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D >c Modeprinzessin auf dem Lande.
„Schau' nur, was die Mirzl heut'
einen modernen Hut hat — wie
eine Stadtdam'!" — „Ja, sie hat sich
ihrem Schatz — dem Postillon —
^'n Vnsch'n d'rauf ausg'lieh'n!"
W
we„n
arum ich keine Äpfel mehr kaufe.
von Fritz Müller (Lanncro).
a sagen sic immer, es gäbe keine Wunder. Wunder
seien seit der Einführung des Mathematikunterrichtes
in den Mittelschulen aus der Welt verschwunden. Und
, . wngendwo ein Wunder auftauche, so schmölze es elendiglich
c ™lnei1 vor einem scharfen Blick und einer vereidigten Sach-
^ständigenkoininission.
^ bo sagen sie. Dem steht aber gegenüber —^ein Bbstgeschäft
Ecke der Bahnhofstraße und der Breitengasse.
. '^s ich zum erstenmal an diesen: Bbstgeschäft vorbeikam,
wo/// 6S ^C' C*U Obstgeschäft wie alle Mbstgeschäfte, und ich
voll C Jc^on vorübergehen. Aber dann lockten mich die wundcr-
sa ^psel in der Auslage. Sie leuchteten förmlich. Ich möchte
'en' sie hatten einen Heiligenschein, Stück für Stück,
alle Äpfel," sagte ich zu mir, „solche Äpfel kriegst du nicht
e Tage", und ging in den Laden hinein.
. ®'ne Frau stand darin — die glänzte auch. Von Rundlichkeit
Rechtlichkeit und Güte glänzte diese Frau.
W arum ich keine Ä p f e l m e h r kauf e.
„Ich möchte ein Pfund von diesen Äpfeln." sagte ich.
„Dös wer'n ma glei' Ham." sagte die Frau, und ihre Stimme
troff von Güte. Und dann sing sie in einem Korbe an zn wühlen,
in einem Korbe, der ganz hinten in: Ladendüster stand.
„Nein, gute Frau," sagte ich, „ich möchte die Äpfel aus dem
Korbe in der Auslag', bitte schön."
Denn ich bin kein heuriger ksase im Bbstgeschäft und verstehe
mich ein wenig auf pfiffe und Kniffe im Bbstgeschäft en gros
und en detail.
Die Frau aber lächelte nur und war keine Spur beleidigt.
„Dös wer'n ma glei' Ham", sagte sie und gab mir das ver-
langte Pfund ans dein verlangten Korb.
Vergnüglich ging ick: heim, legte die erstandenen Äpfel auf
die Kommode und — erschrak: Die tfälfte der Äpfel war faul.
Ich war betrübt. Zu machen war natürlich nichts. Auf Beschau
gekauft ist auf Beschau gekauft, da gab es kein Zurück. Das weiß
ich sehr genau. Denn ich bin kein heuriger Base im Bbstgeschäft.
„Nun, das nächste Mal —", sagte ich und tröstete mich.
Das nächste Mal war am andern Tag, als ich wieder an
den wundervollen Körben leuchtenden Bbstes vorüberging. Die
dicke gütige Frau stand unter der Türe und sah mich so ein-
ladend an, daß es gar nicht anders ging.
„Geben Sie mir ein Pfund von diesen — nein, von diesen
Äpfeln!" sagte ich.
„Dös wer'n ma glei' Ham." sagte sie. Diesmal inachte sic
nicht einmal den Versuch, in der Dunkelkammer nach Äpfeln zu
wühlen. Behend und zierlich gab sic mir vom Auslagkorb die
Äpfel, die ich Stück für Stück bezeichnete.
„So," knurrte ich voll Wohlbehagen innerlich, „nun woll'n
wir einmal sehen, ob —"
„Servus," sagte ein Mann hinter mir und klopfte mir auf
die Schulter, „Servus., aha, Du kaufst Dir Äpfel?"
Ls war Freund Stangenberger.
„Ja," sagte ich, „ich kaufe Äpfel — ich kann Dir diese Sorte
hier auch sehr empfehlen."
Dann ging ich heim, legte die gekauften Äpfel auf den Tisch
und war starr: Die chälftc der Äpfel war faul.
Ich war erregt, tficr stand meine Ehre auf dem Spiel.
Meine Ehre, kein heuriger Base im Bbstgeschäft zn sein. Schon
am Nachmittag war ich wieder in: Bbstgeschäft an der Ecke der
Bahnhofstraße und der Breitengasse.
„Geben Sie mir ein Pfund von diesen Äpfeln!" sagte ich
mit verhaltener Bewegung.
„Dös wer'n ma glei' Ham." sagte die Frau mit unerschütter-
licher Güte.
Ich paßte auf wie ein bfaftelmacher und kugelte mir die
Augen fast aus dem Kopfe. Sie aber lächelte, langte sicher in
die schönen Äpfel und erzählte mir dabei eine lange Geschichte
von der letzten Bbsternte, der Schlechtigkeit der Welt ini allge-
meinen und der Betrügerei der Lngros-Äxfelhändler im beson-
deren. Ich war sehr froh, wie ich meine Äpfel endlich hatte,
und stürzte heim, um zu erkennen, daß — wieder die Bälfte der
Äpfel faul war. Gberfaul.
Darauf schoß ich zn einem Sachverständigen.
„Was?" sagte der, „was? Anf'paßt Hain S'wie a'thaftcl-
macher? Ja moi', des is net gnua. Da müssen zwei dabei sei',
beim Äxfelkqnfon müssen immer zwei dabei sei' — Ham jetzt Sie
dös no' net g'wußt?"
„Erlauben Sie," sagte ich, „erlauben Sic, ich bin durchaus
kein heuriger Base im Bbstgeschäft en gros und —"
D >c Modeprinzessin auf dem Lande.
„Schau' nur, was die Mirzl heut'
einen modernen Hut hat — wie
eine Stadtdam'!" — „Ja, sie hat sich
ihrem Schatz — dem Postillon —
^'n Vnsch'n d'rauf ausg'lieh'n!"
W
we„n
arum ich keine Äpfel mehr kaufe.
von Fritz Müller (Lanncro).
a sagen sic immer, es gäbe keine Wunder. Wunder
seien seit der Einführung des Mathematikunterrichtes
in den Mittelschulen aus der Welt verschwunden. Und
, . wngendwo ein Wunder auftauche, so schmölze es elendiglich
c ™lnei1 vor einem scharfen Blick und einer vereidigten Sach-
^ständigenkoininission.
^ bo sagen sie. Dem steht aber gegenüber —^ein Bbstgeschäft
Ecke der Bahnhofstraße und der Breitengasse.
. '^s ich zum erstenmal an diesen: Bbstgeschäft vorbeikam,
wo/// 6S ^C' C*U Obstgeschäft wie alle Mbstgeschäfte, und ich
voll C Jc^on vorübergehen. Aber dann lockten mich die wundcr-
sa ^psel in der Auslage. Sie leuchteten förmlich. Ich möchte
'en' sie hatten einen Heiligenschein, Stück für Stück,
alle Äpfel," sagte ich zu mir, „solche Äpfel kriegst du nicht
e Tage", und ging in den Laden hinein.
. ®'ne Frau stand darin — die glänzte auch. Von Rundlichkeit
Rechtlichkeit und Güte glänzte diese Frau.
W arum ich keine Ä p f e l m e h r kauf e.
„Ich möchte ein Pfund von diesen Äpfeln." sagte ich.
„Dös wer'n ma glei' Ham." sagte die Frau, und ihre Stimme
troff von Güte. Und dann sing sie in einem Korbe an zn wühlen,
in einem Korbe, der ganz hinten in: Ladendüster stand.
„Nein, gute Frau," sagte ich, „ich möchte die Äpfel aus dem
Korbe in der Auslag', bitte schön."
Denn ich bin kein heuriger ksase im Bbstgeschäft und verstehe
mich ein wenig auf pfiffe und Kniffe im Bbstgeschäft en gros
und en detail.
Die Frau aber lächelte nur und war keine Spur beleidigt.
„Dös wer'n ma glei' Ham", sagte sie und gab mir das ver-
langte Pfund ans dein verlangten Korb.
Vergnüglich ging ick: heim, legte die erstandenen Äpfel auf
die Kommode und — erschrak: Die tfälfte der Äpfel war faul.
Ich war betrübt. Zu machen war natürlich nichts. Auf Beschau
gekauft ist auf Beschau gekauft, da gab es kein Zurück. Das weiß
ich sehr genau. Denn ich bin kein heuriger Base im Bbstgeschäft.
„Nun, das nächste Mal —", sagte ich und tröstete mich.
Das nächste Mal war am andern Tag, als ich wieder an
den wundervollen Körben leuchtenden Bbstes vorüberging. Die
dicke gütige Frau stand unter der Türe und sah mich so ein-
ladend an, daß es gar nicht anders ging.
„Geben Sie mir ein Pfund von diesen — nein, von diesen
Äpfeln!" sagte ich.
„Dös wer'n ma glei' Ham." sagte sie. Diesmal inachte sic
nicht einmal den Versuch, in der Dunkelkammer nach Äpfeln zu
wühlen. Behend und zierlich gab sic mir vom Auslagkorb die
Äpfel, die ich Stück für Stück bezeichnete.
„So," knurrte ich voll Wohlbehagen innerlich, „nun woll'n
wir einmal sehen, ob —"
„Servus," sagte ein Mann hinter mir und klopfte mir auf
die Schulter, „Servus., aha, Du kaufst Dir Äpfel?"
Ls war Freund Stangenberger.
„Ja," sagte ich, „ich kaufe Äpfel — ich kann Dir diese Sorte
hier auch sehr empfehlen."
Dann ging ich heim, legte die gekauften Äpfel auf den Tisch
und war starr: Die chälftc der Äpfel war faul.
Ich war erregt, tficr stand meine Ehre auf dem Spiel.
Meine Ehre, kein heuriger Base im Bbstgeschäft zn sein. Schon
am Nachmittag war ich wieder in: Bbstgeschäft an der Ecke der
Bahnhofstraße und der Breitengasse.
„Geben Sie mir ein Pfund von diesen Äpfeln!" sagte ich
mit verhaltener Bewegung.
„Dös wer'n ma glei' Ham." sagte die Frau mit unerschütter-
licher Güte.
Ich paßte auf wie ein bfaftelmacher und kugelte mir die
Augen fast aus dem Kopfe. Sie aber lächelte, langte sicher in
die schönen Äpfel und erzählte mir dabei eine lange Geschichte
von der letzten Bbsternte, der Schlechtigkeit der Welt ini allge-
meinen und der Betrügerei der Lngros-Äxfelhändler im beson-
deren. Ich war sehr froh, wie ich meine Äpfel endlich hatte,
und stürzte heim, um zu erkennen, daß — wieder die Bälfte der
Äpfel faul war. Gberfaul.
Darauf schoß ich zn einem Sachverständigen.
„Was?" sagte der, „was? Anf'paßt Hain S'wie a'thaftcl-
macher? Ja moi', des is net gnua. Da müssen zwei dabei sei',
beim Äxfelkqnfon müssen immer zwei dabei sei' — Ham jetzt Sie
dös no' net g'wußt?"
„Erlauben Sie," sagte ich, „erlauben Sic, ich bin durchaus
kein heuriger Base im Bbstgeschäft en gros und —"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Modeprinzessin auf dem Lande"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1913
Entstehungsdatum (normiert)
1908 - 1918
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 138.1913, Nr. 3536, S. 217
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg