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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 38.1916

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Klein, Rudolf: Vom Schreiben und Lesen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8538#0332

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KRIEDA LUTZ SON.M'.N lil'.R(;

LANDSCHAFT AUS POMMERN

VOM SCHREIBEN UND LESEN.

Betrachten wir das Leben auf seine erhalten-
den Faktoren hin, wir stoßen wohl überall
auf den Genuß als den zutiefst liegenden. Ohne
ihn wäre das Leben undenkbar. Nicht sowohl
scheint er das Bindeglied, als vielmehr die
Summe der Verbindung von Geistigem und
Materiellem. Wo auch immer Geistiges an einem
materiellen Träger in Erscheinung tritt, ist der
Genußerreger als Dritter vorhanden. So geht es
fort, in aufsteigender Linie, bis das Genie den
einzigen und wahrhaften Genuß nur noch im Au-
genblick der schöpferischen Idee empfindet und
ihn sich verschafft, verschaffen muß, selbst auf die
Gefahr hin, daran zu Grunde zu gehen. Der höch-
sten Stufe desGeistigen.wie der tief sten Stufe des
Sinnlichen, dem schöpferischen Gedanken wie
dem elementaren Geschlechtsausbruch, wohnt
somit im gleichen Maße ein göttlicher Funke
inne, jener Genußerreger, dessen die Natur sich
als einzig lebenserhaltenden bedient. Somit
sollte das Kunstwerk, das Resultat der Genuß-
befriedigung der verfeinerten Individuen, das

zu gleichen Teilen aus Sinnlichem und Geistigem
notwendig gemischt ist, gleichzeitig ein voll-
ständig Absichtsloses, allen Eingriffen und Vor-
schriften des Nebenmenschen von Natur Ent-
zogenes sein. Es trägt sein Gesetz in sich, wie
die Befriedigung von Hunger und Liebe. Das
kann uns jedoch des weiteren nicht hindern,
Gesetze anzunehmen, wie wir aus dem Ver-
gleich heraus berechtigt sind, die Lebensart
dieses Menschen der jenes vorzuziehen, und
auf bewegende Grundideen zu schließen, mag
eine spätere Generation aus ihren inneren Be-
dingungen heraus es auch in manchen Punkten
anders halten. Unter dieses Kapitel des Ge-
nusses fällt auch dies Thema, das hier des
Näheren erörtert werden soll. Vom „Schreiben
und Lesen" wurde es genannt, könnte statt
dessen auch „das Kunstgenießen" heißen. Wie
die Kunst ein Genußresultat ist, hervorgegangen
aus dem Trieb des Künstlers, treibt es andere
Individuen, dieses Resultat zu genießen, um des
gleichen Genusses teilhaftig zu werden. So
 
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