Siebzehn1a
stand ein Artikel in der Zeitung, daß es eine Schande sei, wenn
einzelne Leute sich in der eierkartenlosen Zeit übermäßig große
Vorräte hingelegt hätten.
wieder einen Tag später wurde in der Magistralssitzung ein
Antrag eingebracht, daß Leute, welche mehr als fünfzig Tier
auf den Kopf eingemacht hätten, über den ganzen Winter durch
keine neuen Eierkarten bekommen sollten. Der Antrag wurde
angenommen.
Noch einen Tag später liefen drei namenlose Anzeigen bei
der Kriegswucherstelle ein: Die Rosa Gschwend, Wäscherin, da
und da im vierten Stock, habe volle siebzehntausend Eier einge-
hamstert, und wenn man schnell Zugriffe, bevor dieser Wasser-
glaseierhamster ihren
schamlosen Raub ver-
räume, so könne es gar
nicht fehlen, daß . . .
Eine Untersuchungs-
kommission von vier
Mann, mit polizei-
licher Gewalt ausge-
rüstet, begab sich in
das denunzierte Eier-
haus. Beim bsinauf-
steigen über die vier
Treppen bewegten sich
leise die Vorhänge an
den Gangfenstern der
verschiedenen Stock-
werke. Und immer
wenn die Kommission
einen Stock höher gestiegen war, schoß es wispernd und augen-
verdrehend ein Stockwerk tiefer aus den Türen: „Hain S' f
g'seh'n — jetz' sind f da von der Kommission — jetz' wird's
ihr schlecht geh'n, der Lierhamsterin — unter einem halb'n Jahr
G'fängnis werd f’ kaum davo' komm'n, werd' S' sehng." — „(D
mei', eig'ntlich wünsch' ich ihr nix Schlecht's." — „Ja, meinen
Sie vielleicht, ich wünsch' ihr 'was Schlecht's — meinetweg'n kann
usend Eier. 309
s' auch bloß a Vierteljahr krieg'n — des is wenig g'nug, wenn
man bedenkt, wieviel hundert Familien ein solches Eierg'naack
um ihre Eier 'brackt hat." — „0 mei', a Vierteljahr G'fängnis —
ich tät's ihr net wünsch'n." — „Ja, meinen Sie vielleicht, ich?
Es is schon schlimm g'nug, daß s' überhaupt von der polizeilichen
Eierkommission untersucht wird — wer sie wohl an'zeigt hat, die
arme Frau?" — „Ja, meinen Sie vielleicht, ich? Des tät' ich
mir fei' ausbitt'n..." — „0 mei', so an arm's Weiberl, was
'n 'ganz'n Tag zum wasch'n geht — wenn man bedenkt, daß
die jetzt eing'sperrt werd'n sollt'." — „Ja, und wenn man be-
denkt, daß in dene streng'n Zeit'n eigentlich ein jeder vorsichtige
Mensch mit a bisserl 'was vorsorg'n sollt'." — „Ja, des is wahr,
und wenn man g'rad' auch net siebzehntausend —" — „Dreizehn-
tausend, meinen S’ wohl?" — „Ich Hab' 'glaubt, von zehntausend
war immer die Red'?" — „Zehntausend? Ich für meinen Teil
Hab' bloß immer von fünftausend —" — „Genga S’ zu, kei'
Mensch hat von mehr g'red't, als höchstens von tausend." —
„Also ich muß sag'n, ich für mein' Teil Hab' überhaupt nur von
zweihundert 'was g'hört." — „Und wer weiß, davon därf ma'
vielleicht auch nur d' Hälfte von der Hälfte nehmen." — „Daß
wär'n also nacha fufzig Eier?" — „Aber nacha hält' s' ja
eigentlich gar net mehr, als was Überhaupts erlaubt ist und —"
Die vierglied'rige Eierkommission kam nach beendigter Unter-
suchung eben jetzt wieder die Treppe herunter. Die Frauen traten
ehrerbietig auf die Seite. Ein Mann mit einer Amtsmühe sagte
zu den beiden andern: „Meine Herren, es wäre ja geradezu
lächerlich, die arme Frau den 0ffenbarungseid schwören zu lassen —"
„Natürlich," sagte eine zweite gutmütige Amtsmütze, „sie hat ja
nicht ein einziges Ei — wenn man nur wüßte, wer diese dumme
Denunziation —"
„Meine Damen," wendete sich die dritte Amtsmütze an die
zusammenstehenden Frauen auf der Treppe, „Sie haben da oben
im vierten Stock eine Hausgenossin, der es nicht allzugut geht —
nicht für ein einziges Ei hat sie bei dieser Knappheit Vorsorgen
können, vielleicht ist es von Ihrer Menschenfreundlichkeit nicht
zuviel verlangt, wenn sie dann und wann in diesem Winter der
Frau Gschwend unter der Hand ein Ei — "
Alle anwesenden Frauen taten gleichzeitig den Mund auf:
„Aber natürlich, Herr-Kom- ja doch a Herz in dieser
missär," sagten sie, ,,ma' hat Xx schweren Zeit."
Lntz Müller.
Die Tristansage in der Selekta.
Lehrer: „Was erkennen wir an der Verwechslung des Todestrankes mit dem Liebestrank, die sich
Brangäne zuschulden kommen ließ?" — Schülerin: „Daß man sich auf Dienstboten nicht verlassen soll."
stand ein Artikel in der Zeitung, daß es eine Schande sei, wenn
einzelne Leute sich in der eierkartenlosen Zeit übermäßig große
Vorräte hingelegt hätten.
wieder einen Tag später wurde in der Magistralssitzung ein
Antrag eingebracht, daß Leute, welche mehr als fünfzig Tier
auf den Kopf eingemacht hätten, über den ganzen Winter durch
keine neuen Eierkarten bekommen sollten. Der Antrag wurde
angenommen.
Noch einen Tag später liefen drei namenlose Anzeigen bei
der Kriegswucherstelle ein: Die Rosa Gschwend, Wäscherin, da
und da im vierten Stock, habe volle siebzehntausend Eier einge-
hamstert, und wenn man schnell Zugriffe, bevor dieser Wasser-
glaseierhamster ihren
schamlosen Raub ver-
räume, so könne es gar
nicht fehlen, daß . . .
Eine Untersuchungs-
kommission von vier
Mann, mit polizei-
licher Gewalt ausge-
rüstet, begab sich in
das denunzierte Eier-
haus. Beim bsinauf-
steigen über die vier
Treppen bewegten sich
leise die Vorhänge an
den Gangfenstern der
verschiedenen Stock-
werke. Und immer
wenn die Kommission
einen Stock höher gestiegen war, schoß es wispernd und augen-
verdrehend ein Stockwerk tiefer aus den Türen: „Hain S' f
g'seh'n — jetz' sind f da von der Kommission — jetz' wird's
ihr schlecht geh'n, der Lierhamsterin — unter einem halb'n Jahr
G'fängnis werd f’ kaum davo' komm'n, werd' S' sehng." — „(D
mei', eig'ntlich wünsch' ich ihr nix Schlecht's." — „Ja, meinen
Sie vielleicht, ich wünsch' ihr 'was Schlecht's — meinetweg'n kann
usend Eier. 309
s' auch bloß a Vierteljahr krieg'n — des is wenig g'nug, wenn
man bedenkt, wieviel hundert Familien ein solches Eierg'naack
um ihre Eier 'brackt hat." — „0 mei', a Vierteljahr G'fängnis —
ich tät's ihr net wünsch'n." — „Ja, meinen Sie vielleicht, ich?
Es is schon schlimm g'nug, daß s' überhaupt von der polizeilichen
Eierkommission untersucht wird — wer sie wohl an'zeigt hat, die
arme Frau?" — „Ja, meinen Sie vielleicht, ich? Des tät' ich
mir fei' ausbitt'n..." — „0 mei', so an arm's Weiberl, was
'n 'ganz'n Tag zum wasch'n geht — wenn man bedenkt, daß
die jetzt eing'sperrt werd'n sollt'." — „Ja, und wenn man be-
denkt, daß in dene streng'n Zeit'n eigentlich ein jeder vorsichtige
Mensch mit a bisserl 'was vorsorg'n sollt'." — „Ja, des is wahr,
und wenn man g'rad' auch net siebzehntausend —" — „Dreizehn-
tausend, meinen S’ wohl?" — „Ich Hab' 'glaubt, von zehntausend
war immer die Red'?" — „Zehntausend? Ich für meinen Teil
Hab' bloß immer von fünftausend —" — „Genga S’ zu, kei'
Mensch hat von mehr g'red't, als höchstens von tausend." —
„Also ich muß sag'n, ich für mein' Teil Hab' überhaupt nur von
zweihundert 'was g'hört." — „Und wer weiß, davon därf ma'
vielleicht auch nur d' Hälfte von der Hälfte nehmen." — „Daß
wär'n also nacha fufzig Eier?" — „Aber nacha hält' s' ja
eigentlich gar net mehr, als was Überhaupts erlaubt ist und —"
Die vierglied'rige Eierkommission kam nach beendigter Unter-
suchung eben jetzt wieder die Treppe herunter. Die Frauen traten
ehrerbietig auf die Seite. Ein Mann mit einer Amtsmühe sagte
zu den beiden andern: „Meine Herren, es wäre ja geradezu
lächerlich, die arme Frau den 0ffenbarungseid schwören zu lassen —"
„Natürlich," sagte eine zweite gutmütige Amtsmütze, „sie hat ja
nicht ein einziges Ei — wenn man nur wüßte, wer diese dumme
Denunziation —"
„Meine Damen," wendete sich die dritte Amtsmütze an die
zusammenstehenden Frauen auf der Treppe, „Sie haben da oben
im vierten Stock eine Hausgenossin, der es nicht allzugut geht —
nicht für ein einziges Ei hat sie bei dieser Knappheit Vorsorgen
können, vielleicht ist es von Ihrer Menschenfreundlichkeit nicht
zuviel verlangt, wenn sie dann und wann in diesem Winter der
Frau Gschwend unter der Hand ein Ei — "
Alle anwesenden Frauen taten gleichzeitig den Mund auf:
„Aber natürlich, Herr-Kom- ja doch a Herz in dieser
missär," sagten sie, ,,ma' hat Xx schweren Zeit."
Lntz Müller.
Die Tristansage in der Selekta.
Lehrer: „Was erkennen wir an der Verwechslung des Todestrankes mit dem Liebestrank, die sich
Brangäne zuschulden kommen ließ?" — Schülerin: „Daß man sich auf Dienstboten nicht verlassen soll."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"17.000 Eier"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1916
Entstehungsdatum (normiert)
1911 - 1921
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 145.1916, Nr. 3727, S. 309
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg