Lebkuchen auf den Baum und vertraut
ihm auch ein rosenfarbcnes Zetterl an.
So geht das hin und her. Der
Baum wird immer voller und die Rosl
und der Schreiber alleweil vergnügter.
Die Parteien, die in's Amtszimmer
kommen, schmunzeln und lachen. Cs ist
doch etivas ganz anderes, beim Gericht
einmal statt bloß an Prozess' und Strafen
an's Christkindl und an seine ganze
deutsche Geniütlichkeit denken zu köuncn, wie sie aus dem frischen
Baum heraus lacht und duftet.
„Dösg'fallt
mir von die Her-
ren" — sagt der
Ruckenwirt, der
eine kleineStrafe
zu zahlen hat —
„daß sie aa' an
Sinn und a Ver-
ständnis für's Le-
ben hab'n und
für dös, was
oam wohl und
weh' tut unter
der Menschheit
draußen. Schau,
dös Bäumerl da
— dös hätt' i
glei' ganz gern
selber g'habt da-
hoam!" ... Lr
ahnt dabei gar
nicht, wie nah das Bäumerl seinem peimwesen schon einmal ge-
standen wäre, wann nicht im letzten Augenblick der Schandarm den
Kropftaler-Ferdl damit erwischt hätt'.
So aber wird halt dem frischen lvaldkind die
seltene Ehre, in einem Amtslokal vorweihnachts-
stimmung zu erzeugen. Man meint förmlich,
man hört's aus allen den feierlichen Regalen und
Bänden heraus kichern und lachen. Durch die
Verordnungen und Paragraphen geht's wie ein
froher Ruck und die alten Amtsmöbel knarren
und krachen, als kam' ihnen die Zeit in den Sinn,
wo ste selber einmal als grünes polz ini lvald
draußen gestanden.
Sogar der pcrr Landrichter, wie er durch's
Zimmer geht, lächelt ein wenig. Mittags, wie nie-
mand im Büro ist, schaut selbst die Frau Landrichter,
die von ihni die Sache gehört hat, bei der Tür herein.
Der Spaß gefällt ihr so, daß sie ein paar pände voll
von ihrem Festgebäck an den Baum hängt und etliche
Zeigen dazu. Alles freut sich. Nur der Landgerichts-
bote schüttelt mißbilligend den Kopf.
Denn der Baum ist beschlagnahmt.
Am lveihnachtsmorgen kriegt der Kropftaler-Ferdi für diese
und andere Sün-
den vierzehn
Tage Arrest, die
er sofort ver-
gnüglich an-
nimmt.
Jetzt ist der
Baum frei. Denn
alsKorpusdelikti
braucht man ihn
nicht mehr und
sonst hat er auch
keinen Zweck und
wert. Eben be-
raten sie in der
Registratur, was
damit anfangen
— da kommt zu
einer Nachfrag'
ein armes Weib
herein mit drei
Kindern. — „Da" — sagt der Registrator, der sonst nie viel redet
— „den Baum schenk' ich Luch!"
Jubelnd schleppen ihn die Kinder fort, ehe der
jüngere Schreiber was sagen kann. Aber schließ-
lich ist's ihm auch gleich. Denn der „Briefkasten"
hat seine Bekanntschaft mit der Rosl so weit ge-
fördert. daß er jetzt getrost vom schriftlichen zum
mündlichen Verfahren übergehen kann.
Noch nie haben dem Ferdl die Knödel von der
Frau Verwalter so geschmeckt wie an diesem Weih-
nachtsabend - er weiß selber nicht, warum. . . .
Fliegers Abschied.
Sahr' wohl, mein Stahlroß, meine wilde
Taube,
Die mich zu manchem kühnen Strauße trug!
Zum letzten Male dröhnt mir deine Schraube
In Feindes Land zum herben, letzten Flug.
Wie folgtest du geschmeidig meinen Winken !
Du schwirrtest wie die Lerche himmelan.
Du bogst zur Aechten, schwenktest stink zur
Linken —
Du stürztest jäh — dann glitt'st du leis die
Äahn.
Du trugst mich weithin in der Feinde Lande
llnd halfst mir, ihre Pläne zu durchspäh'n.
Aon Wasgau's Äergen bis zum Meeres-
strande,
Wie manches Schlachtfeld haben wir ge-
seh'n!
Trotz Sturmes pfeifen und Gewitterböen
Hast deinen Dienst getreulich du vollbracht.
Bald kreistest hoch du über Wolkenhöhen,
Lald stürmtest tief du mitten durch die
Schlacht.
Wie manchen Feind halfst du mir kühn
erjagen,
Äis meine Kugel ihn zum Tode traf —
Llnd kann ich stolz manch' Ehrenzeichen tragen.
Dir dank' ich es, mein Flugzeug, treu und
brav.
Nun muß ich dich gefangen übergeben.
Du unbesiegte Taube! - Muß es sein?
Fahr' wohl, mein Stahlroß, du mein Stolz,
mein Leben!
In Schmerz und Trauer, ewig denk' ich dein!
Ludwig Mathy.
ihm auch ein rosenfarbcnes Zetterl an.
So geht das hin und her. Der
Baum wird immer voller und die Rosl
und der Schreiber alleweil vergnügter.
Die Parteien, die in's Amtszimmer
kommen, schmunzeln und lachen. Cs ist
doch etivas ganz anderes, beim Gericht
einmal statt bloß an Prozess' und Strafen
an's Christkindl und an seine ganze
deutsche Geniütlichkeit denken zu köuncn, wie sie aus dem frischen
Baum heraus lacht und duftet.
„Dösg'fallt
mir von die Her-
ren" — sagt der
Ruckenwirt, der
eine kleineStrafe
zu zahlen hat —
„daß sie aa' an
Sinn und a Ver-
ständnis für's Le-
ben hab'n und
für dös, was
oam wohl und
weh' tut unter
der Menschheit
draußen. Schau,
dös Bäumerl da
— dös hätt' i
glei' ganz gern
selber g'habt da-
hoam!" ... Lr
ahnt dabei gar
nicht, wie nah das Bäumerl seinem peimwesen schon einmal ge-
standen wäre, wann nicht im letzten Augenblick der Schandarm den
Kropftaler-Ferdl damit erwischt hätt'.
So aber wird halt dem frischen lvaldkind die
seltene Ehre, in einem Amtslokal vorweihnachts-
stimmung zu erzeugen. Man meint förmlich,
man hört's aus allen den feierlichen Regalen und
Bänden heraus kichern und lachen. Durch die
Verordnungen und Paragraphen geht's wie ein
froher Ruck und die alten Amtsmöbel knarren
und krachen, als kam' ihnen die Zeit in den Sinn,
wo ste selber einmal als grünes polz ini lvald
draußen gestanden.
Sogar der pcrr Landrichter, wie er durch's
Zimmer geht, lächelt ein wenig. Mittags, wie nie-
mand im Büro ist, schaut selbst die Frau Landrichter,
die von ihni die Sache gehört hat, bei der Tür herein.
Der Spaß gefällt ihr so, daß sie ein paar pände voll
von ihrem Festgebäck an den Baum hängt und etliche
Zeigen dazu. Alles freut sich. Nur der Landgerichts-
bote schüttelt mißbilligend den Kopf.
Denn der Baum ist beschlagnahmt.
Am lveihnachtsmorgen kriegt der Kropftaler-Ferdi für diese
und andere Sün-
den vierzehn
Tage Arrest, die
er sofort ver-
gnüglich an-
nimmt.
Jetzt ist der
Baum frei. Denn
alsKorpusdelikti
braucht man ihn
nicht mehr und
sonst hat er auch
keinen Zweck und
wert. Eben be-
raten sie in der
Registratur, was
damit anfangen
— da kommt zu
einer Nachfrag'
ein armes Weib
herein mit drei
Kindern. — „Da" — sagt der Registrator, der sonst nie viel redet
— „den Baum schenk' ich Luch!"
Jubelnd schleppen ihn die Kinder fort, ehe der
jüngere Schreiber was sagen kann. Aber schließ-
lich ist's ihm auch gleich. Denn der „Briefkasten"
hat seine Bekanntschaft mit der Rosl so weit ge-
fördert. daß er jetzt getrost vom schriftlichen zum
mündlichen Verfahren übergehen kann.
Noch nie haben dem Ferdl die Knödel von der
Frau Verwalter so geschmeckt wie an diesem Weih-
nachtsabend - er weiß selber nicht, warum. . . .
Fliegers Abschied.
Sahr' wohl, mein Stahlroß, meine wilde
Taube,
Die mich zu manchem kühnen Strauße trug!
Zum letzten Male dröhnt mir deine Schraube
In Feindes Land zum herben, letzten Flug.
Wie folgtest du geschmeidig meinen Winken !
Du schwirrtest wie die Lerche himmelan.
Du bogst zur Aechten, schwenktest stink zur
Linken —
Du stürztest jäh — dann glitt'st du leis die
Äahn.
Du trugst mich weithin in der Feinde Lande
llnd halfst mir, ihre Pläne zu durchspäh'n.
Aon Wasgau's Äergen bis zum Meeres-
strande,
Wie manches Schlachtfeld haben wir ge-
seh'n!
Trotz Sturmes pfeifen und Gewitterböen
Hast deinen Dienst getreulich du vollbracht.
Bald kreistest hoch du über Wolkenhöhen,
Lald stürmtest tief du mitten durch die
Schlacht.
Wie manchen Feind halfst du mir kühn
erjagen,
Äis meine Kugel ihn zum Tode traf —
Llnd kann ich stolz manch' Ehrenzeichen tragen.
Dir dank' ich es, mein Flugzeug, treu und
brav.
Nun muß ich dich gefangen übergeben.
Du unbesiegte Taube! - Muß es sein?
Fahr' wohl, mein Stahlroß, du mein Stolz,
mein Leben!
In Schmerz und Trauer, ewig denk' ich dein!
Ludwig Mathy.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der gestohlene Baum"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 149.1918, Nr. 3830, S. 230
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg