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Rose n pill e n.

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glaubt, sich einen Jux mit mir machen zu können! Aber da irrt
er sich: Dazu bin ich denn doch viel zu modern und realistisch
veranlagt!“

Ohne dass er es indessen selber merkte, hatte er eine der
kleinen Pillen in den Mund genommen und zerkaut.

Da veränderte sich plötzlich seine ganze Umgebung. In den
Zweigen wiegten sich farbige Laternen. Lichter und sanfte Musik-
töne huschten durch Nähe und Ferne und er sah allerhand zier-
liche Gestalten über die Wege gleiten — eine vornehme und
graziöse Rokokogesellschaft, wie man sie auf den Gemälden alter
Meister findet. Erst glaubte er zu träumen. Aber all die Bilder
um ihn her waren so getreu und lebenswann, dass er bald merkte:
Es war nicht bloss ein Traumspuk, der ihn äffte. Das wurde ihm
vollends zur holden Gewissheit, wie sich eine reizende Schöne neben
ihm nicderliess, die mit lieblicher Stimme zu ihm sprach: „Wer Ihr
auch seid, Unbekannter, Euer ganzes Wesen flösst mir Vertrauen
ein — ich bitte Euch um ritterlichen Schutz gegen die Nachstel-
lungen des Barons, der mich heute mehr als je mit seinen Liebes-
beteuerungen bedrängt!“

Der Dichter fühlte sein Herz höher klopfen und versicherte
der reizenden Unbekannten mit den heissesten Schwüren, dass er
ihrem Dienste hinfort sein ganzes Leben weihen werde - - was sie
mit einem leisen Druck ihres warmen kleinen Händchens erwiderte,
das er dabei für einen Augenblick ergattert hatte.

Plötzlich aber, nachdem er auch noch einen veilchensanften
Blick ihrer wundervollen Augensterne erhascht, sprang sie rasch
auf und flüsterte ihm zu: „Um Gottes willen! Meine Tante! Ich
muss gehen! Verratet mich nicht . . und“ — fügte sie verheissend
hinzu — „seid morgen, wenn Ihr wollt, um dieselbe Zeit wieder
hier!“

Schon dachte er ihr zu folgen. Da schlug die Uhr von dem
nahen Kirchturm. Die halbe Stunde war vorüber. Der Zauber der
Rosenpille erlosch und er sass allein in dem stillen Park. Seufzend
erhob er sich, noch ganz befangen von dem erlebten holden Aben-
teuer und durchzittert von der Sehnsucht nach der Wiederkehr des
reizenden Mädchens.

Als er am nächsten Morgen erwachte, war sein erstes, nach
der Dose zu greifen, da er das Ganze immer noch beinahe für
einen Traum gehalten hätte. Aber sie stand wirklich auf dem Ofen-
sims und als er sie öffnete, sah er die Pille unversehrt vor sich,
die ihm so verheissend ein Wiedersehen mit der Schönen in Aus-
sicht stellte. Wohl zwanzigmal nahm er den Tag über die kleine
unscheinbare Kugel in die Hand, die so süsse Kraft besass, und be-
trachtete sie genau. Dabei entglitt sie plötzlich seiner Hand. Wie
er mit einem ängstlichen Aufschrei nach ihr haschte, sprang ein
kleines Stückchen davon ab. Sorgsam verbarg er den Rest wieder,
bis der Abend kam.

Frühzeitig war er an Ort und Stelle und steckte, als der Mond
seine ersten Strahlen durch den Hain sendete, die Pille in den Mund.
Und sieh’ da, ihr Zauber versagte nicht! Wieder huschten aller-
hand abenteuerliche Gestalten an ihm vorüber und wieder Hess sich
eine Dame neben ihm nieder . . . aber nicht die kaum erschlossene
Mädchenblüte, die gestern in den herrlichen Minuten neben ihm
geweilt, sondern eine reife selbstbewusste Dame von nicht unbe-
trächtlichen Körperformen. . . .

„Ach“ — seufzte er mit schmerzlicher Enttäuschung laut vor
sich hin — „warum seid nicht Ihr es, die mich gestern hieher-
kommen hiess — die ich heute den ganzen Tag so sehnsüchtig
erwartet habe?!“

Da betrachtete ihn die Dame mit entrüsteter Schärfe durch
ihr Glas. „Wie?!“ sagte sie zornig. „Wie ist mir denn? Ihr?!
Ihr seid es?! Und Ihr wagt es, mich heute noch einmal zu
molestieren, da ich doch schon seit fünfundzwanzig Jahren
die Gattin des Barons bin?! — Wäret Ihr damals recht-
zeitig gekommen! O, ich weiss es noch wie heute! Zwei ge-
schlagene Stunden habe ich umsonst gewartet — empörend!“
Und sie erhob sich und rauschte stolz von dannen.

Da sass plötzlich der Unbekannte neben ihm und sagte lächelnd
mit spöttischer Stimme: „Ja, ja, Verehrtester! Rosenpillen wollen
mit Sorgfalt behandelt sein: So ein Eckchen, das abspringt, nimmt
gleich eine gewaltige Spanne Zeit mit — und dann kommt man
um ein Vierteljahr hundert zu spät! Das sind eben nun
einmal die unpraktischen Poeten!“

Dann war er fort und der Dichter, der sich seufzend erhob,
meinte noch sein Lachen aus dem Gebüsch zu hören. . . .

Wilhelm Herbert.

Gut gezogen.

„Wenn Du jetzt nicht bald mit dem Lärm anfhorst, dann
wird 'was passieren!" — „Gelt, Papa, dann gehst Du in ein
anderes Zimmer?"

Ergebu n ft.

Junger Arzt: „Wißt Jhr's schau, Lochbauer, Ihr seid
mein erster PatientI" — Lochbauer: „Ja, mei', schauen S',
oaner muaß's halt sei'."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Gut gezogen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Meissl, August von
Entstehungsdatum
um 1915
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1920
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Lärm
Schläue
Erziehung
Karikatur
Kinderspiel
Kind <Motiv>
Vater <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 143.1915, Nr. 3656, S. 94

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