Der p'f 1 a u m e nhande l.
261
meinem Gebieter zu Liebe
tun, der einer der ersten
und weisesten Räte des
Kalifen ist — Allah segne
den erhabenen Herrscher l"
So ging es eine Weile
fort, bis-der Sack aus-
verkauft war und die
Hand des Kalifen die
letzte pflaume aus sei-
nem Grunde herauf ge-
holt hatte. Es tat ihm
wirklich leid, daß nicht
noch mehr darin waren,
ja, daß er überhaupt bloß
einen Sack mitgenom-
men hatte. Denn die Re-
den der Leute halten ihm
ungemein gut gefallen
und er dachte bei sich,
während er nun den
Markt verließ: „Mein
Narr ist doch ein ge-
scheiter Bursche! Und
welch' angenehme Ent-
täuschung er mir ver-
mittelt hat: Ich hätte
niemals geglaubt, daß
die Menschen so gut und
gerecht sind — einer wie
der andere. Wie ver-
träglich und liebenswür-
dig sie alle waren, unter
sich wie auch gegen mich I
Ich muß sagen, ich habe jetzt eine ganz andere Meinung von
ihnen allen, als ich früher wenigstens von einem großen Teil von
ihnen hatte!"
Da kam er an eine belebte Ecke nicht allzuweit vom Markte,
wo ein Bettler faß und den Vorübergehenden, die er um eine
Gabe ansprach, heimlich etwas zuflüsterte. Neugierig trat auch
der verkleidete Kalif näher und hörte, wie der Bettler eben ver-
traulich zu einem Wohltäter sagte: „Herr, wenn ich Euch raten
darf, geht schleunigst auf den Markt: Dort verkauft heute der
Kalif, als Bäuerlein verkleidet, Pflamnen!"
Erstaunt und empört zugleich blieb der Fürst stehen und
wartete, bis es dort leer geworden. Dann trat er vor, erfaßte
den Bettler bei der Schulter und sagte, indem er seinen Bart
lüftete, grollend: „Sieh', ich selbst bin der Kalif! woher willst
Dil diese Kunde haben und warum verbreitest Du sie?!"
Da lüstete auch der Bettler schnell seine Vermuinmung ul.d
erwiderte lachend: „Sieh', ich bin des Kalifen Narr! Ich weiß
es von ihm selbst und ich habe es den Leuten gesagt, weil sie
sonst nicht auf die Pflaumen des armen Bäuerleins geachtet
hätten und er die Menschen lucht würde kennen lernen!"
„wie!" rief der Fürst, nur noch mehr grollend, während sie
in einen Torbogen traten. ..So haben alle, die plötzlich um meinen
Sack sich drängten, gewußt, daß ich der Kalif bin, und sie haben
nur deswegen so eifrig bei mir eingekauft und mir so schön nach
dem Munde geredet! Und so willst Du mich die Menschen kennen
lernen?! Ja, Du hast recht: Ich habe sie kennen gelernt, diese falsche,
heuchlerische Brut..."
„Geduld, Herr!" entgegnete da fein Narr halblaut. „Noch kommt
Dein Urteil vielleicht zu früh! Da hör' einmal!"
„wie sich nur ein Kalif nicht schämt" — brummte der eine und
warf eine Pflaume auf den weg — „solche Schundware an den Mann
zu bringen: schon die dritte wurmige! Der reinste Betrug!" — „Ach,
schilt doch darum den Kalifen nicht" — meinte sein Nachbar, der mit
ihm ging — „Allah weiß, wer sie ihm aufgehängt hat! was soll
denn er, der die größten Dinge zu denken und den ganzen Tag für
das gesammte Volk zu sorgen hat, von den kleinen windigen pflaumen
verstehen! Dafür kann er wahrhaftig nichts!" — „warum treibt er
dann immer solche possen?!" sagte ein dritter. „Mir scheint es, er
will auf diese weise Land und Leute ausforschen und kennen lernen.
Braucht er denn dazu solchen Mummenschanz! wer zwei offene Augen
hat und zwei gesunde Mhren und einen richtigen Verstand, der
erkennt die Menschen doch auch so und weiß, daß es weder lauter
Engel noch lauter Teufel gibt, sondern daß die allermeisten Mittel-
ware sind, wie seine pflaumen übrigens auch, die man vor ihm
in den Himmel gehoben hat und jetzt hinter feinem Rücken schlecht
macht!" — „Du!" sagte da der Narr und stieß den Fürsten an.
„pass' wohl auf: Das geht auf Dich!" — „Ich möchte nur wissen"
— meinte ein anderer — „was für ein Esel ihn wieder auf die
Idee gebracht hat!"
Da mußte der Kalif derart lachen, daß er sich beinahe ver-
raten hätte. „Du" — sagte er vergnügt und stieß seinen Narren
an — „pass' wohl auf: Das geht auf Dich!"
Dann schritten sie selbzweit guter Dinge, fröhlich und zu-
frieden dem palaste zu und kamen unerkannt durch den großen
Innenhof. Dort saßen noch immer die Räte und Gelehrten und
stritten miteinander und schlugen in den dicksten Büchern nach,
wie man wohl am besten die Menschen kennen lernen möchte. . .
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meinem Gebieter zu Liebe
tun, der einer der ersten
und weisesten Räte des
Kalifen ist — Allah segne
den erhabenen Herrscher l"
So ging es eine Weile
fort, bis-der Sack aus-
verkauft war und die
Hand des Kalifen die
letzte pflaume aus sei-
nem Grunde herauf ge-
holt hatte. Es tat ihm
wirklich leid, daß nicht
noch mehr darin waren,
ja, daß er überhaupt bloß
einen Sack mitgenom-
men hatte. Denn die Re-
den der Leute halten ihm
ungemein gut gefallen
und er dachte bei sich,
während er nun den
Markt verließ: „Mein
Narr ist doch ein ge-
scheiter Bursche! Und
welch' angenehme Ent-
täuschung er mir ver-
mittelt hat: Ich hätte
niemals geglaubt, daß
die Menschen so gut und
gerecht sind — einer wie
der andere. Wie ver-
träglich und liebenswür-
dig sie alle waren, unter
sich wie auch gegen mich I
Ich muß sagen, ich habe jetzt eine ganz andere Meinung von
ihnen allen, als ich früher wenigstens von einem großen Teil von
ihnen hatte!"
Da kam er an eine belebte Ecke nicht allzuweit vom Markte,
wo ein Bettler faß und den Vorübergehenden, die er um eine
Gabe ansprach, heimlich etwas zuflüsterte. Neugierig trat auch
der verkleidete Kalif näher und hörte, wie der Bettler eben ver-
traulich zu einem Wohltäter sagte: „Herr, wenn ich Euch raten
darf, geht schleunigst auf den Markt: Dort verkauft heute der
Kalif, als Bäuerlein verkleidet, Pflamnen!"
Erstaunt und empört zugleich blieb der Fürst stehen und
wartete, bis es dort leer geworden. Dann trat er vor, erfaßte
den Bettler bei der Schulter und sagte, indem er seinen Bart
lüftete, grollend: „Sieh', ich selbst bin der Kalif! woher willst
Dil diese Kunde haben und warum verbreitest Du sie?!"
Da lüstete auch der Bettler schnell seine Vermuinmung ul.d
erwiderte lachend: „Sieh', ich bin des Kalifen Narr! Ich weiß
es von ihm selbst und ich habe es den Leuten gesagt, weil sie
sonst nicht auf die Pflaumen des armen Bäuerleins geachtet
hätten und er die Menschen lucht würde kennen lernen!"
„wie!" rief der Fürst, nur noch mehr grollend, während sie
in einen Torbogen traten. ..So haben alle, die plötzlich um meinen
Sack sich drängten, gewußt, daß ich der Kalif bin, und sie haben
nur deswegen so eifrig bei mir eingekauft und mir so schön nach
dem Munde geredet! Und so willst Du mich die Menschen kennen
lernen?! Ja, Du hast recht: Ich habe sie kennen gelernt, diese falsche,
heuchlerische Brut..."
„Geduld, Herr!" entgegnete da fein Narr halblaut. „Noch kommt
Dein Urteil vielleicht zu früh! Da hör' einmal!"
„wie sich nur ein Kalif nicht schämt" — brummte der eine und
warf eine Pflaume auf den weg — „solche Schundware an den Mann
zu bringen: schon die dritte wurmige! Der reinste Betrug!" — „Ach,
schilt doch darum den Kalifen nicht" — meinte sein Nachbar, der mit
ihm ging — „Allah weiß, wer sie ihm aufgehängt hat! was soll
denn er, der die größten Dinge zu denken und den ganzen Tag für
das gesammte Volk zu sorgen hat, von den kleinen windigen pflaumen
verstehen! Dafür kann er wahrhaftig nichts!" — „warum treibt er
dann immer solche possen?!" sagte ein dritter. „Mir scheint es, er
will auf diese weise Land und Leute ausforschen und kennen lernen.
Braucht er denn dazu solchen Mummenschanz! wer zwei offene Augen
hat und zwei gesunde Mhren und einen richtigen Verstand, der
erkennt die Menschen doch auch so und weiß, daß es weder lauter
Engel noch lauter Teufel gibt, sondern daß die allermeisten Mittel-
ware sind, wie seine pflaumen übrigens auch, die man vor ihm
in den Himmel gehoben hat und jetzt hinter feinem Rücken schlecht
macht!" — „Du!" sagte da der Narr und stieß den Fürsten an.
„pass' wohl auf: Das geht auf Dich!" — „Ich möchte nur wissen"
— meinte ein anderer — „was für ein Esel ihn wieder auf die
Idee gebracht hat!"
Da mußte der Kalif derart lachen, daß er sich beinahe ver-
raten hätte. „Du" — sagte er vergnügt und stieß seinen Narren
an — „pass' wohl auf: Das geht auf Dich!"
Dann schritten sie selbzweit guter Dinge, fröhlich und zu-
frieden dem palaste zu und kamen unerkannt durch den großen
Innenhof. Dort saßen noch immer die Räte und Gelehrten und
stritten miteinander und schlugen in den dicksten Büchern nach,
wie man wohl am besten die Menschen kennen lernen möchte. . .
a
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Pflaumenhandel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1916
Entstehungsdatum (normiert)
1911 - 1921
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 145.1916, Nr. 3723, S. 261
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg