Der Photograph.
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mit so fix zu arbeiten vermöge, daß mau iu wenigen Minuten |
das fertige Bild abzugeben im Stande sei, wurde der Ranhbichler
nachdenklich, dann ernst, und zuletzt, wie gewöhnlich, grob. Er
meinte, der Herr müsse schon noch viel dümmer sein, als er ihn
halte, wenn er glaube, ihm einen solchen Bären anfbinden zu
können. Schräder lachte und entgegnete, er wolle den Beweis
liefern, wer der Dümmere sei. Der Ranhbichler nahm ihn beim
Wort und schlug in merklicher Aufregung eine Wette vor; zehn
Liter Kälterer solle der Verlierende zahlen.
Zur größten Ueberraschung seiner Genossen nahm Schräder die
Wette an und ersuchte den Ranhbichler nur, er möge seine Joppe
anziehen, da ein Mensch in Hemdärmeln nicht gut photographiren !
sei. Der Wirth eilte fort, um diesem Ansinnen zu entsprechen und
Schräder ging daran, seine Vorbereitungen zu treffen. Verwundert
fragten ihn seine Freunde, wie er sich aus dieser Affaire ziehen
werde. Schräder erklärte seinen Plan: Er hatte in der Stadt die
Photographie des Ranhbichler, von welcher derselbe noch nicht
wußte, gekauft. Es käme also nur darauf an, den Ranhbichler
durch allerlei Vorbereitungen zu täuschen und dann im geeigneten
Moment die Photographie zu überreichen. Die kleine Kneipgesell- !
schaff fand den vielversprechenden Plan köstlich und Schräder machte
sich, sofort an die Ausführung. Er stellte ein Kistchen ans die
Erde, befestigte ein Stück Ofenrohr, das er hinter der Scheune
gefunden hatte, daran und überdeckte diesen Aufbau mit einem
Plaid, Als der Wirth erschien, postirte er ihn an die Wand des
Hauses und gab ihm die Pose, welche die größte Aehnlichkeit mit
dem fertigen Bilde hatte. Die Zuschauer wollten schier vergehen
vor Vergnügen; der Wirth trug nicht nur einen ausgesprochenen
Ernst, sondern auch eine gewisse Unbehaglichkeit zur Schau; die !
Wette erregte jetzt offenbar seine Bedenken. „So — jetzt recht :
ruhig!" kommandirte Schräder und kroch mit dem Kopf unter den '
Plaid hinein; der Wirth rückte unruhig hin und her — wie der
Pendel einer Uhr; er sing bereits an, seine Sache verloren zu geben
und wollte wenigstens ein Mittel versuchen, das Experiment un-
möglich zu machen. „Fertig!" rief der Künstler, und erwartungsvoll
sahen Alle auf das Ergebniß des Kunstverfahrens. Schräder lief
nun schnell in's Haus, um, wie er sagte, die Platte zu ffxireu und
der Wirth erhob sich mit einem unterdrückten Fluch, um wieder am
Tisch Platz zu nehmen. Dort fing man schon an, ihn zu hänseln.
„Au weh!" hieß es, „die zehn Liter sind verloren, aber sie
kommen an die rechte Stelle und der Verlierer kann mithalten
und seinen Verlust so viel als möglich verringern!" Der Wirth
sagte gar nichts, sondern nahm einen tüchtigen Schluck und biß
energisch auf die Pfeife, die er im Munde trug, um solcher Maßen
seinen Grimm zu dämpfen. Jetzt erschien Schräder mit dem Bild.
Ein beifälliges „Ah! ausgezeichnet getroffen!" ging von Mund
zu Mund. Nun überreichte man die Photographie dem Rauh-
bichler. Derselbe sah sie lange an und ein Ausdruck des höchsten
Staunens lies über seine Züge. Ta sprang er plötzlich wie elektrisirt
auf, nahm Schräder beim Kragen und schrie: „O Du Haderlump,
da schau' her! Wia kimmt denn mei' alte Porz'lanpfeif'n
auf das Bild — die Hab' i' ja scho' vorige Wochen z'sammg'schlagen
g'habt! So, Herr, jetz' fanga mir mit dö zehn Lita an, zahl'n
thuat dös Mal da Photograph, und wer der Dumme is von uns
Zwoa, dös brauch' i' nöt z'sagn!"
zu sprechen, und iu diesem Fache fehlte es dem Ranhbichler sogar an jeglicher Ahnung. Ein
lustiger Kumpan, Namens Schräder, unternahm es, einen förmlichen Vortrag über die Kunst
des Photographirens zu halten, wobei
der Ranhbichler mit offenem Munde
zuhörte. Als der Dozent aber schließ-
lich behauptete, es sei jetzt so weit,
daß mau aus den unscheinbarsten
Dingen einen Apparat zum Photogra-
phiren zusammeustellen könne und da-
Z. Uancheiiegger.
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mit so fix zu arbeiten vermöge, daß mau iu wenigen Minuten |
das fertige Bild abzugeben im Stande sei, wurde der Ranhbichler
nachdenklich, dann ernst, und zuletzt, wie gewöhnlich, grob. Er
meinte, der Herr müsse schon noch viel dümmer sein, als er ihn
halte, wenn er glaube, ihm einen solchen Bären anfbinden zu
können. Schräder lachte und entgegnete, er wolle den Beweis
liefern, wer der Dümmere sei. Der Ranhbichler nahm ihn beim
Wort und schlug in merklicher Aufregung eine Wette vor; zehn
Liter Kälterer solle der Verlierende zahlen.
Zur größten Ueberraschung seiner Genossen nahm Schräder die
Wette an und ersuchte den Ranhbichler nur, er möge seine Joppe
anziehen, da ein Mensch in Hemdärmeln nicht gut photographiren !
sei. Der Wirth eilte fort, um diesem Ansinnen zu entsprechen und
Schräder ging daran, seine Vorbereitungen zu treffen. Verwundert
fragten ihn seine Freunde, wie er sich aus dieser Affaire ziehen
werde. Schräder erklärte seinen Plan: Er hatte in der Stadt die
Photographie des Ranhbichler, von welcher derselbe noch nicht
wußte, gekauft. Es käme also nur darauf an, den Ranhbichler
durch allerlei Vorbereitungen zu täuschen und dann im geeigneten
Moment die Photographie zu überreichen. Die kleine Kneipgesell- !
schaff fand den vielversprechenden Plan köstlich und Schräder machte
sich, sofort an die Ausführung. Er stellte ein Kistchen ans die
Erde, befestigte ein Stück Ofenrohr, das er hinter der Scheune
gefunden hatte, daran und überdeckte diesen Aufbau mit einem
Plaid, Als der Wirth erschien, postirte er ihn an die Wand des
Hauses und gab ihm die Pose, welche die größte Aehnlichkeit mit
dem fertigen Bilde hatte. Die Zuschauer wollten schier vergehen
vor Vergnügen; der Wirth trug nicht nur einen ausgesprochenen
Ernst, sondern auch eine gewisse Unbehaglichkeit zur Schau; die !
Wette erregte jetzt offenbar seine Bedenken. „So — jetzt recht :
ruhig!" kommandirte Schräder und kroch mit dem Kopf unter den '
Plaid hinein; der Wirth rückte unruhig hin und her — wie der
Pendel einer Uhr; er sing bereits an, seine Sache verloren zu geben
und wollte wenigstens ein Mittel versuchen, das Experiment un-
möglich zu machen. „Fertig!" rief der Künstler, und erwartungsvoll
sahen Alle auf das Ergebniß des Kunstverfahrens. Schräder lief
nun schnell in's Haus, um, wie er sagte, die Platte zu ffxireu und
der Wirth erhob sich mit einem unterdrückten Fluch, um wieder am
Tisch Platz zu nehmen. Dort fing man schon an, ihn zu hänseln.
„Au weh!" hieß es, „die zehn Liter sind verloren, aber sie
kommen an die rechte Stelle und der Verlierer kann mithalten
und seinen Verlust so viel als möglich verringern!" Der Wirth
sagte gar nichts, sondern nahm einen tüchtigen Schluck und biß
energisch auf die Pfeife, die er im Munde trug, um solcher Maßen
seinen Grimm zu dämpfen. Jetzt erschien Schräder mit dem Bild.
Ein beifälliges „Ah! ausgezeichnet getroffen!" ging von Mund
zu Mund. Nun überreichte man die Photographie dem Rauh-
bichler. Derselbe sah sie lange an und ein Ausdruck des höchsten
Staunens lies über seine Züge. Ta sprang er plötzlich wie elektrisirt
auf, nahm Schräder beim Kragen und schrie: „O Du Haderlump,
da schau' her! Wia kimmt denn mei' alte Porz'lanpfeif'n
auf das Bild — die Hab' i' ja scho' vorige Wochen z'sammg'schlagen
g'habt! So, Herr, jetz' fanga mir mit dö zehn Lita an, zahl'n
thuat dös Mal da Photograph, und wer der Dumme is von uns
Zwoa, dös brauch' i' nöt z'sagn!"
zu sprechen, und iu diesem Fache fehlte es dem Ranhbichler sogar an jeglicher Ahnung. Ein
lustiger Kumpan, Namens Schräder, unternahm es, einen förmlichen Vortrag über die Kunst
des Photographirens zu halten, wobei
der Ranhbichler mit offenem Munde
zuhörte. Als der Dozent aber schließ-
lich behauptete, es sei jetzt so weit,
daß mau aus den unscheinbarsten
Dingen einen Apparat zum Photogra-
phiren zusammeustellen könne und da-
Z. Uancheiiegger.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Photograph"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1899
Entstehungsdatum (normiert)
1894 - 1904
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 110.1899, Nr. 2800, S. 147
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg