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C* Die drei Fragen.
Don Roda Roda.
ultan Sulesinan der Glänzende — Allah rahmet ejle! —
L' Gott gebe ihm den Frieden! — ging einst mit seinem
Großvezier verkleidet über Land, um perz und Sinn des Unter-
thans zu prüfen. — An einem wintertage vor Sonnenunterganq
erblickte er einen Alten, der trotz der Kälte fleißig seinen Acker
pflügte. Der Sultan blieb stehen, segnete die Arbeit und sah eine
weile wortlos zu. ' Als der Bauer sein Gespann zur Heimkehr
rüstete, sprach der Sultan: „woher kam der viele Schnee auf
diese Berge?"
„Je nun, Lffendum", gab der Alte zurück, „von den schweren
Zeiten!"
„Und haben die Bären im Walde große Höhlen?"
„Je nun, Lffendum, wie sie Gott geschaffen!"
„Pflegt Ihr die Lsel hier zu Land' zu schinden?"
„Je nun, Lffendum, bei Gelegenheit!"
■ Indessen war der Bauer fertig geworden und machte sich
aus den weg nach Sause. Die beiden Wanderer begleiteten
ihn. — Als sie beim pofthore angekommen waren, lud der Alte
die Fremden mit einer pandbewegung ein und ließ ihnen den
Dortritt. — Des Alten paussrau brachte ihnen Zehrung und
Labung und bereitete ihnen ein Nachtlager.
Dem Großvezier gingen die Fragen, welche der Sultan an
den Bauer gerichtet hatte, immerfort im Kopse herum. Lndlich
konnte er seine Neugierde nicht mehr bemeistern und fragte seinen
kaiserlichen perrn nach ihrer Bedeutung.
Der Sultan sah den Dezier an und schüttelte den Kops:
„wie — Muharem — Du, der Großvezier der großen Pforte,
hast meine Fragen nicht verstanden? Elender, wenn Du sie
bis zum Morgen nicht ergründet hast, entsetze ich Dich Deines
Amtes!" — Damit legte sich der Sultan nieder und war bald
eingeschlafen.
Erregt dachte Muharem nach, was wohl mit dem Schnee,
dein Bären und dein Esel gemeint sein könnte. Je länger er
sann, desto wirrer wurde sein Kops. Lndlich, da die tiefen
Athemzüge des perrn den Schlummer der Müdigkeit verriethen,
stand der Vezier leise aus und weckte den Bauer im Neben-
zimmer. —
„Alter", flüsterte Muharem, „was wollte mein Gebieter mit
dem Schnee, der auf die Berge kommt?" — „Je nun, Lffendum,
er meinte, woher ineine weißen paare käinen — und ich sagte: Don
den schweren Zeiten!" — „Gut! Und ob die Bären große Pöhlen
haben?" — „Je nun, Lffendum, da verlangte er ein Nachtlager
für sich und Luch in meinem Pause. Ich sagte: wie es Gott ge-
schaffen, müsse man sich bequemen!" — „Gut! wen verstand er
aber mit dem Lsel, den man hier zu Lande schindet?" — „Lffen-
dum, das ist ein großes Geheimniß, welches ich Dir nicht enthüllen
werde!" — „wenn ich Dich aber bitte, Alter?" — „Auch dann
nicht, perr!" — „Pier, hast Du ein Goldstück. Ls gehört Dir,
wenn Du mir antwortest!" — „Ich darf nicht, Lffendum!"
Der Großvezier bat immer noch. Als der Bauer aber un-
erbittlich blieb, schlich Muharem, so leise er gekommen, aus sein
Lager zurück und suchte unermüdlich die Lösung des Räthsels. —
Bald krähte der pahn — und der Vezier war nicht klüger denn
zuvor geworden. Unaufhörlich schwebte ihm die Amtsentsetzung
als Schreckbild vor den Augen. — In seiner Verzweiflung zer-
schnitt er seinen Gürtel und nahm so viel Goldstücke heraus, daß
der Turban bis zum Rande gefüllt war. Mit dieser schweren
Last betrat er wiederum den Raum, in dem der Alte schlief,
C* Die drei Fragen.
Don Roda Roda.
ultan Sulesinan der Glänzende — Allah rahmet ejle! —
L' Gott gebe ihm den Frieden! — ging einst mit seinem
Großvezier verkleidet über Land, um perz und Sinn des Unter-
thans zu prüfen. — An einem wintertage vor Sonnenunterganq
erblickte er einen Alten, der trotz der Kälte fleißig seinen Acker
pflügte. Der Sultan blieb stehen, segnete die Arbeit und sah eine
weile wortlos zu. ' Als der Bauer sein Gespann zur Heimkehr
rüstete, sprach der Sultan: „woher kam der viele Schnee auf
diese Berge?"
„Je nun, Lffendum", gab der Alte zurück, „von den schweren
Zeiten!"
„Und haben die Bären im Walde große Höhlen?"
„Je nun, Lffendum, wie sie Gott geschaffen!"
„Pflegt Ihr die Lsel hier zu Land' zu schinden?"
„Je nun, Lffendum, bei Gelegenheit!"
■ Indessen war der Bauer fertig geworden und machte sich
aus den weg nach Sause. Die beiden Wanderer begleiteten
ihn. — Als sie beim pofthore angekommen waren, lud der Alte
die Fremden mit einer pandbewegung ein und ließ ihnen den
Dortritt. — Des Alten paussrau brachte ihnen Zehrung und
Labung und bereitete ihnen ein Nachtlager.
Dem Großvezier gingen die Fragen, welche der Sultan an
den Bauer gerichtet hatte, immerfort im Kopse herum. Lndlich
konnte er seine Neugierde nicht mehr bemeistern und fragte seinen
kaiserlichen perrn nach ihrer Bedeutung.
Der Sultan sah den Dezier an und schüttelte den Kops:
„wie — Muharem — Du, der Großvezier der großen Pforte,
hast meine Fragen nicht verstanden? Elender, wenn Du sie
bis zum Morgen nicht ergründet hast, entsetze ich Dich Deines
Amtes!" — Damit legte sich der Sultan nieder und war bald
eingeschlafen.
Erregt dachte Muharem nach, was wohl mit dem Schnee,
dein Bären und dein Esel gemeint sein könnte. Je länger er
sann, desto wirrer wurde sein Kops. Lndlich, da die tiefen
Athemzüge des perrn den Schlummer der Müdigkeit verriethen,
stand der Vezier leise aus und weckte den Bauer im Neben-
zimmer. —
„Alter", flüsterte Muharem, „was wollte mein Gebieter mit
dem Schnee, der auf die Berge kommt?" — „Je nun, Lffendum,
er meinte, woher ineine weißen paare käinen — und ich sagte: Don
den schweren Zeiten!" — „Gut! Und ob die Bären große Pöhlen
haben?" — „Je nun, Lffendum, da verlangte er ein Nachtlager
für sich und Luch in meinem Pause. Ich sagte: wie es Gott ge-
schaffen, müsse man sich bequemen!" — „Gut! wen verstand er
aber mit dem Lsel, den man hier zu Lande schindet?" — „Lffen-
dum, das ist ein großes Geheimniß, welches ich Dir nicht enthüllen
werde!" — „wenn ich Dich aber bitte, Alter?" — „Auch dann
nicht, perr!" — „Pier, hast Du ein Goldstück. Ls gehört Dir,
wenn Du mir antwortest!" — „Ich darf nicht, Lffendum!"
Der Großvezier bat immer noch. Als der Bauer aber un-
erbittlich blieb, schlich Muharem, so leise er gekommen, aus sein
Lager zurück und suchte unermüdlich die Lösung des Räthsels. —
Bald krähte der pahn — und der Vezier war nicht klüger denn
zuvor geworden. Unaufhörlich schwebte ihm die Amtsentsetzung
als Schreckbild vor den Augen. — In seiner Verzweiflung zer-
schnitt er seinen Gürtel und nahm so viel Goldstücke heraus, daß
der Turban bis zum Rande gefüllt war. Mit dieser schweren
Last betrat er wiederum den Raum, in dem der Alte schlief,
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die drei Fragen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1902
Entstehungsdatum (normiert)
1897 - 1907
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 117.1902, Nr. 2984, S. 158
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg