marte Sinsteden Berlin. Gestickte Buchhülle.
NEUE STICKEREIEN.
Die hier veröffentlichten Stickereien muten
keineswegs »modern« an, modern im streng-
sten Sinne genommen, man könnte sogar einen
Augenblick denken, alte Stücke aus irgend einer
Volkskunst-Ausstellung vor sich zu haben. Mo-
derne Stickereien waren lediglich Ornamente,
dekorative Entwürfe, die mit Hilfe der Stickerei
ausgeführt, d. h. so getreu als möglich wieder-
gegeben waren. Ihre Reize lagen auf der zeich-
nerischen Seite, die Ausführung bot nicht mehr
an Werten als der Entwurf schon hatte. Die
Ausführung, das Handwerkliche der Stickerei
war von untergeordneter Bedeutung.
Diese Stücke hielten aber den Vergleich mit
den wunderbaren alten Stickereien und den ge-
rade zu der Zeit in Masse gezeigten Werken
der Volkskunst in keiner Weise aus. Die papierne
Kunst wurde vom echten Handwerk, das nur mit
den Reizen des Materials und der Technik
arbeitete, vollkommen erdrückt. Auch die eigen-
artigste, formenreichste Zeichnung konnte nicht
den sinnlichen und seelischen Gehalt geben, der
den kunstlosesten alten oder naiv volkstümlichen
Erzeugnissen innewohnte. Diese Erkenntnis hat
354
sich jetzt wohl allgemein, wenigstens in den
Oberschichten, wo die führenden Persönlich-
keiten stehen, durchgesetzt. Wir lassen uns
nicht mehr blenden von den großartigen Kartons,
womit die Künstler die Werkstätten beglücken
wollen, das Neue muß von unten aufgebaut
werden, das Handwerkliche soll uns inspirieren,
vom einzelnen Stich soll uns der Geist der Arbeit
zur großen Komposition weiterführen.
Für diese Wendung bieten die Proben von
Sinsteden, Tanger, Somoff typische Beispiele.
Reizvoll ist hier der Kampf der Kunstgewerblerin
mit der Stickerin, der in jedem Stück zu spüren
ist. Man sieht, die drei wissen schon ungefähr,
worauf es ankommt. Von der Ornamenten-
Stickerei haben sie sich abgekehrt, und den An-
schluß an alte volkstümliche Stickerei haben sie
nicht aus dem Grunde gesucht, um nur ja wieder
neue Muster zu gewinnen. Sie wollen aus dem
gleichen Stickereigefühl heraus arbeiten, wie es
die Alten getan. Manche Feinheiten haben sie
bereits auf diese Weise wieder erweckt, das
Zittern der Linie, die Stich für Stich gewachsen,
wie ein Schachtelhalm Glied um Glied ansetzt,
NEUE STICKEREIEN.
Die hier veröffentlichten Stickereien muten
keineswegs »modern« an, modern im streng-
sten Sinne genommen, man könnte sogar einen
Augenblick denken, alte Stücke aus irgend einer
Volkskunst-Ausstellung vor sich zu haben. Mo-
derne Stickereien waren lediglich Ornamente,
dekorative Entwürfe, die mit Hilfe der Stickerei
ausgeführt, d. h. so getreu als möglich wieder-
gegeben waren. Ihre Reize lagen auf der zeich-
nerischen Seite, die Ausführung bot nicht mehr
an Werten als der Entwurf schon hatte. Die
Ausführung, das Handwerkliche der Stickerei
war von untergeordneter Bedeutung.
Diese Stücke hielten aber den Vergleich mit
den wunderbaren alten Stickereien und den ge-
rade zu der Zeit in Masse gezeigten Werken
der Volkskunst in keiner Weise aus. Die papierne
Kunst wurde vom echten Handwerk, das nur mit
den Reizen des Materials und der Technik
arbeitete, vollkommen erdrückt. Auch die eigen-
artigste, formenreichste Zeichnung konnte nicht
den sinnlichen und seelischen Gehalt geben, der
den kunstlosesten alten oder naiv volkstümlichen
Erzeugnissen innewohnte. Diese Erkenntnis hat
354
sich jetzt wohl allgemein, wenigstens in den
Oberschichten, wo die führenden Persönlich-
keiten stehen, durchgesetzt. Wir lassen uns
nicht mehr blenden von den großartigen Kartons,
womit die Künstler die Werkstätten beglücken
wollen, das Neue muß von unten aufgebaut
werden, das Handwerkliche soll uns inspirieren,
vom einzelnen Stich soll uns der Geist der Arbeit
zur großen Komposition weiterführen.
Für diese Wendung bieten die Proben von
Sinsteden, Tanger, Somoff typische Beispiele.
Reizvoll ist hier der Kampf der Kunstgewerblerin
mit der Stickerin, der in jedem Stück zu spüren
ist. Man sieht, die drei wissen schon ungefähr,
worauf es ankommt. Von der Ornamenten-
Stickerei haben sie sich abgekehrt, und den An-
schluß an alte volkstümliche Stickerei haben sie
nicht aus dem Grunde gesucht, um nur ja wieder
neue Muster zu gewinnen. Sie wollen aus dem
gleichen Stickereigefühl heraus arbeiten, wie es
die Alten getan. Manche Feinheiten haben sie
bereits auf diese Weise wieder erweckt, das
Zittern der Linie, die Stich für Stich gewachsen,
wie ein Schachtelhalm Glied um Glied ansetzt,