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Vergebens.
,u ringst dich doch nicht los mit allem Weinen,
Wie dn's versuchst!
Du liebst ja doch für ewig nur den Einen,
Ob du ihm fluchst!
Ob Untreu' auch die äußeren Bande löse
Mit kaltein Wort,
Dein edles Herz verzeiht ihm alles Böse
Und — liebt ihn fort!
W. Herbert.
Neuer Heirathsantrag.
„Gnädiges Fräulein, darf ich Sie vielleicht zu
meiner Hochzeitsreise einladen?"
Der kurzsichtige Jäger.
Sonntagsjäger: . Da vorn lauft einer. Ich
glaub', auf den schieß' ich — es muß ein Hast sein;
so schnell kann ein Treiber doch nicht lausen!"
Sein Stellvertreter.
s fand ein Liederabend des berühmten Tenoristen
Hochzeh statt. Unter dem athemlos lauschenden
Publikum befand sich auch Laura. Ihre schwarzen
Augen hingen wie gebannt an der schlanken Gestalt des
göttlichen Sängers, ihre Ohren gewissermaßen an seinen
Lippen. Auf ihrem Schooß hielt sie einen Handschuh-
Sein Stellvertreter.
kästen, in welchen: noch drei Paar neue Handschuhe lagen. Ursprünglich war
es ein volles halbes Dutzend gewesen, aber. während der Vorträge hatte sie
bereits zwei Paare zerklatscht und als total unbrauchbar fortgeworfen. Das
dritte Paar hatte sie auf den Händen, es sollte bald den beiden ersten folgen.
Neben Laura saß Waldemar, ein schüchterner, junger Mann, der sie anbetete.
Sie hatte ihn niemals erhört, sie wollte nichts von ihm wissen. In der
Nähe des Tenoristen erschien er ihr geradezu als eine klägliche Figur. Er
konnte nicht singen, das war barbarisch, er war unmusikalisch, das fand sie
im höchsten Grade verächtlich.
Und doch, gerade heute sollte Waldeinar einen Augenblick höchster Seligkeit
erleben. Der Tenorist hatte soeben eine Glanznummer beendigt. Laura
klatschte in überwallender Begeisterung das dritte Handschuhpaar zu nichte, es
fiel in kleine Fetzen zerrissen zu ihren Füßen. Ein neues Paar anzuziehen,
dazu fehlte es an Zeit, aber wohin mit dem Ueberschwang des Enthusiasmus.
Sie wandte sich nach der linken Seite, an welcher eine ihr gänzlich unbekannte
alte Dame saß. Laura umarmte sie und vergoß an ihrem Busen Thränen
tiefsten Empfindens. Aber die alte Dame schüttelte sie ab, und doch war
noch ein Rest von Begeisterung vorhanden. Laura wandte sich mach rechts
und umarmte Waldemar, der sie entztickt an sein Herz drückte und „Mein,
mein!" stammelte. Da war aber gerade Lauras Begeisterung zu Ende, und sie
stieß den Anbeter mit dem Ausruf: „Abscheulicher!" zurück. Sie wurde ruhig
und zog das vierte Handschuhpaar an.
Er sang die Schlußnnmmer. Unter „Er" verstehen wir immer den Tenoristen
Hochzeh, nicht Waldernar. Er war zu Ende. Man überschüttete ihn mit
Blumen. Laura hatte keine Blumen bei sich, eine Vergeßlichkeit, für welche
Waldemar ein böser Blick aus den dunkeln Augen traf. Sie warf ein Zehn-
niarkstück auf das Podium. Soviel hätte sie für ein Blumenbouquet ausgegeben,
wenn sie daran gedacht hätte.
Und nun hinaus, hinaus an das Pförtchen, aus welchem der begnadete
Künstler heraustreten mußte. Hunderte weiblicher Enthusiastinnen warteten
darauf, denn sie wollten ihm die Pferde ansspannen. Sein Diener erschien.
Man umringte ihn, man fragte ihn ans. Der Herr werde in einer Droschke
nach Hause fahren. Es stand eine ganze Reihe von Droschken auf der Straße.
Im Nu hatte man sämmtlichen Droschken die Pferde ausgespannt. Laura
Vergebens.
,u ringst dich doch nicht los mit allem Weinen,
Wie dn's versuchst!
Du liebst ja doch für ewig nur den Einen,
Ob du ihm fluchst!
Ob Untreu' auch die äußeren Bande löse
Mit kaltein Wort,
Dein edles Herz verzeiht ihm alles Böse
Und — liebt ihn fort!
W. Herbert.
Neuer Heirathsantrag.
„Gnädiges Fräulein, darf ich Sie vielleicht zu
meiner Hochzeitsreise einladen?"
Der kurzsichtige Jäger.
Sonntagsjäger: . Da vorn lauft einer. Ich
glaub', auf den schieß' ich — es muß ein Hast sein;
so schnell kann ein Treiber doch nicht lausen!"
Sein Stellvertreter.
s fand ein Liederabend des berühmten Tenoristen
Hochzeh statt. Unter dem athemlos lauschenden
Publikum befand sich auch Laura. Ihre schwarzen
Augen hingen wie gebannt an der schlanken Gestalt des
göttlichen Sängers, ihre Ohren gewissermaßen an seinen
Lippen. Auf ihrem Schooß hielt sie einen Handschuh-
Sein Stellvertreter.
kästen, in welchen: noch drei Paar neue Handschuhe lagen. Ursprünglich war
es ein volles halbes Dutzend gewesen, aber. während der Vorträge hatte sie
bereits zwei Paare zerklatscht und als total unbrauchbar fortgeworfen. Das
dritte Paar hatte sie auf den Händen, es sollte bald den beiden ersten folgen.
Neben Laura saß Waldemar, ein schüchterner, junger Mann, der sie anbetete.
Sie hatte ihn niemals erhört, sie wollte nichts von ihm wissen. In der
Nähe des Tenoristen erschien er ihr geradezu als eine klägliche Figur. Er
konnte nicht singen, das war barbarisch, er war unmusikalisch, das fand sie
im höchsten Grade verächtlich.
Und doch, gerade heute sollte Waldeinar einen Augenblick höchster Seligkeit
erleben. Der Tenorist hatte soeben eine Glanznummer beendigt. Laura
klatschte in überwallender Begeisterung das dritte Handschuhpaar zu nichte, es
fiel in kleine Fetzen zerrissen zu ihren Füßen. Ein neues Paar anzuziehen,
dazu fehlte es an Zeit, aber wohin mit dem Ueberschwang des Enthusiasmus.
Sie wandte sich nach der linken Seite, an welcher eine ihr gänzlich unbekannte
alte Dame saß. Laura umarmte sie und vergoß an ihrem Busen Thränen
tiefsten Empfindens. Aber die alte Dame schüttelte sie ab, und doch war
noch ein Rest von Begeisterung vorhanden. Laura wandte sich mach rechts
und umarmte Waldemar, der sie entztickt an sein Herz drückte und „Mein,
mein!" stammelte. Da war aber gerade Lauras Begeisterung zu Ende, und sie
stieß den Anbeter mit dem Ausruf: „Abscheulicher!" zurück. Sie wurde ruhig
und zog das vierte Handschuhpaar an.
Er sang die Schlußnnmmer. Unter „Er" verstehen wir immer den Tenoristen
Hochzeh, nicht Waldernar. Er war zu Ende. Man überschüttete ihn mit
Blumen. Laura hatte keine Blumen bei sich, eine Vergeßlichkeit, für welche
Waldemar ein böser Blick aus den dunkeln Augen traf. Sie warf ein Zehn-
niarkstück auf das Podium. Soviel hätte sie für ein Blumenbouquet ausgegeben,
wenn sie daran gedacht hätte.
Und nun hinaus, hinaus an das Pförtchen, aus welchem der begnadete
Künstler heraustreten mußte. Hunderte weiblicher Enthusiastinnen warteten
darauf, denn sie wollten ihm die Pferde ansspannen. Sein Diener erschien.
Man umringte ihn, man fragte ihn ans. Der Herr werde in einer Droschke
nach Hause fahren. Es stand eine ganze Reihe von Droschken auf der Straße.
Im Nu hatte man sämmtlichen Droschken die Pferde ausgespannt. Laura
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der kurzsichtige Jäger" "Ein Stellvertreter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1896 - 1896
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 105.1896, Nr. 2663, S. 58
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg