SOMMER-AUSSTELLUNG DER „MÜNCHENER SEZESSION
20. MAI 81. OKTOBER 1916.
In der Ausstellung des vorigen Jahres sah man
die Künstler vielfach bemüht, sich irgendwie
mit dem Ereignis des Krieges auseinanderzu-
setzen, sei es nun, daß sie von eigenen Ge-
sichten berichteten, oderdaßsie ihr Gestaltungs-
bedürfnis an Remeniszenzen der geläufigen
Bilder aus früheren Kriegen zum Niederschlag
brachten. In diesem Jahre ist es damit ruhiger
geworden. Der Krieg ist nicht mehr das uni-
versale, aus dem Gleichgewicht werfende Er-
eignis, demgegenüber der Künstler zum bild-
nerischen Gestalten flüchtet, um sich mit dem
andringenden Unbekannten auseinanderzu-
setzen und seine Existenz als Künstler zu
behaupten. An dieser Gesamtkonstatierung
ändert es auch nichts, wenn Stuck einem
schwertschwingenden Mann den Titel gibt
„Feinde ringsum", wenn Julius Diez in
einem schwammigen Raupentier eine Allegorie
auf den „Heerwurm" findet, oderwenn Angelo
Jank in der gutgemalten Gegenüberstellung
eines bayrischen Raupenhelms und eines mo-
dernen Helms mit feldgrauem Überzug eine
Versinnbildlichung der „alten und der neuen
Zeit" in der idyllischen Sphäre des Stillebens
gibt. Alle diese Dinge entspringen nicht aus
einem Bis - Oben-Angefülltsein vom Krieg,
sondern nehmen den Krieg lediglich als stoff-
lichen Anlaß, so wie etwa Richard Pietzsch
die bayerischen Feldgrauen auf Rast in einem
Wirtsgarten malt. Nur eine äußerliche Berüh-
rung zum Kriege ist es selbstverständlich auch,
wenn auf manchem Porträt die militärische
Farbe vertreten ist. Es sei hier das ganz vom
Reiz des packenden, augenblicklichen Lebens
her angefaßte Porträt von Conrad Hommel
besonders erwähnt, ferner von auswärtigen Ein-
sendungen die Arbeiten von Fritz Rhein und
Alfred Sohn-Rethel (Berlin). Der Krieg ist
eine Ereignisseite des Lebens unter anderen
geworden, welche wohl manche inhaltsschwere
Bilder bringt — eines der packendsten gibt
Fritz Burger-Mühlfeld (Hannover) mit sei-
nem „Erstürmten englischen Schützengraben
bei Langemark", in dem wirklich etwas von
dem namenlosen Grauen enthalten ist; und
auch sein „Bad hinter der Gefechtsstellung"
ist malerisch recht interessant, wie die ge-
drängten Körper zu einheitlichem Fluß zusam-
mengenommen sind. Im übrigen aber hat man
aufgehört, von der Berührung mit dem Krieg
inhaltlich eine Befruchtung für die Kunst zu
erwarten — ob durch eine veränderte Allge-
meingesinnung der Krieg eine Wirkung auf die
Kunst haben wird, könnten erst spätere Jahre
zeigen. Vorläufig hat man den Eindruck, daß
jeder seine Arbeit genau da wiederaufgenommen
hat, wo sie vor dem Kriege stand — wie wir
es ja schließlich alle auch getan haben.
Dies ist zugleich wohl die einzige allgemeinere
Konstatierung, die man zu dieser Ausstellung
machen kann. Im übrigen ist gar nichts gemein-
sames zu konstatieren, kein gemeinsames Voran,
kein sich gegenseitig Befruchten. Jeder baut
an dem Kreis seiner Probleme mit dem Kreis
seiner Mittel, die er sich im Lauf seiner Arbeit
zurechtgemacht hat. Man hat den Eindruck,
daß jeder auf sich allein angewiesen ist. Ge-
meinsam schließlich jene gewisse „Münchener
Sezessions-Stimmung", die nur freilich schon
fast zu bekannt und konstant ist. — Im folgen-
den darum nur einige unzusammenhängende
Notizen, die nicht im geringsten in irgendeinem
Betracht vollständig oder ausschließend sein
wollen.
Sei es nun, daß die Abwanderung eines Teils
der Jugend zur „Neuen Sezession" sich doch
fühlbar macht, oder daß die Jüngeren mehr
durch militärische Dienstleistung in Anspruch
genommen sind — jedenfalls sind es die Alten,
die das Feld beherrschen. Wir erlassen es uns,
die vielgenannten Namen — auch der gut ver-
tretenen auswärtigen Einsender — hier wieder
einmal namhaft zu machen, und nennen als
vollgültigen Vertreter für die Initiative der Al-
ten nur H. von Habermann. Mit seiner „Mi-
sericordia" — wohl das meist bemerkte Bild
der Ausstellung — fügt er der Reihe, die er
mit der „Verkündigung" begonnen hat, ein be-
achtenswertes Stück zu und beweist, daß es
ihm ernst ist mit dem Bemühen, zu einem ver-
tieften, großpathetischen Bildinhalt, jenseits
aller impressionistischen Augenblicklichkeit,
vorzudringen, wenn auch die Gebärde der weib-
lichen Figur vielleicht im Genrehaften stecken
bleibt. — Sehr erfreulich wirkt wieder Her-
mann Groeber durch die sparsame Solidität
und feine Delikatesse seiner Malweise. Sehr
angenehm durch die Ruhe und Klarheit, wenn
auch etwas kühl, berührt das Porträt Franz
Langheinrich von Otto Greiner.
Leo Putz wird in der Behandlung seiner
Probleme, von denen jeder eine ungefähre Vor-
stellung vor Augen hat, wenn er den Namen
20. MAI 81. OKTOBER 1916.
In der Ausstellung des vorigen Jahres sah man
die Künstler vielfach bemüht, sich irgendwie
mit dem Ereignis des Krieges auseinanderzu-
setzen, sei es nun, daß sie von eigenen Ge-
sichten berichteten, oderdaßsie ihr Gestaltungs-
bedürfnis an Remeniszenzen der geläufigen
Bilder aus früheren Kriegen zum Niederschlag
brachten. In diesem Jahre ist es damit ruhiger
geworden. Der Krieg ist nicht mehr das uni-
versale, aus dem Gleichgewicht werfende Er-
eignis, demgegenüber der Künstler zum bild-
nerischen Gestalten flüchtet, um sich mit dem
andringenden Unbekannten auseinanderzu-
setzen und seine Existenz als Künstler zu
behaupten. An dieser Gesamtkonstatierung
ändert es auch nichts, wenn Stuck einem
schwertschwingenden Mann den Titel gibt
„Feinde ringsum", wenn Julius Diez in
einem schwammigen Raupentier eine Allegorie
auf den „Heerwurm" findet, oderwenn Angelo
Jank in der gutgemalten Gegenüberstellung
eines bayrischen Raupenhelms und eines mo-
dernen Helms mit feldgrauem Überzug eine
Versinnbildlichung der „alten und der neuen
Zeit" in der idyllischen Sphäre des Stillebens
gibt. Alle diese Dinge entspringen nicht aus
einem Bis - Oben-Angefülltsein vom Krieg,
sondern nehmen den Krieg lediglich als stoff-
lichen Anlaß, so wie etwa Richard Pietzsch
die bayerischen Feldgrauen auf Rast in einem
Wirtsgarten malt. Nur eine äußerliche Berüh-
rung zum Kriege ist es selbstverständlich auch,
wenn auf manchem Porträt die militärische
Farbe vertreten ist. Es sei hier das ganz vom
Reiz des packenden, augenblicklichen Lebens
her angefaßte Porträt von Conrad Hommel
besonders erwähnt, ferner von auswärtigen Ein-
sendungen die Arbeiten von Fritz Rhein und
Alfred Sohn-Rethel (Berlin). Der Krieg ist
eine Ereignisseite des Lebens unter anderen
geworden, welche wohl manche inhaltsschwere
Bilder bringt — eines der packendsten gibt
Fritz Burger-Mühlfeld (Hannover) mit sei-
nem „Erstürmten englischen Schützengraben
bei Langemark", in dem wirklich etwas von
dem namenlosen Grauen enthalten ist; und
auch sein „Bad hinter der Gefechtsstellung"
ist malerisch recht interessant, wie die ge-
drängten Körper zu einheitlichem Fluß zusam-
mengenommen sind. Im übrigen aber hat man
aufgehört, von der Berührung mit dem Krieg
inhaltlich eine Befruchtung für die Kunst zu
erwarten — ob durch eine veränderte Allge-
meingesinnung der Krieg eine Wirkung auf die
Kunst haben wird, könnten erst spätere Jahre
zeigen. Vorläufig hat man den Eindruck, daß
jeder seine Arbeit genau da wiederaufgenommen
hat, wo sie vor dem Kriege stand — wie wir
es ja schließlich alle auch getan haben.
Dies ist zugleich wohl die einzige allgemeinere
Konstatierung, die man zu dieser Ausstellung
machen kann. Im übrigen ist gar nichts gemein-
sames zu konstatieren, kein gemeinsames Voran,
kein sich gegenseitig Befruchten. Jeder baut
an dem Kreis seiner Probleme mit dem Kreis
seiner Mittel, die er sich im Lauf seiner Arbeit
zurechtgemacht hat. Man hat den Eindruck,
daß jeder auf sich allein angewiesen ist. Ge-
meinsam schließlich jene gewisse „Münchener
Sezessions-Stimmung", die nur freilich schon
fast zu bekannt und konstant ist. — Im folgen-
den darum nur einige unzusammenhängende
Notizen, die nicht im geringsten in irgendeinem
Betracht vollständig oder ausschließend sein
wollen.
Sei es nun, daß die Abwanderung eines Teils
der Jugend zur „Neuen Sezession" sich doch
fühlbar macht, oder daß die Jüngeren mehr
durch militärische Dienstleistung in Anspruch
genommen sind — jedenfalls sind es die Alten,
die das Feld beherrschen. Wir erlassen es uns,
die vielgenannten Namen — auch der gut ver-
tretenen auswärtigen Einsender — hier wieder
einmal namhaft zu machen, und nennen als
vollgültigen Vertreter für die Initiative der Al-
ten nur H. von Habermann. Mit seiner „Mi-
sericordia" — wohl das meist bemerkte Bild
der Ausstellung — fügt er der Reihe, die er
mit der „Verkündigung" begonnen hat, ein be-
achtenswertes Stück zu und beweist, daß es
ihm ernst ist mit dem Bemühen, zu einem ver-
tieften, großpathetischen Bildinhalt, jenseits
aller impressionistischen Augenblicklichkeit,
vorzudringen, wenn auch die Gebärde der weib-
lichen Figur vielleicht im Genrehaften stecken
bleibt. — Sehr erfreulich wirkt wieder Her-
mann Groeber durch die sparsame Solidität
und feine Delikatesse seiner Malweise. Sehr
angenehm durch die Ruhe und Klarheit, wenn
auch etwas kühl, berührt das Porträt Franz
Langheinrich von Otto Greiner.
Leo Putz wird in der Behandlung seiner
Probleme, von denen jeder eine ungefähre Vor-
stellung vor Augen hat, wenn er den Namen