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Die Wahrsagerin.

entlarven und zwingen, anzuerkennen, daß ich der allmächtige
König der Könige bin, vor dessen Auge keine Unwahrheit
standhält I"

Langsam tappte er sich vorwärts und kam erschöpft in den
Palast.

Zweifel und Mißtrauen quälten ihn die Nacht hindurch. Am
nächsten Morgen ließ er die Großen und Würdenträger vor sich
rufen und seine glänzende Leibwache erschien mit strahlenden
Waffen. Alle warfen sich vor ihm aufs Angesicht, daß die

Schwerter klirrten und die ganzer raffelten. Er aber sah düsteren
Antlitzes über sie hin.

thoch zu Roß, im edelsteingeschmückten Prunkkleid, zog der
Kalif in den Morgen hinaus, umringt von Wesiren, Hauptleuten
und Wachen. Die Läufer eilten vor ihm her und schafften Bahn
und das Volk sank zur Erde und rief ihm Segen zu.

Doch der finstere Zweifel wich nicht aus seinen Mienen.
„Ali!" sprach er zu dem Führer der Leibwache, der an seiner linken
Seite ritt. „Vernimm! In der Nähe des Basars, im Gewirr der
Gäßchen, wohnt eine alte Wahrsagerin .... ich will zu ihr!"

Der Hauptmann verneigte sich und sprengte an die Spitze
des Zuges.

Mahlig verlor sich die glänzende Schar zwischen den Mauern
und Gärten. Der Kalif erkannte die engen und krummen Wege
bei Tag nicht mehr. Plötzlich vor einem Kaufen rauchender
Trümmer hielten sie.

„was soll das?" frug er.

Der Führer der wache ritt heran. „Ejerr!" sagte er, „hier

wohnte sie. wie die Leute aus der Nachbarschaft erzählen, ist sie
diese Nacht geflohen — niemand weiß, warum — und hat ihre
Hütte verbrannt. Es ist, als hätte sie gewußt, daß Du heute
hieherkommest und daß vor Deinem Auge, das alles durchschaut
und erkennt, ihr Trug und ihre Gaukelei nicht zu bestehen ver-
möchte . . . ."

Da richtete sich der Kalif hoch empor und seine Lippen
lächelten. Stolzen Auges blickte er auf die anderen, die blinden
Toren, die ja alle nicht wußten, was er allein kannte — daß sie
in der Tat vor ihm geflohen war, vor feiner alles durchforschen-
den Weisheit, vor feiner Wiederkehr und Strafe!

Mit freundlichen Worten zu feiner Umgebung ritt er, der
törichten Alten lächelnd, der Sonne zu. frohgelaunt griff er in
die vollen Beutel, die zu den Seiten des Sattels hingen, und warf
Gold unter die Menge. „Gib dem Mütterchen!" sagte er zu dem
Großwesir, als er ein buckliges weiblein sah, das zitternd beide
Arme emporstreckte; und der Wesir füllte ihr wohlwollend nickend
die dürre Hand.

wie der Zug vorüber war, richtete sich die Höckerige auf,
warf dem Läufer, der ihr gestern den Besuch verraten, einen
Golddinar zu und murmelte, während sie sich die Hülle aus dem
Gesichte schob, mit leisem Lachen: „Du wirst immer belogen
werden!"

Dann ging sie nach ihrer unversehrten I7ÜIte heim. Der von
den Sklaven errichtete Brand, den der irregeleitete Kalif gesehen,
erlosch. Er aber ritt mit neugefeftetem Vertrauen zu den Seinen
der Sonne entgegen. w. Herbert.

L_. Selbsterkenntnis. .-L

(Äerichtsbekanuter Vagabund (der von einem Wachtmeister auf-

gegriffen wurde): „O mei', da heben S' fei'
koa' Ehr' auf, Herr Wachtmeister, wenn S' mich
einliefern!"

Splitter.

Her Kluge sucht manchmal noch nach einer
Brücke, während der Dumme schon durch den Fluß
geschwommen ist. -__ u. v.

„JjjUdj das Unglück führt zur» Guten",

— aber ich wollte nicht zum Guten geführt,
sondern glücklich sein. «»La Koim.

Grundsätze kriegt man gewöhnlich in den letzten
Tagen des Monats. _ t; v.

Her teuerste Raum im Hanse ist für
den Mann — der Schmollwinkel der Frau.

- 5p.

Ms gibt nur ein sicheres Rechnen: Auf nichts
sicher rechnen. Sp.

vertreibt ein kleines Glück das größere:
Die Zufriedenheit.

jr-

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Selbsterkenntnis"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Haushofer, Alfred
Entstehungsdatum
um 1909
Entstehungsdatum (normiert)
1904 - 1914
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 131.1909, Nr. 3356, S. 254

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