Sterndeuter.
309
Hamal, obwohl es Heller Morgen war, in eifrige Betrachtung
der Gestirne vertieft fand, die denn auch sehr erfreulich sein
mußte. Denn der Weife ließ wiederholt behagliche Laute ver-
gnügter Stimmung vernehmen. Das reizte die Neugier des Ka-
lifen derart, daß er dem Alten die chand auf die Schulter legte
und sprach: „Laß mich auch einmal hinausschauenI" — Der Alte
fuhr auf und seine fröhliche Miene zeugte plötzlich von heftiger
Bestürzung. Ehe er aber noch ein bescheidenes Wort der Abwehr
hatte Vorbringen können, war er schon von dem Kalifen beiseitc-
geschoben worden, der jetzt selbst seinen Platz einnahm und nach
dein Eifer, mit dem er durch das Rohr blickte, von dem, was
er da sah, gleichfalls in höchstem Grade befriedigt sein mußte.
Allerdings — Sternbilder wareu's nicht, die er sah, aber
eine große Schar lieblicher und reizender Frauengestalten bei trau-
lichem Scherz, Tanz. Klatsch und anderen Beschäftigungen, wie
sie die zahlreichen Frauen und Sklavinnen des reichen Paschas
eben so ganz unter sich trieben, dessen kjaremsgarten man durch
den von dem „Sterndeuter" kunstreich in das Rohr eingebauten
Spiegel überblicken konnte. Das waren also die Gestirne, aus
deren genauem und langem Studium der Alte feine Weisheit
schöpfte I
Übrigens schien auch der Kalif bedeutendes Talent zu einem
gründlichen Forscher zu haben. Denn es dauerte lange, bis er
sich endlich — sehr wohlgelaunt und anscheinend von allen Schrullen
frei — erhob und zu %ima[, der ehrfurchtsvoll mit demütig ge-
senkten Wimpern vor ihm stand, nichts weiter sagte als die iui
reinsten Arabisch gesprochenen Worte: „Mein Lieber, Du bist ein
großer Tropf I"
Dann winkte er ihm, in das kmus zu folgen. Dort sprach
der Herrscher mit Würde: „Ich
habe mich überzeugt, daß lsamal
in der Tat ein großer Kenner
der Gestirne ist. Ich ernenne ihn
daher hiemit zn meinem Mber-
sterndeuter und werde selbst von
nun au täglich hier iu deu
Gestirnen forschen!"
„Gib nur den Schlüssell"
sagte er dabei gnädig und
schmunzelte ein wenig boshaft.
kfamal überreichte ehrerbie-
tig den Schlüssel zum Fernrohr
und schmunzelte heimlich eben-
falls ein wenig. Denn er hatte
schon lange für alle Fälle noch
einen zweiten....
Milhelm Herbert.
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Hamal, obwohl es Heller Morgen war, in eifrige Betrachtung
der Gestirne vertieft fand, die denn auch sehr erfreulich sein
mußte. Denn der Weife ließ wiederholt behagliche Laute ver-
gnügter Stimmung vernehmen. Das reizte die Neugier des Ka-
lifen derart, daß er dem Alten die chand auf die Schulter legte
und sprach: „Laß mich auch einmal hinausschauenI" — Der Alte
fuhr auf und seine fröhliche Miene zeugte plötzlich von heftiger
Bestürzung. Ehe er aber noch ein bescheidenes Wort der Abwehr
hatte Vorbringen können, war er schon von dem Kalifen beiseitc-
geschoben worden, der jetzt selbst seinen Platz einnahm und nach
dein Eifer, mit dem er durch das Rohr blickte, von dem, was
er da sah, gleichfalls in höchstem Grade befriedigt sein mußte.
Allerdings — Sternbilder wareu's nicht, die er sah, aber
eine große Schar lieblicher und reizender Frauengestalten bei trau-
lichem Scherz, Tanz. Klatsch und anderen Beschäftigungen, wie
sie die zahlreichen Frauen und Sklavinnen des reichen Paschas
eben so ganz unter sich trieben, dessen kjaremsgarten man durch
den von dem „Sterndeuter" kunstreich in das Rohr eingebauten
Spiegel überblicken konnte. Das waren also die Gestirne, aus
deren genauem und langem Studium der Alte feine Weisheit
schöpfte I
Übrigens schien auch der Kalif bedeutendes Talent zu einem
gründlichen Forscher zu haben. Denn es dauerte lange, bis er
sich endlich — sehr wohlgelaunt und anscheinend von allen Schrullen
frei — erhob und zu %ima[, der ehrfurchtsvoll mit demütig ge-
senkten Wimpern vor ihm stand, nichts weiter sagte als die iui
reinsten Arabisch gesprochenen Worte: „Mein Lieber, Du bist ein
großer Tropf I"
Dann winkte er ihm, in das kmus zu folgen. Dort sprach
der Herrscher mit Würde: „Ich
habe mich überzeugt, daß lsamal
in der Tat ein großer Kenner
der Gestirne ist. Ich ernenne ihn
daher hiemit zn meinem Mber-
sterndeuter und werde selbst von
nun au täglich hier iu deu
Gestirnen forschen!"
„Gib nur den Schlüssell"
sagte er dabei gnädig und
schmunzelte ein wenig boshaft.
kfamal überreichte ehrerbie-
tig den Schlüssel zum Fernrohr
und schmunzelte heimlich eben-
falls ein wenig. Denn er hatte
schon lange für alle Fälle noch
einen zweiten....
Milhelm Herbert.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Sterndeuter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1915
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1920
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 142.1915, Nr. 3648, S. 309
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg