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s ging das Gerücht, daß Meister Albertus, der Bildhauer,
schon seit geraumer Zeit an einem Werke arbeite, das alles
seither Erlebte an Schönheit übertreffen sollte. Es fei eine Venus-
statue, sagte man; die Göttin, in herrlichem griechischem Gewände,
stelle durch ihre Lieblichkeit und Anmut selbst die berühmtesten
Vorbilder des Altertums in Schatten.
Auch zu Hof drang diese Sage und bestrickte dort die Prinzessin,
des Fürsten einziges Rind, dermaßen, daß sie in ihren Vater
drang, mit ihr das Haus des Meisters aufzusuchen.
Ein schöner Sommermorgen war's. Albertus hatte eben das
Tonmodell seiner Venus vollendet. Prüfend stand er vor dem
Bildnis und freute sich des Anblicks. Za, es war ihm ein Werk
gelungen, das die Augen der Menschen erquicken und ihre Kerzen
erwärmen sollte. Reicher Faltenwurf umfloß die edle Gestalt und
hob ihre Schönheit erst recht hervor. Das Antlitz aber war von
einem Liebreiz, der nimmer seinesgleichen fand.
Plötzlich öffnete sich die Türe und sein Lehrling stürzte herein:
„Meister!" rief er atemlos. „Der Fürst!... Die Fürstin!...
Die Prinzessin! . . . Der Pos! . .
Dabei stieß er vor Schreck an das Postament. Das Modell
neigte sich und wollte zu Boden fallen. Da fing es der Meister
eben noch in den Armen auf. wie er es aber emporrichtete, sah
er mit Entsetzen, daß das Gesicht aus seine Schulter gesunken
war und daß sich dabei die Nase schnippisch auswärts gebogen
hatte. „Um Gottes willen!" murmelte er, „das reinste Lösch-
hörndl I"
Aber es war zu spät, etwas zu ändern, denn schon trat der
Hofmarschall ein und kündigte den £?of an. Der Meister tat einige
tiefe Knixe — so schämte er sich über das verunglückte Werk,
auf das er alles gesetzt.
Doch kaum daß die Prinzessin die Gestalt gesehen, flüsterte
sie entzückt den Eltern zu: „Ach, das bin ja ich!"
„Za!" schmunzelte der Fürst und streifte mit einem liebe-
vollen Blick ihr Näschen - „ganz genau Du!"
„Unserer Tochter aus dem Gesicht geschnitten!" lächelte stolz
die Fürstin.
„Die gnädigste Prinzessin, wie sie leibt und lebt!" rief der
Hof und konnte sich vor Zubel nicht mehr fassen. „Za, sie ist die
einzige, wirkliche und wahre Venus!"
Lin ungeheuerer Beifall erhob sich und die holde Prinzessin
benützte diese Gelegenheit, errötend nun auch ihrerseits dem Meister
an die Schulter zu sinken. Das hatte er nicht erwartet. Sie
jedoch wählte ihn zum Gatten.
Seitdem hieß sie bei Hofe Frau Venus; das Volk aber nannte
sie — da der Lehrling den Schreckensruf des Meisters ausge-
plaudert — in guimütigem Scherze Prinzessin Löschhörndl.
w. Herbert.
X)crtU8. G-S-s
s ging das Gerücht, daß Meister Albertus, der Bildhauer,
schon seit geraumer Zeit an einem Werke arbeite, das alles
seither Erlebte an Schönheit übertreffen sollte. Es fei eine Venus-
statue, sagte man; die Göttin, in herrlichem griechischem Gewände,
stelle durch ihre Lieblichkeit und Anmut selbst die berühmtesten
Vorbilder des Altertums in Schatten.
Auch zu Hof drang diese Sage und bestrickte dort die Prinzessin,
des Fürsten einziges Rind, dermaßen, daß sie in ihren Vater
drang, mit ihr das Haus des Meisters aufzusuchen.
Ein schöner Sommermorgen war's. Albertus hatte eben das
Tonmodell seiner Venus vollendet. Prüfend stand er vor dem
Bildnis und freute sich des Anblicks. Za, es war ihm ein Werk
gelungen, das die Augen der Menschen erquicken und ihre Kerzen
erwärmen sollte. Reicher Faltenwurf umfloß die edle Gestalt und
hob ihre Schönheit erst recht hervor. Das Antlitz aber war von
einem Liebreiz, der nimmer seinesgleichen fand.
Plötzlich öffnete sich die Türe und sein Lehrling stürzte herein:
„Meister!" rief er atemlos. „Der Fürst!... Die Fürstin!...
Die Prinzessin! . . . Der Pos! . .
Dabei stieß er vor Schreck an das Postament. Das Modell
neigte sich und wollte zu Boden fallen. Da fing es der Meister
eben noch in den Armen auf. wie er es aber emporrichtete, sah
er mit Entsetzen, daß das Gesicht aus seine Schulter gesunken
war und daß sich dabei die Nase schnippisch auswärts gebogen
hatte. „Um Gottes willen!" murmelte er, „das reinste Lösch-
hörndl I"
Aber es war zu spät, etwas zu ändern, denn schon trat der
Hofmarschall ein und kündigte den £?of an. Der Meister tat einige
tiefe Knixe — so schämte er sich über das verunglückte Werk,
auf das er alles gesetzt.
Doch kaum daß die Prinzessin die Gestalt gesehen, flüsterte
sie entzückt den Eltern zu: „Ach, das bin ja ich!"
„Za!" schmunzelte der Fürst und streifte mit einem liebe-
vollen Blick ihr Näschen - „ganz genau Du!"
„Unserer Tochter aus dem Gesicht geschnitten!" lächelte stolz
die Fürstin.
„Die gnädigste Prinzessin, wie sie leibt und lebt!" rief der
Hof und konnte sich vor Zubel nicht mehr fassen. „Za, sie ist die
einzige, wirkliche und wahre Venus!"
Lin ungeheuerer Beifall erhob sich und die holde Prinzessin
benützte diese Gelegenheit, errötend nun auch ihrerseits dem Meister
an die Schulter zu sinken. Das hatte er nicht erwartet. Sie
jedoch wählte ihn zum Gatten.
Seitdem hieß sie bei Hofe Frau Venus; das Volk aber nannte
sie — da der Lehrling den Schreckensruf des Meisters ausge-
plaudert — in guimütigem Scherze Prinzessin Löschhörndl.
w. Herbert.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Venus"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1909 - 1909
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 131.1909, Nr. 3354, S. 226
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg