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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 38.1916

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Renatus, Kuno: Sommer-Ausstellung der "Münchener Sezession"
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https://doi.org/10.11588/diglit.8538#0306

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Sommer-Ausstellung der „Münchener Sezession".

Leo Putz hört, immer größer und zügiger. —
Gegen die Problemstellungen von Ernst Bur-
mester ist es kein Einwand, daß diese Pro-
bleme schon von anderen behandelt worden
sind: der Reiz seiner Lösungen liegt in der
außerordentlichen Elastizität, mit der das Licht
angefaßt ist. — Henry Niestie gibt wieder
ein paar außerordentlich warm wirkende Proben
seines vollsaftigen Kolorismus. — In respek-
tablen Leistungen bemüht sich Ludwig Bock,
den mit impressionistischer Sensibilität gewähl-
ten Vorwürfen Halt zu geben und die Form zu
gewinnen. — Ganz noch im Bereich der Schü-
lerarbeiten, mindestens der gestellten Aufgabe
nach, bleibt die Arbeit des jungen Baumgart-
ner. Seine „Farbigen Engländer" enthalten
weiter nichts, als das farbige Modell vor weißem
Hintergrunde, wie es wohl jeder Malschüler
einmal malt, ohne jede besondere geistige Ab-
sicht angefaßt. Und doch zeigt die ganze Art
eine Sicherheit und ein Temperament des Zu-
greifens, daß man aufmerksam wird. —

Von denen, die den Zielen einer idealistischen
Malerei nachtrachten, kommt diesmal, durch
günstige Hängung unterstützt, Julius Hüther
am besten zur Geltung. Und doch kann man
gerade angesichts des Nebeneinander mehrerer
Bilder den Gedanken nicht unterdrücken, ob
die glühende, durch stark rote Lichter gehöhte
Rhythmisierung, die Hüther durch seine Bilder
strömen läßt, dem Künstler nicht bereits zum
feststehenden Schema geworden ist, die er an
seine Bilder heranbringt, anstatt sie aus dem
jeweiligen Vorwurf herauswachsen zu lassen.
Viel ruhiger, aber freilich auch nicht ganz ohne
pretiöse Kühle sprechen die Bilder von Carl
Schwalbach, von denen namentlich „DieUn-
stäten" einen bemerkenswerten Fortschritt dar-
stellen, eine größere, lose Gruppe durch einen
einzigen, überall seelenbewegten Grundrhyth-
mus zusammenzuhalten. — Eine Überraschung
ist diesmal Franz Reinhardt. Während
er früher, vornehmlich auf die Wiedergabe
strotzender muskulärer Kraft eingestellt, sich
mit bleiernen, gelegentlich schmutzig werdenden
Tönen genügen ließ, hat er jetzt seine Palette

aufgehellt und stellt die naturhaften Grund-
farben gegeneinander. Vor allem hat er den
perspektivischen Raum verlassen und hat seinen
Bildern den idealen Raum gewonnen, in denen
er, bisweilen noch etwas ängstlich und schema-
tisch im Aufbau, die kompositioneil gedachten
Ereignisse sich abspielen läßt, die ihn jetzt in-
teressieren. — Wir nennen noch den gut ge-
schlossenen „Herbst" von Josef Kitzler.

Aus Berlin Hans Meid und Waldemar
Rösler. Aus Stuttgart Ernst Graeser mit
zwei religiösen Kompositionen und Max Bau er
mit einer straff zusammengenommenen, gut zur
Steigerung gebrachten Gebirgslandschaft. Fer-
ner seien von Auswärtigen noch genannt:
Hans Völcker-Wiesbaden, namentlich mit
der Landschaft „Nebel", in der mit Glück unter-
nommen ist, den Ausdruck zu drängen und zu
steigern, und Kurt Tuch-Magdeburg.

Aus der plastischen Abteilung nennen wir
mit starker Hervorhebung die Arbeiten von
Karl Albiker-Karlsruhe. Durch seine „Drei
Grazien" wie durch seinen „Torso" geht ein
einheitlicher Fluß plastischen Formlebens, und
auch in der kleinen „kauernden Haarflechterin"
ist auf engem Raum eine Fülle interessanter
dreidimensionalerBewegung enthalten. —Sonst
müssen wir diesmal — zu unserer eigenen Über-
raschung — noch eine Dame besonders nennen,
Renee Sintenis-Berlin. Ihre kleinen Bron-
zen „Fohlen" und „Junges Reh" zeigen eine
besondere Begabung, naturhaft schlichtes Da-
sein mit großer Einfachheit anzufassen und, mit
starker Abstraktion des Ausdrucks, zu pla-
stisch-seelenvoller Darstellung zu bringen. —

Diese Ausstellung 1916 ist vermutlich die
endgültig letzte in dem schönen Bau am Königs-
platz. Sie ist — es darf nicht verschwiegen
werden — nicht zugleich die eindrucksvollste,
die dieses Haus gesehen hat. Die Übersiede-
lung erfolgt in einem Augenblick, da in der
Malerei bewegende Dinge geschehen. Wir dür-
fen daher wohl gespannt sein, ob mit dem neuen
Lokal auch wieder ein neues, lebenserfülltes
Kapitel in der Geschichte der Münchener Sezes-
sion beginnen wird.....dr. kuno mittenzwey.
 
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