Durchschaut.
179
Bei einem solchen Lampenlauf
Hielt einst ein altes Weib ihn aus;
Das lächelte kokett ihn an,
Und drohte mit dem Finger dann,
Und lispelte ihm zu, verliebt:
„Diogenes! sei nicht betrübt,
Beim Hercules! ich bin Dir gut!
D'rum, lieber Freund, d'rum fasse Muth!"
Der weise schrie: „Du Vettel, Du!
Ich strebe höh'ren Zielen zu!" —
— Die Alte kicherte dazu —
Und rief: „Nach „Menschen" suchtest Du?
Du lügst, mein Freund! — nur in i ch allein
Suchst Du zum trauten Stelldichein,
Und buhlst mit rassinirter Kunst
Um meine Liebe, meine Gunst,
Umschwärmst mich Tag und Nacht, so gern
wie viele and're große Herrn,
Denn wisse — holder Bräutigam:
Ich bin und heiße — „Frau He da mV'"
Dr. v. Radler.
X
Des Sohues R a ch e.
^W^ritzel war neun Jahre alt und, was man so sagt, ein onkant
terrible. Da machte er eines Tages wieder einen seiner
tollen Streiche, wofür ihn die Mutter gehörig strafte und überdies
beim Vater verklagte. Dieser hörte anfangs mit ernster Miene zu,
sagte aber nichts weiter, und Fritzel glaubte, auf den Lippen seines
Vaters zuletzt ein gewisses Lächeln bemerkt zu haben. Fritzel gewann
daher sofort die Ueberzengnng, daß feine Mütter einen Justizmord
an ihm begangen habe, welchen er zu rächen beschloß. Nach dem
Klassenunterricht ging er zu allen Damen der Stadt, von denen er
wußte, daß sie seiner Mutter bekannt waren, und lud sie — angeblich
im Auftrag der Mutter — auf Nachmittag vier Uhr zum Thee bei
derselben ein.
Als Fritzels Mutter um diese Stunde sich eben zum Besuch
einer benachbarten Freundin angekleidet hatte, klingelte es und
klingelte es wiederholt, und eine Dame nach der andern erschien mit
der Versicherung, wie sehr sie sich freue, der Einladung habe Folge
leisten zu können u. s. w. — Fritzels Mutter zog sich, so gut es eben
ging, aus der Lage, in welche sie ihr böser Bube versetzt hatte.
— — „Fritz," rief sie, nachdem sich die Damen wieder entfernt
hatten, zornentbrannt, „Unhold, was hast Du wieder gemacht?" —
„O, Mutterl, ich bitt' Dich, sei ruhig", erwidert Fritzel mit einer
abwehrenden Handbewegung, „was hättest Du erst gesagt,
wenn alle gekommen wären!"
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Bei einem solchen Lampenlauf
Hielt einst ein altes Weib ihn aus;
Das lächelte kokett ihn an,
Und drohte mit dem Finger dann,
Und lispelte ihm zu, verliebt:
„Diogenes! sei nicht betrübt,
Beim Hercules! ich bin Dir gut!
D'rum, lieber Freund, d'rum fasse Muth!"
Der weise schrie: „Du Vettel, Du!
Ich strebe höh'ren Zielen zu!" —
— Die Alte kicherte dazu —
Und rief: „Nach „Menschen" suchtest Du?
Du lügst, mein Freund! — nur in i ch allein
Suchst Du zum trauten Stelldichein,
Und buhlst mit rassinirter Kunst
Um meine Liebe, meine Gunst,
Umschwärmst mich Tag und Nacht, so gern
wie viele and're große Herrn,
Denn wisse — holder Bräutigam:
Ich bin und heiße — „Frau He da mV'"
Dr. v. Radler.
X
Des Sohues R a ch e.
^W^ritzel war neun Jahre alt und, was man so sagt, ein onkant
terrible. Da machte er eines Tages wieder einen seiner
tollen Streiche, wofür ihn die Mutter gehörig strafte und überdies
beim Vater verklagte. Dieser hörte anfangs mit ernster Miene zu,
sagte aber nichts weiter, und Fritzel glaubte, auf den Lippen seines
Vaters zuletzt ein gewisses Lächeln bemerkt zu haben. Fritzel gewann
daher sofort die Ueberzengnng, daß feine Mütter einen Justizmord
an ihm begangen habe, welchen er zu rächen beschloß. Nach dem
Klassenunterricht ging er zu allen Damen der Stadt, von denen er
wußte, daß sie seiner Mutter bekannt waren, und lud sie — angeblich
im Auftrag der Mutter — auf Nachmittag vier Uhr zum Thee bei
derselben ein.
Als Fritzels Mutter um diese Stunde sich eben zum Besuch
einer benachbarten Freundin angekleidet hatte, klingelte es und
klingelte es wiederholt, und eine Dame nach der andern erschien mit
der Versicherung, wie sehr sie sich freue, der Einladung habe Folge
leisten zu können u. s. w. — Fritzels Mutter zog sich, so gut es eben
ging, aus der Lage, in welche sie ihr böser Bube versetzt hatte.
— — „Fritz," rief sie, nachdem sich die Damen wieder entfernt
hatten, zornentbrannt, „Unhold, was hast Du wieder gemacht?" —
„O, Mutterl, ich bitt' Dich, sei ruhig", erwidert Fritzel mit einer
abwehrenden Handbewegung, „was hättest Du erst gesagt,
wenn alle gekommen wären!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Durchschaut"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 105.1896, Nr. 2675, S. 179
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg