ERSTE AUSSTELLUNG DER „KÜNSTLERVEREINIGUNG DRESDEN
IM NEUEN STÄDTISCHEN AUSSTELLUNGSGEBÄUDE.
Dresden erlebt - seltsamerweise mitten im Kriege
— eine Erneuerung seines Kunstlebens:
Die Königl. Kunstakademie hat neue Lehrkräfte
berufen, der Neubau der Königl. Gemäldegalerie
am Zwinger nach den Entwürfen Kramers und
Puschs ist begonnen worden, die Stadt hat — noch
nach Erlweins Plänen — ein neues Kunstaus-
stellungsgebäude errichtet. Am wichtigsten ist
diese lerjte Neuschöpfung.
Dresdens Künstler waren auf seltene und be-
grenzte Sonderausstellungen in den Galerien der
Kunstausstellungen Arnold und Richter und des
Sächsischen Kunstvereins angewiesen. Auf größere
zusammenfassende Ausstellungen mußten sie in
Dresden verzichten, bis der ungefüge Städtische Aus-
stellungspalast nach umständlichen Einbauten wieder
einmal zu einer Internationalen Kunstschau herge-
richtet war. Eine neutrale würdige Stätte, wo alle
Künstler gleichmäßig und jederzeit zu Worte kommen
konnten, gab es nicht. Dieser empfindliche Mangel
hat lähmend und zersplitternd auf das künstlerische
Leben der Stadt eingewirkt. Spät hat die Stadt
den drängenden Wunsch der Künstler erfüllt.
Das neue Haus steht am Großen Garten, dicht
neben dem großen Ausstellungspalast, der jetjt als
Lazarett dient. In schönem hellen Sandstein er-
richtet, zeigt es alle Vorzüge der lernten Erlwein-
schen Arbeiten: Vornehmheit und ruhiges Gleich-
maß des Grund- und Aufrisses, klare Harmonie des
Innen und Außen, klassizistische Formen. Einem
höheren Mittelbau mit jonischer Säulenfassade,
dessen Treppengiebeldach einen plastischen Schmuck
in einer „Reitergruppe" Georg Wrbas erhalten
soll, gliedern sich symmetrisch zwei Seitenpavillons
mit durchgehenden flachen Pilastern an, niedrige
Nischenwände verbinden die Gebäude. Das Mittel-
gebäude umschließt die hohe, helle quadratische
Eingangshalle mit vier dunkelgebeizten, geschnitjten
Holzeinbauten für die Schalter und den ziemlich
beschränkten Saal für die Plastik. Rechts und links
der Eingangshalle reihen sich, gute Durchblicke
öffnend, je vier verschieden große, verschieden-
farbig gestrichene Räume an.
Die erste Ausstellung in dem neuen Hause
ist eröffnet worden. — Auf fünf Jahre hat die Stadt
das Gebäude an die größte Dresdener Künstler-
gruppe, die „Künstlervereinigung Dresden"
vermietet. Die Künstlervereinigung wird drei Aus-
stellungen im Jahr veranstalten, die allen Dresdener
Künstlern und auch Gästen von auswärts offen
stehen. Besondere Pflege soll die künstlerische
Jugend finden. Austausch der Ausstellungen mit
Berlin, München und anderen Orten ist angebahnt. -
Diesem gesunden Programm entspricht die erste
Ausstellung. Sie bringt neue Werke fast aller
Dresdener Künstler von Belang, der Zwanzigjährigen
wie der Siebzigjährigen; einige der bedeutendsten
deutschen Künstler von auswärts sind auch vertreten.
Selten zeigte eine Ausstellung der legten Jahre
das künstlerische Schaffen in Dresden so lebendig,
auf so achtunggebietender Höhe, so voller Ent-
wicklungsmöglichkeiten.
Unter den zweihundert Gemälden und Plastiken
stehen die Werke der Dresdener Meister Sterl,
Gußmann und Wrba an erster Stelle. In den
fünf Bildern, die Robert Sterl zeigt, ist die
Gebärde des Menschen Kern und Mittelpunkt.
Wie sein nervöser Pinsel aus dem Flimmern
heißer Luft auf hellem Stein die Bewegung des
arbeitenden Menschen („Steinbruch") immer wuch-
tiger herausholt, oder immer geistvoller die Geste
des Dirigenten aus dem von verwirrendem Lich-
terspiel durchhuschten Halbdunkel des Theaters
(„E. von Schuch"), das ist in jeder neuen Wieder-
holung dieser beiden Themen immer neu be-
wunderungswürdig. In zwei Bildern vom Kriege
(„Kameraden" und „Grablegung") ist eine männ-
lich scheue Zärtlichkeit der Gebärde, die ergreift.
Zu erschütternder Größe aber ist sie gesteigert in
dem Bilde „Schiffszieher auf der Wolga". Die
Gruppe von ihrer Last bis zur Erde niedergebeugter
Menschen hat Monumentalität, und das in ihrer bei
Sterl seltenen reichen Farbigkeit. Hier ist Inner-
lichkeit, wie der Künstler sie noch nicht gab, Sym-
bol. Von Otto Gußmanns neuen Bildern fesseln
am stärksten zwei Bildnisse von großem Wurf in
einem herrlichen saftigen Rot. Namentlich die Dame
im roten Stuhl, deren feines, fast abgewendetes
Profil eben noch vor dem nur angedeuteten hellen
Grün des Hintergrundes erscheint, ist außerordent-
lich geistreich hingeseßt. Wärmer, sinnlicher ist
das andre Bild „Mädchen mit Blumenstrauß" im
selben Rot vor kräftigem Grün. Georg Wrbas
Kunst trägt, wie die der beiden Maler, die Zeichen
voller Meisterschaft. Seine „Reitergruppe", das
größte und stärkste Werk im Plastikensaal, zeigt
in dem ruhig schreitenden Pferd die monumentale
Tiergestaltung des Künstlers, in der leicht, fast
zierlich auf dem mächtigen Tier sißenden Frauen-
gestalt, seine prachtvoll sinnliche Menschendarstel-
lung. Die feine Armbewegung der Reiterin löst
die mächtige Gruppe in eine heitere Bewegung von
klassischer Schönheit. Ein in seiner Anatomie un-
übertrefflicher weiblicher Akt, eine Seitenfigur vom
IM NEUEN STÄDTISCHEN AUSSTELLUNGSGEBÄUDE.
Dresden erlebt - seltsamerweise mitten im Kriege
— eine Erneuerung seines Kunstlebens:
Die Königl. Kunstakademie hat neue Lehrkräfte
berufen, der Neubau der Königl. Gemäldegalerie
am Zwinger nach den Entwürfen Kramers und
Puschs ist begonnen worden, die Stadt hat — noch
nach Erlweins Plänen — ein neues Kunstaus-
stellungsgebäude errichtet. Am wichtigsten ist
diese lerjte Neuschöpfung.
Dresdens Künstler waren auf seltene und be-
grenzte Sonderausstellungen in den Galerien der
Kunstausstellungen Arnold und Richter und des
Sächsischen Kunstvereins angewiesen. Auf größere
zusammenfassende Ausstellungen mußten sie in
Dresden verzichten, bis der ungefüge Städtische Aus-
stellungspalast nach umständlichen Einbauten wieder
einmal zu einer Internationalen Kunstschau herge-
richtet war. Eine neutrale würdige Stätte, wo alle
Künstler gleichmäßig und jederzeit zu Worte kommen
konnten, gab es nicht. Dieser empfindliche Mangel
hat lähmend und zersplitternd auf das künstlerische
Leben der Stadt eingewirkt. Spät hat die Stadt
den drängenden Wunsch der Künstler erfüllt.
Das neue Haus steht am Großen Garten, dicht
neben dem großen Ausstellungspalast, der jetjt als
Lazarett dient. In schönem hellen Sandstein er-
richtet, zeigt es alle Vorzüge der lernten Erlwein-
schen Arbeiten: Vornehmheit und ruhiges Gleich-
maß des Grund- und Aufrisses, klare Harmonie des
Innen und Außen, klassizistische Formen. Einem
höheren Mittelbau mit jonischer Säulenfassade,
dessen Treppengiebeldach einen plastischen Schmuck
in einer „Reitergruppe" Georg Wrbas erhalten
soll, gliedern sich symmetrisch zwei Seitenpavillons
mit durchgehenden flachen Pilastern an, niedrige
Nischenwände verbinden die Gebäude. Das Mittel-
gebäude umschließt die hohe, helle quadratische
Eingangshalle mit vier dunkelgebeizten, geschnitjten
Holzeinbauten für die Schalter und den ziemlich
beschränkten Saal für die Plastik. Rechts und links
der Eingangshalle reihen sich, gute Durchblicke
öffnend, je vier verschieden große, verschieden-
farbig gestrichene Räume an.
Die erste Ausstellung in dem neuen Hause
ist eröffnet worden. — Auf fünf Jahre hat die Stadt
das Gebäude an die größte Dresdener Künstler-
gruppe, die „Künstlervereinigung Dresden"
vermietet. Die Künstlervereinigung wird drei Aus-
stellungen im Jahr veranstalten, die allen Dresdener
Künstlern und auch Gästen von auswärts offen
stehen. Besondere Pflege soll die künstlerische
Jugend finden. Austausch der Ausstellungen mit
Berlin, München und anderen Orten ist angebahnt. -
Diesem gesunden Programm entspricht die erste
Ausstellung. Sie bringt neue Werke fast aller
Dresdener Künstler von Belang, der Zwanzigjährigen
wie der Siebzigjährigen; einige der bedeutendsten
deutschen Künstler von auswärts sind auch vertreten.
Selten zeigte eine Ausstellung der legten Jahre
das künstlerische Schaffen in Dresden so lebendig,
auf so achtunggebietender Höhe, so voller Ent-
wicklungsmöglichkeiten.
Unter den zweihundert Gemälden und Plastiken
stehen die Werke der Dresdener Meister Sterl,
Gußmann und Wrba an erster Stelle. In den
fünf Bildern, die Robert Sterl zeigt, ist die
Gebärde des Menschen Kern und Mittelpunkt.
Wie sein nervöser Pinsel aus dem Flimmern
heißer Luft auf hellem Stein die Bewegung des
arbeitenden Menschen („Steinbruch") immer wuch-
tiger herausholt, oder immer geistvoller die Geste
des Dirigenten aus dem von verwirrendem Lich-
terspiel durchhuschten Halbdunkel des Theaters
(„E. von Schuch"), das ist in jeder neuen Wieder-
holung dieser beiden Themen immer neu be-
wunderungswürdig. In zwei Bildern vom Kriege
(„Kameraden" und „Grablegung") ist eine männ-
lich scheue Zärtlichkeit der Gebärde, die ergreift.
Zu erschütternder Größe aber ist sie gesteigert in
dem Bilde „Schiffszieher auf der Wolga". Die
Gruppe von ihrer Last bis zur Erde niedergebeugter
Menschen hat Monumentalität, und das in ihrer bei
Sterl seltenen reichen Farbigkeit. Hier ist Inner-
lichkeit, wie der Künstler sie noch nicht gab, Sym-
bol. Von Otto Gußmanns neuen Bildern fesseln
am stärksten zwei Bildnisse von großem Wurf in
einem herrlichen saftigen Rot. Namentlich die Dame
im roten Stuhl, deren feines, fast abgewendetes
Profil eben noch vor dem nur angedeuteten hellen
Grün des Hintergrundes erscheint, ist außerordent-
lich geistreich hingeseßt. Wärmer, sinnlicher ist
das andre Bild „Mädchen mit Blumenstrauß" im
selben Rot vor kräftigem Grün. Georg Wrbas
Kunst trägt, wie die der beiden Maler, die Zeichen
voller Meisterschaft. Seine „Reitergruppe", das
größte und stärkste Werk im Plastikensaal, zeigt
in dem ruhig schreitenden Pferd die monumentale
Tiergestaltung des Künstlers, in der leicht, fast
zierlich auf dem mächtigen Tier sißenden Frauen-
gestalt, seine prachtvoll sinnliche Menschendarstel-
lung. Die feine Armbewegung der Reiterin löst
die mächtige Gruppe in eine heitere Bewegung von
klassischer Schönheit. Ein in seiner Anatomie un-
übertrefflicher weiblicher Akt, eine Seitenfigur vom