angsam und feierlich machten die
Flocken
In ihrem Himmelsheim sich auf
die Socken.
Schüchtern, behutsam, flirrend und leise
Suchten im Grau sie das Ziel ihrer Reise.
Die erste setzte sich sanft der Frau Base
Beim Stadtbrunnenklatsch auf die spitzige
Rase,
Wo sie still mit wehmütigem Stolz
Als des Winters Borkämpferin schmolz.
Andere flogen aus nebligen Fernen
Auf Giebel, Erker, Torbögen, Laternen
Llnd bald wirbelte feucht und schwer
Dicht das Geflock über'n Marktplatz her.
Froh voll Begierde mit hellem Iuhe
Drang's aus der Schule: „Der erste
Schnee!"
Wahrlich, die Buben sind keine Lämmer!
Wie durch den sinkenden Gpätherbst-
dämmer
Oer Herr Amtmann zum Schöpplein
schritt,
plötzlich vom Haupt sein Zylinder glitt,
Den so ein Ball lose treffen wollte.
Daß er bis hin vor die Schultür rollte,
Als möcht' der Hut sich dort selber be-
schweren,
Wie übermütig die Buben wären.
Gleich d'rauf beim Lehrer Iugendtrou
pochte der Amtmann: „Das ist mir neu,
Wie es jetzt zugeht! Sind wir denn
als Zungen
Go mit der Bürgerschaft umgesprungen
Wie heut' die ungebärdigen Kinder?!
Schau' da! Mein würdiger Zylinder,
Den einst mein Onkel trug lange Tage
And den ich, seit er gestorben, trage,
Hat von dem Schnee, dem mutwillig
geballten.
Eben hier diese Beule erhalten !" — —
Freundlich nahm d'rauf derLehrer den Hut,
Drehte im Runde das Ahnengut
Llnd sprach zum Amtmann mit Schmun-
zeln dann:
„Schau Dir den Hut mal genauer an!
Wohl, er ist trefflich noch aufgeschniegelt.
Aber doch nicht so ganz weggebügelt
Will manche Beule mir d'ran erscheinen.
Hörst Du, mir kommt es schier vor bei
der einen,
Als ob ich wieder sie kennen müßte!
Za, wenn von uns wer das heute wüßte!
War's denn nicht di ese, die D u und i ch,
Wie erster Schnee einst vom Himmel
strich,
Auch so als zwei übermütige Kinder
Beigebracht dem verehrten Zylinder .
Rach dem Hut griff bedächtig der Amt-
mann,
Fühlte den dünner gewordenen Samt an,
Rahm d'rauf den Freund lächelnd unter
den Arm —
Llnd vergnüglich, erinnerungswarm
Zogen zum Wirt sie vom „grünen Klee"
Also selbander im ersten Schnee.
Wilhelm Herbert.
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Flocken
In ihrem Himmelsheim sich auf
die Socken.
Schüchtern, behutsam, flirrend und leise
Suchten im Grau sie das Ziel ihrer Reise.
Die erste setzte sich sanft der Frau Base
Beim Stadtbrunnenklatsch auf die spitzige
Rase,
Wo sie still mit wehmütigem Stolz
Als des Winters Borkämpferin schmolz.
Andere flogen aus nebligen Fernen
Auf Giebel, Erker, Torbögen, Laternen
Llnd bald wirbelte feucht und schwer
Dicht das Geflock über'n Marktplatz her.
Froh voll Begierde mit hellem Iuhe
Drang's aus der Schule: „Der erste
Schnee!"
Wahrlich, die Buben sind keine Lämmer!
Wie durch den sinkenden Gpätherbst-
dämmer
Oer Herr Amtmann zum Schöpplein
schritt,
plötzlich vom Haupt sein Zylinder glitt,
Den so ein Ball lose treffen wollte.
Daß er bis hin vor die Schultür rollte,
Als möcht' der Hut sich dort selber be-
schweren,
Wie übermütig die Buben wären.
Gleich d'rauf beim Lehrer Iugendtrou
pochte der Amtmann: „Das ist mir neu,
Wie es jetzt zugeht! Sind wir denn
als Zungen
Go mit der Bürgerschaft umgesprungen
Wie heut' die ungebärdigen Kinder?!
Schau' da! Mein würdiger Zylinder,
Den einst mein Onkel trug lange Tage
And den ich, seit er gestorben, trage,
Hat von dem Schnee, dem mutwillig
geballten.
Eben hier diese Beule erhalten !" — —
Freundlich nahm d'rauf derLehrer den Hut,
Drehte im Runde das Ahnengut
Llnd sprach zum Amtmann mit Schmun-
zeln dann:
„Schau Dir den Hut mal genauer an!
Wohl, er ist trefflich noch aufgeschniegelt.
Aber doch nicht so ganz weggebügelt
Will manche Beule mir d'ran erscheinen.
Hörst Du, mir kommt es schier vor bei
der einen,
Als ob ich wieder sie kennen müßte!
Za, wenn von uns wer das heute wüßte!
War's denn nicht di ese, die D u und i ch,
Wie erster Schnee einst vom Himmel
strich,
Auch so als zwei übermütige Kinder
Beigebracht dem verehrten Zylinder .
Rach dem Hut griff bedächtig der Amt-
mann,
Fühlte den dünner gewordenen Samt an,
Rahm d'rauf den Freund lächelnd unter
den Arm —
Llnd vergnüglich, erinnerungswarm
Zogen zum Wirt sie vom „grünen Klee"
Also selbander im ersten Schnee.
Wilhelm Herbert.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der erste Schnee"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1918 - 1918
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 149.1918, Nr. 3823, S. 172
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg