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Der Berliner Zug.
er £}m- in der Linie 4. rutschte hin nnd her, hin und her.
„verdammt noch'mal, wenn der Aasten nich schneller fährt,
kriech' ich den Berliner Auch nich mehr, verdammt noch'mal."
Lin Biermagen kreuzte schwerfällig das cSdctfc. „verdammt,
verdammt, mein Berliner Auch ..."
An der nächsten valtestellc ist ein langer Aufenthalt. „Ds,
ds, ds, sonst steigt hier niemand ein - nur gerade heute
- 'ne ganze Prozession - na, so läuten Sie doch endlich einmal
ab, Männicken!" Der Schaffner läutet wortlos ab. Liner im
Wagen schreit: „bsalt, halt, die Frau dort will noch mit
Schaffner, sehen Sic denn nicht die dicke Frau mit dem Korb?"
Der Schaffner sieht's und läutet: lfalt! Die Frau mit dem
Marktkorb steigt mit mäßiger Lile ein: „Sodala, guat is's 'ganga,
beinahe hätt' i's nimmer derwischt - sodala."
Der eilige kserr schaut zum dreiundzwanzigsteu Mal auf seine
Uhr: „verdammt noch'mal, mein Berliner Juch!" „van S'?"
„Meinen Berliner Inch kriech' ich nich mehr!" „(0 mei',
nach Berlin kommen S' allaweil noch früh g'nug, lherr!"
„Erlauben Sie, wie meinen Sic das?" „Daß S' halt nacha
einfach den nächsten Ing nehma."
Lin hartnäckiger Iiegelwagen wankt und weicht nicht ans
dem Geleise. Läuten, Geschimps, Geschrei, „verdammt, mein
Berliner Inch!" — Lndlich ist die Strecke frei. Drüben wird der
Bahnhof sichtbar. „verdammt, verdammt, es könnte gerade
noch gehen."
Massentritt, Musik. Ansrückende Soldaten ziehen vor dein
Straßenbahnwagen an den Bahnhof. Blumen wachsen aus den
Velinen, ans den Röcken, die Gesichter selbst sind aufgeblühtc
Rosen. Auf den Wiuipern der Bräute links und rechts liegt
heimlich glitzernder Tau. Der Platz dröhnt. Kein Lude nehmen
die Kolonnen. Wir schauen und wir schauen . . .
Auf einmal fällt mir der eilige lherr ein. Gb er wohl
abgesprungen ist? Rein, dort auf der Plattform steht er still und
andächtig. Ganz versunken ist er.
Die dicke Frau init dem Marktkorb sticht der lsafer: „Jesses,
vcrr, nnd Ihr Berliner Ing?" — „Ach so, ach so sehen Sie
'mal, wie verdammt schneidig sie marschieren, was?" — „Ja,
aber Ihr Berliner Zug, lherr?" „Teufel, wenn man jünger
wäre und noch mitmarschieren könnte, was?" - „Ja, verr,
aber der Berliner Ing?" „Juni Donner noch'mal, Frau,
lassen Sie mich mit Ihrem blödsinnigen Berliner Inch in Ruhe
— als ob nich später wieder einer ginge!"
Fritz Müller.
Ein Brief aus Rußland. °Z-
„Gelübte Kathl! Ich Hab' Dir schon
längst einen ausfierlichen Brief schreiwen
an, steert mich 'was.
Der Berliner Zug.
er £}m- in der Linie 4. rutschte hin nnd her, hin und her.
„verdammt noch'mal, wenn der Aasten nich schneller fährt,
kriech' ich den Berliner Auch nich mehr, verdammt noch'mal."
Lin Biermagen kreuzte schwerfällig das cSdctfc. „verdammt,
verdammt, mein Berliner Auch ..."
An der nächsten valtestellc ist ein langer Aufenthalt. „Ds,
ds, ds, sonst steigt hier niemand ein - nur gerade heute
- 'ne ganze Prozession - na, so läuten Sie doch endlich einmal
ab, Männicken!" Der Schaffner läutet wortlos ab. Liner im
Wagen schreit: „bsalt, halt, die Frau dort will noch mit
Schaffner, sehen Sic denn nicht die dicke Frau mit dem Korb?"
Der Schaffner sieht's und läutet: lfalt! Die Frau mit dem
Marktkorb steigt mit mäßiger Lile ein: „Sodala, guat is's 'ganga,
beinahe hätt' i's nimmer derwischt - sodala."
Der eilige kserr schaut zum dreiundzwanzigsteu Mal auf seine
Uhr: „verdammt noch'mal, mein Berliner Juch!" „van S'?"
„Meinen Berliner Inch kriech' ich nich mehr!" „(0 mei',
nach Berlin kommen S' allaweil noch früh g'nug, lherr!"
„Erlauben Sie, wie meinen Sic das?" „Daß S' halt nacha
einfach den nächsten Ing nehma."
Lin hartnäckiger Iiegelwagen wankt und weicht nicht ans
dem Geleise. Läuten, Geschimps, Geschrei, „verdammt, mein
Berliner Inch!" — Lndlich ist die Strecke frei. Drüben wird der
Bahnhof sichtbar. „verdammt, verdammt, es könnte gerade
noch gehen."
Massentritt, Musik. Ansrückende Soldaten ziehen vor dein
Straßenbahnwagen an den Bahnhof. Blumen wachsen aus den
Velinen, ans den Röcken, die Gesichter selbst sind aufgeblühtc
Rosen. Auf den Wiuipern der Bräute links und rechts liegt
heimlich glitzernder Tau. Der Platz dröhnt. Kein Lude nehmen
die Kolonnen. Wir schauen und wir schauen . . .
Auf einmal fällt mir der eilige lherr ein. Gb er wohl
abgesprungen ist? Rein, dort auf der Plattform steht er still und
andächtig. Ganz versunken ist er.
Die dicke Frau init dem Marktkorb sticht der lsafer: „Jesses,
vcrr, nnd Ihr Berliner Ing?" — „Ach so, ach so sehen Sie
'mal, wie verdammt schneidig sie marschieren, was?" — „Ja,
aber Ihr Berliner Zug, lherr?" „Teufel, wenn man jünger
wäre und noch mitmarschieren könnte, was?" - „Ja, verr,
aber der Berliner Ing?" „Juni Donner noch'mal, Frau,
lassen Sie mich mit Ihrem blödsinnigen Berliner Inch in Ruhe
— als ob nich später wieder einer ginge!"
Fritz Müller.
Ein Brief aus Rußland. °Z-
„Gelübte Kathl! Ich Hab' Dir schon
längst einen ausfierlichen Brief schreiwen
an, steert mich 'was.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein Brief aus Russland"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1915
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1920
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 142.1915, Nr. 3638, S. 188
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg