten hat, ändert nichts daran, daß sie ursprüng-
lich der weiblichen überlegen war.
Nun hat aber die Frau — mit Unterstützung
des Mannes, wie wir nicht vergessen wollen —
es verstanden, sich künstliche Reize zu schaffen;
sowohl durch Korrekturen am Körper selbst
— Schönheitsmittel mannigfacher Art — wie
durch wechselndes Raffinement in der Kleidung.
Wie sehrderMann an diesem Verschönerungs-
treiben beteiligt ist und wie viel ihm das
Äußere der Frau als „Kunstwerk" bedeutet,
das geht aus dem zuweilen bis zur Leidenschaft
gesteigerten männlichen Widerstande gegen
diejenigen hervor, die daran arbeiten, dem
Weibe nach Möglichkeit natürliche Schönheit
zurückzugewinnen. Denn — auch das ist ja
für uns nicht mehr zweifelhaft — die künst-
liche Zurechtmachung ist in überwiegender
Weise auf Kosten des Körpers erfolgt. Und
deshalb ist seit Jahrhunderten die eigentliche
Schönheit der Frauen geringer gewesen, als die
Natur sie ihnen zugedacht hat.
Nun liegt aber dem Widerstande gegen die
„Umgestaltung" der Frau ein großer Irrtum zu
Grunde. Man glaubt — und macht andere
glauben — es solle von der weiblichen Er-
scheinung alles Künstliche losgelöst werden,
so daß nur die unverfälschte Natur, gleichviel
ob schön oder häßlich, übrig bleibe.
Davon ist aber niemals die Rede gewesen;
wenigstens nicht in den Kreisen, die als maß-
gebend für die einschlägige Bewegung gelten
müssen. Und das Mißverständnis ist um so
absonderlicher, als man ja doch weiß — oder
wissen könnte —, daß ein Teil der Bewegung
von Künstlern ausgegangen ist und daß das
„künstlerische" — also doch nicht ausschließ-
lich naturgemäße — Kleid Anlaß und Vorbild
zum „Reformkleide" gewesen ist. In den ersten
Jahren, so lange nur Hygieniker und die von
96
VON MARGARETE POCHHAMMER.
Häufig hört man die Ansicht äußern, es be-
stehe ein großer Unterschied zwischen der
Tier- und Menschenwelt darin, daß dort das
Männchen in seiner Erscheinung ausgezeichnet
sei, während bei uns die Natur dem Weibe
die größere Schönheit verliehen habe.
Wenn man aber mit klaren Augen — noch
nicht einmal kritisch — weibliche Erscheinungen
mustert — auf wie viele paßt denn in Wahrheit
das stolze Wort „schön"?
Manche sind hübsch, niedlich, pikant. Und
auch bei denen kommt noch sehr in Frage,
welchen Anteil die Natur, welchen die „Kunst"
an ihrer Erscheinung hat. — Ja, die Antwort
auf diese Frage ist kaum zweifelhaft, wenn man
nicht nur das Gesicht mit der bei der Frau
kleidsamen Umrahmung, sondern die ganze
Gestalt in Betracht zieht. Daß die männliche
Schönheit stark unter den Nachteilen der
Kultur — Überarbeit und Übergenuß — ge-
litten hat, ändert nichts daran, daß sie ursprüng-
lich der weiblichen überlegen war.
Nun hat aber die Frau — mit Unterstützung
des Mannes, wie wir nicht vergessen wollen —
es verstanden, sich künstliche Reize zu schaffen;
sowohl durch Korrekturen am Körper selbst
— Schönheitsmittel mannigfacher Art — wie
durch wechselndes Raffinement in der Kleidung.
Wie sehrderMann an diesem Verschönerungs-
treiben beteiligt ist und wie viel ihm das
Äußere der Frau als „Kunstwerk" bedeutet,
das geht aus dem zuweilen bis zur Leidenschaft
gesteigerten männlichen Widerstande gegen
diejenigen hervor, die daran arbeiten, dem
Weibe nach Möglichkeit natürliche Schönheit
zurückzugewinnen. Denn — auch das ist ja
für uns nicht mehr zweifelhaft — die künst-
liche Zurechtmachung ist in überwiegender
Weise auf Kosten des Körpers erfolgt. Und
deshalb ist seit Jahrhunderten die eigentliche
Schönheit der Frauen geringer gewesen, als die
Natur sie ihnen zugedacht hat.
Nun liegt aber dem Widerstande gegen die
„Umgestaltung" der Frau ein großer Irrtum zu
Grunde. Man glaubt — und macht andere
glauben — es solle von der weiblichen Er-
scheinung alles Künstliche losgelöst werden,
so daß nur die unverfälschte Natur, gleichviel
ob schön oder häßlich, übrig bleibe.
Davon ist aber niemals die Rede gewesen;
wenigstens nicht in den Kreisen, die als maß-
gebend für die einschlägige Bewegung gelten
müssen. Und das Mißverständnis ist um so
absonderlicher, als man ja doch weiß — oder
wissen könnte —, daß ein Teil der Bewegung
von Künstlern ausgegangen ist und daß das
„künstlerische" — also doch nicht ausschließ-
lich naturgemäße — Kleid Anlaß und Vorbild
zum „Reformkleide" gewesen ist. In den ersten
Jahren, so lange nur Hygieniker und die von
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