266
> Günstiger Zeitpunkt, -t- -*• 4
„Sie trinke» heute kolossal viel!" — „Unglückliche Liebe!" — „So so! Das haben Sie aber gut getroffen.
Bei der Hitz' schmeckt's wenigstens!"
—h-4- Die Mutmaßung. -H-
^^ie beiden bebrillten Herren schoben das Schachbrett von sich,
^^8 aus dem sie ihr gewöhnliches Kaffeehausspiel erledigt hatten.
Dabei sah der eine nach dein Kleiderständer um und beobachtete
dort einen Mann, der sich in verdächtiger Weise zu schaffen
machte.
„Was haben Sie?" fragte der kleine Dicke.
„Ach!" antwortete der lange lhagere. „Das Individuum
dort bei unseren Röcken kommt mir nicht ganz sauber vor. Ich
hätte beinahe mutgemaßt..."
„Gemutmaßt!" verbesserte der Kleine, und es lag ein sanfter
verweis in seinen wasserblauen freundlichen Augen.
„Bitte sehr!" entgegnete der vagere und sah ihn. wohl-
wollend, aber doch überlegen an. „Ich möchte das nicht so ohne
weiteres unterschreiben. Meiner Meinung nach entspricht es dem
natürlichen Empfinde» und dem logischen Sprachgesetz viel eher,
zu sagen: Ich hätte beinahe mutgemaßt..."
„Aber, aber!" rief der Kleine lebhaft und schlug mit der
Vaud auf den Tisch. „Mutgemaßt! Mutgemaßt I Entsetzlich! Es
geht mir durch die Ghren, wie wenn ein Lastautomobil an den
Fenstern vorüberschnarren würde. Ganz widersinnig und un-
grammatikalisch ist cs. Sie müssen und können nicht anders sage»
als: Ich hätte beinahe gemutmaßt..."
„Ich hätte beinahe mutgemaßt — so sage ich und dabc>
bleibe ich!" erklärte jetzt der chagere nicht ohne Listigkeit, straffte
sich in seiner ganzen Länge empor und sah ziemlich herausfordernd
auf bcu Kleinen herunter. „Sie werden mich doch nicht darüber
belehren wollen, was deutsch ist? Ich glaube, ich habe da bereits
Zeit gehabt, ineine eigenen gefesteten Anschauungen und Grund'
sätze zu gewinnen!"
„Pah! Pah! Pah! Anschauungen und Grundsätze!" zürnte
der Kleine und schob den Tisch energisch von sich, daß das Wusste
aus den Gläsern schwankte. „Anschauungen und Grundsätze
bedeuten da rein gar nichts. Regeln, Regeln und zum dritte»'
mal Regeln, mein Lieber — das ist das einzige, was Wert Ist»
und danach kommen Sie nicht darüber hinweg. Sie müssen sage»'
Ich hätte beinahe gemutmaßt..."
„Mutgemaßt!" rief der andere laut, senkte den Kopf »»"
starrte ihm in's Gesicht.
„Gemutmaßt!" schrie nun auch der Kleine und bohrte die
spitze Nase zu seinem Gegner hinauf in die Luft. — Dabei spränge»
> Günstiger Zeitpunkt, -t- -*• 4
„Sie trinke» heute kolossal viel!" — „Unglückliche Liebe!" — „So so! Das haben Sie aber gut getroffen.
Bei der Hitz' schmeckt's wenigstens!"
—h-4- Die Mutmaßung. -H-
^^ie beiden bebrillten Herren schoben das Schachbrett von sich,
^^8 aus dem sie ihr gewöhnliches Kaffeehausspiel erledigt hatten.
Dabei sah der eine nach dein Kleiderständer um und beobachtete
dort einen Mann, der sich in verdächtiger Weise zu schaffen
machte.
„Was haben Sie?" fragte der kleine Dicke.
„Ach!" antwortete der lange lhagere. „Das Individuum
dort bei unseren Röcken kommt mir nicht ganz sauber vor. Ich
hätte beinahe mutgemaßt..."
„Gemutmaßt!" verbesserte der Kleine, und es lag ein sanfter
verweis in seinen wasserblauen freundlichen Augen.
„Bitte sehr!" entgegnete der vagere und sah ihn. wohl-
wollend, aber doch überlegen an. „Ich möchte das nicht so ohne
weiteres unterschreiben. Meiner Meinung nach entspricht es dem
natürlichen Empfinde» und dem logischen Sprachgesetz viel eher,
zu sagen: Ich hätte beinahe mutgemaßt..."
„Aber, aber!" rief der Kleine lebhaft und schlug mit der
Vaud auf den Tisch. „Mutgemaßt! Mutgemaßt I Entsetzlich! Es
geht mir durch die Ghren, wie wenn ein Lastautomobil an den
Fenstern vorüberschnarren würde. Ganz widersinnig und un-
grammatikalisch ist cs. Sie müssen und können nicht anders sage»
als: Ich hätte beinahe gemutmaßt..."
„Ich hätte beinahe mutgemaßt — so sage ich und dabc>
bleibe ich!" erklärte jetzt der chagere nicht ohne Listigkeit, straffte
sich in seiner ganzen Länge empor und sah ziemlich herausfordernd
auf bcu Kleinen herunter. „Sie werden mich doch nicht darüber
belehren wollen, was deutsch ist? Ich glaube, ich habe da bereits
Zeit gehabt, ineine eigenen gefesteten Anschauungen und Grund'
sätze zu gewinnen!"
„Pah! Pah! Pah! Anschauungen und Grundsätze!" zürnte
der Kleine und schob den Tisch energisch von sich, daß das Wusste
aus den Gläsern schwankte. „Anschauungen und Grundsätze
bedeuten da rein gar nichts. Regeln, Regeln und zum dritte»'
mal Regeln, mein Lieber — das ist das einzige, was Wert Ist»
und danach kommen Sie nicht darüber hinweg. Sie müssen sage»'
Ich hätte beinahe gemutmaßt..."
„Mutgemaßt!" rief der andere laut, senkte den Kopf »»"
starrte ihm in's Gesicht.
„Gemutmaßt!" schrie nun auch der Kleine und bohrte die
spitze Nase zu seinem Gegner hinauf in die Luft. — Dabei spränge»
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Günstiger Zeitpunkt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1913
Entstehungsdatum (normiert)
1908 - 1918
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 138.1913, Nr. 3540, S. 266
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg