c'.I 1)1 i k I I K KRCHSTCc.KS-TISCH. »NYMPHK.NHURUER PORZELLAN« VERÖL. SEITE 354.
KUNST IM KUNSTGEWERBE.
Die Auffassung, daß die Schöpfungen des
Kunstgewerbes hinter denen der bildenden
Kunst zurückständen, daß den kunstgewerb-
lichen Erzeugnissen eine geringere Bedeutung
zukäme als den Werken der Malerei und Pla-
stik, ist allgemein. Diese Auffassung von der
Minderwertigkeit der kunstgewerblichen Schöp-
fungen gegenüber denen der bildenden Kunst
fand im ganzen 19. Jahrhundert eine starke
Stütze in der offensichtlichen und aufdringlichen
Betonung des Handwerklichen und Technischen
im Kunstgewerbe. Nachdem die Überschätzung
der technischen Gestaltungsmöglichkeiten der
Maschine gegen Ende des 19. Jahrhunderts
abgeflaut war, erklang der Ruf nach Zweck-
gemäßheit, Stoffechtheit und Werkgerechtigkeit
so laut und allgemein, daß man in den tech-
nischen Grundlagen der Herstellung eines kunst-
gewerblichen Erzeugnisses geradezu künstle-
rische Gestaltungs-Grundsätze zu erkennen
glaubte. Das Vernünftige und Zweckgemäße
technischer Herstellungsweisen wurde zur Norm
des künstlerischen Schaffens. Damit war zwar
der außerordentliche Vorzug verbunden, daß
der prunkvolle, überflüssige Reichtum dekora-
tiver Schmuckwerte fast gänzlich ausgeschaltet
werden konnte, auf der anderen Seite aber er-
fuhr die Anteilnahme der eigentlich schöpfe-
rischen Tätigkeit der Phantasie an der Form-
gestaltung kunstgewerblicher Erzeugnisse eine
Einbuße. Man begnügte sich häufig mit der
erstrebten Vollkommenheit der technischen
Arbeit und schenkte den künstlerischen Aus-
druckswerten eine geringere Beachtung.
Daß die Anschauungen über Kunst und
Kunstgewerbe im 19. Jahrhundert verworren
waren, geht aus der Tatsache hervor, daß im
Gegensatz zu den bekannten Zweigen der bil-
denden Kunst ein Begriff der angewandten
Kunst geschaffen wurde, dem man die indu-
XIX. Aufjust 1916. 7
KUNST IM KUNSTGEWERBE.
Die Auffassung, daß die Schöpfungen des
Kunstgewerbes hinter denen der bildenden
Kunst zurückständen, daß den kunstgewerb-
lichen Erzeugnissen eine geringere Bedeutung
zukäme als den Werken der Malerei und Pla-
stik, ist allgemein. Diese Auffassung von der
Minderwertigkeit der kunstgewerblichen Schöp-
fungen gegenüber denen der bildenden Kunst
fand im ganzen 19. Jahrhundert eine starke
Stütze in der offensichtlichen und aufdringlichen
Betonung des Handwerklichen und Technischen
im Kunstgewerbe. Nachdem die Überschätzung
der technischen Gestaltungsmöglichkeiten der
Maschine gegen Ende des 19. Jahrhunderts
abgeflaut war, erklang der Ruf nach Zweck-
gemäßheit, Stoffechtheit und Werkgerechtigkeit
so laut und allgemein, daß man in den tech-
nischen Grundlagen der Herstellung eines kunst-
gewerblichen Erzeugnisses geradezu künstle-
rische Gestaltungs-Grundsätze zu erkennen
glaubte. Das Vernünftige und Zweckgemäße
technischer Herstellungsweisen wurde zur Norm
des künstlerischen Schaffens. Damit war zwar
der außerordentliche Vorzug verbunden, daß
der prunkvolle, überflüssige Reichtum dekora-
tiver Schmuckwerte fast gänzlich ausgeschaltet
werden konnte, auf der anderen Seite aber er-
fuhr die Anteilnahme der eigentlich schöpfe-
rischen Tätigkeit der Phantasie an der Form-
gestaltung kunstgewerblicher Erzeugnisse eine
Einbuße. Man begnügte sich häufig mit der
erstrebten Vollkommenheit der technischen
Arbeit und schenkte den künstlerischen Aus-
druckswerten eine geringere Beachtung.
Daß die Anschauungen über Kunst und
Kunstgewerbe im 19. Jahrhundert verworren
waren, geht aus der Tatsache hervor, daß im
Gegensatz zu den bekannten Zweigen der bil-
denden Kunst ein Begriff der angewandten
Kunst geschaffen wurde, dem man die indu-
XIX. Aufjust 1916. 7