Aas der Poet mit seinem Herzblut schrieb -
Kein einzig' Wort davon lebendig blieb.
Doch was er hinwarf einst in müßiger
Stunde,
Das gibt von seinem Dasein heut' noch
Kunde.
Aeiltanzen, Klavierspiel — das heißt
jedermann
Eine wirkliche Kunst, weil cr's selber
nicht kann.
Doch Dichten? - Das ist ganz Ivas anderes,
Freund,
Weil jeder es selber zu können ver-
meint.
geachtet nian, wie so im Leben
Die Leut' in nnsruchtbarcm Fehden
Oft aneinander vorüberreden,
Da kann man cs ganz deutlich seh'n:
Die Sprache ist den Menschen gegeben,
Daß sie einander mißversteh' n.
Ko mancher lernt erst, wenn Beschwerde
Ihn niederdrückt, was in ihm steckt,
Weil die Berührung mit der Erde
Erst seine besten Kräfte weckt. «. w.
An der Art, wie die Menschen lachen,
erkennt man ihre Erziehung. Daran, wo-
rüber sie lachen, ihren Charakter.
R. AM.
Aeltsam, daß in dunkler Zeit
Reich das „Lichtspiel" rings gedeiht.
«r.
Denn dir der Zeitgeist nicht behagt,
Bekämpf' ihn frisch und unverzagt!
Doch komm', wahrst du auch deinen Platz,
Mit ihm nicht ganz in Gegensatz!
Das ist ein eisernes Gebot.
Denn, wer sich i m m e r isoliert
Und gänzlich den Kontakt verliert
Mit seiner Zeit, ist geistig tot.
®. <f. w.
Alte Liebe
rostet nicht, rostet die liebe Alte nicht.
pa»er.
Kohl dir, wenn dich das Leben belehrt hat
lind über wichtig und nichtig dich aufge-
klärt !
Sage mir nur, was für dich wert hat —
Und ich sag' dir, >vas du bist wert.
Älb. Roderich.
Die Opferlämmer.
^Maer Kegelklub „(3ut I70I3", der regelmäßig Montag abends in
der „Sonne" tagte, hatte heute eine wichtige Sitzung, denn
es galt, über die zweckmäßigste Anlage eines mühsam zusammen-
gekegelten Vereinsvermögens Beschluß zu fassen.
Die Stimmen für das Lest einer italienischen Nacht und für einen
Ausflug auf die Zugspitze hielten sich just die lvage, als Leni Stauf-
facher, Tochter des Auitsgerichtsrats und Kegelklubvorsitzenden in
den Saal trat.
Alles blickte gespannt auf sie, die eine Minute lang das Glück
auskostete, die Entscheidung über ein so bedeutendes Ereignis in
der pand zu haben.
„Natürlich — die Zugspitze!" sagte sie dann, einen fragenden
Blick auf den „Dichter" werfend, der anscheinend teilnahmslos ihr
gegenübersaß. Aber ein Aufleuchten in seinen Augen gab ihr die
Gewißheit, das „Richtige" getroffen zu haben.
Der lebhafte Protest der anderen verhallte wirkungslos; die
Entscheidung war gefallen, und daran war Leni Stauffacher schuld,
vergebens beteuerte der junge Doktor sowohl wie der Provisor,
die beide eine stille Verehrung für die „Tochter des Vereins" hegten,
daß sie nicht schwindelfrei seien und eine Besteigung der Zugspitze
für sie gleichbedeutend mit Selbstmord wäre.
Der alte Amtsgerichtsrat strich nachdenklich seinen wallenden
weißen Bart und lächelte heimlich ob dieser Heldenhaftigkeit der
beiden, deren stummes Iverben um seine Leni er bisher nicht ungern
sah, heute indes hatten sie viel bei ihm, wenn nicht alles verloren.
Da war der Dichter doch ein anderer Kerl l Freilich, als eine Partie
für seine Tochter kam er kaum in Frage, trotz der wunderbaren
Verse, die er oft nur aus dem Stegreif hervorzauberte. Und wie
der Amtsgerichtsrat einen Blick auf seine Tochter warf, die ganz
Auge und Dhr für den Dichter war, tat er eilten tiefen Seufzer
und stieg mächtig in die Kanne.
Die erste Rast der wanderlustigen fand ini „Lamnie" zu Gar-
misch statt, wo gleichzeitig die letzten Vorbereitungen zuni Aufstieg
am anderen Tage getroffen wurden. Die beiden Alxenfeinde ver-
sicherten sich noch am selben Tage der beiden stärksten Bergführer,
die aufzutreiben waren, und mehr als einmal traten sie an diesen,
Abend auf die Veranda hinaus, einen bangen Blick auf die in stiller
Majestät vor ihnen liegende Zugspitze werfend, deren schneegekröntcs
ljaupt ein letzter Sonnenstrahl auflohen ließ.
Der Dichter, wie in Vorahnung eines großen unfaßlichen Glückes,
stand traumversunken am Büfett, ein Gläschen roten Magdalcnen-
weines vor sich, als der Doktor zu ihn, trat.
Aus der halbgeöffneten Tür des Nebenzimmers klang fröhliche
Zithermusik, und der Dichter sah Leni nüt dem jungen Provisor
durch den Saal schweben. Da mußte er lächeln, denn ein verslein
war ihm eingefallen, das er einmal im Bozcner Batzenhäusl gelesen :
„IDo einer nicht in Gunst,
Bleibt alle Müh umsunst!" . . .
„wissen Sie auch, Doktor, wandte er sich dann an seinen
Rivalen, daß unser alter perr morgen seinen sechzigsten Geburts-
tag feiert?"
„Ach nee — was Sie sagen! Ihr Dichter wißt auch alles!"
„Ja, man sollte wirklich für eine hübsche Aufmerksamkeit zu
dieser inimerhin seltenen Gelegenheit sorgen. Ivas meinen Sie
zu einem Fläschchen jenes veritablen Sektes dort — anscheinend
Friedcnsware."
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Kein einzig' Wort davon lebendig blieb.
Doch was er hinwarf einst in müßiger
Stunde,
Das gibt von seinem Dasein heut' noch
Kunde.
Aeiltanzen, Klavierspiel — das heißt
jedermann
Eine wirkliche Kunst, weil cr's selber
nicht kann.
Doch Dichten? - Das ist ganz Ivas anderes,
Freund,
Weil jeder es selber zu können ver-
meint.
geachtet nian, wie so im Leben
Die Leut' in nnsruchtbarcm Fehden
Oft aneinander vorüberreden,
Da kann man cs ganz deutlich seh'n:
Die Sprache ist den Menschen gegeben,
Daß sie einander mißversteh' n.
Ko mancher lernt erst, wenn Beschwerde
Ihn niederdrückt, was in ihm steckt,
Weil die Berührung mit der Erde
Erst seine besten Kräfte weckt. «. w.
An der Art, wie die Menschen lachen,
erkennt man ihre Erziehung. Daran, wo-
rüber sie lachen, ihren Charakter.
R. AM.
Aeltsam, daß in dunkler Zeit
Reich das „Lichtspiel" rings gedeiht.
«r.
Denn dir der Zeitgeist nicht behagt,
Bekämpf' ihn frisch und unverzagt!
Doch komm', wahrst du auch deinen Platz,
Mit ihm nicht ganz in Gegensatz!
Das ist ein eisernes Gebot.
Denn, wer sich i m m e r isoliert
Und gänzlich den Kontakt verliert
Mit seiner Zeit, ist geistig tot.
®. <f. w.
Alte Liebe
rostet nicht, rostet die liebe Alte nicht.
pa»er.
Kohl dir, wenn dich das Leben belehrt hat
lind über wichtig und nichtig dich aufge-
klärt !
Sage mir nur, was für dich wert hat —
Und ich sag' dir, >vas du bist wert.
Älb. Roderich.
Die Opferlämmer.
^Maer Kegelklub „(3ut I70I3", der regelmäßig Montag abends in
der „Sonne" tagte, hatte heute eine wichtige Sitzung, denn
es galt, über die zweckmäßigste Anlage eines mühsam zusammen-
gekegelten Vereinsvermögens Beschluß zu fassen.
Die Stimmen für das Lest einer italienischen Nacht und für einen
Ausflug auf die Zugspitze hielten sich just die lvage, als Leni Stauf-
facher, Tochter des Auitsgerichtsrats und Kegelklubvorsitzenden in
den Saal trat.
Alles blickte gespannt auf sie, die eine Minute lang das Glück
auskostete, die Entscheidung über ein so bedeutendes Ereignis in
der pand zu haben.
„Natürlich — die Zugspitze!" sagte sie dann, einen fragenden
Blick auf den „Dichter" werfend, der anscheinend teilnahmslos ihr
gegenübersaß. Aber ein Aufleuchten in seinen Augen gab ihr die
Gewißheit, das „Richtige" getroffen zu haben.
Der lebhafte Protest der anderen verhallte wirkungslos; die
Entscheidung war gefallen, und daran war Leni Stauffacher schuld,
vergebens beteuerte der junge Doktor sowohl wie der Provisor,
die beide eine stille Verehrung für die „Tochter des Vereins" hegten,
daß sie nicht schwindelfrei seien und eine Besteigung der Zugspitze
für sie gleichbedeutend mit Selbstmord wäre.
Der alte Amtsgerichtsrat strich nachdenklich seinen wallenden
weißen Bart und lächelte heimlich ob dieser Heldenhaftigkeit der
beiden, deren stummes Iverben um seine Leni er bisher nicht ungern
sah, heute indes hatten sie viel bei ihm, wenn nicht alles verloren.
Da war der Dichter doch ein anderer Kerl l Freilich, als eine Partie
für seine Tochter kam er kaum in Frage, trotz der wunderbaren
Verse, die er oft nur aus dem Stegreif hervorzauberte. Und wie
der Amtsgerichtsrat einen Blick auf seine Tochter warf, die ganz
Auge und Dhr für den Dichter war, tat er eilten tiefen Seufzer
und stieg mächtig in die Kanne.
Die erste Rast der wanderlustigen fand ini „Lamnie" zu Gar-
misch statt, wo gleichzeitig die letzten Vorbereitungen zuni Aufstieg
am anderen Tage getroffen wurden. Die beiden Alxenfeinde ver-
sicherten sich noch am selben Tage der beiden stärksten Bergführer,
die aufzutreiben waren, und mehr als einmal traten sie an diesen,
Abend auf die Veranda hinaus, einen bangen Blick auf die in stiller
Majestät vor ihnen liegende Zugspitze werfend, deren schneegekröntcs
ljaupt ein letzter Sonnenstrahl auflohen ließ.
Der Dichter, wie in Vorahnung eines großen unfaßlichen Glückes,
stand traumversunken am Büfett, ein Gläschen roten Magdalcnen-
weines vor sich, als der Doktor zu ihn, trat.
Aus der halbgeöffneten Tür des Nebenzimmers klang fröhliche
Zithermusik, und der Dichter sah Leni nüt dem jungen Provisor
durch den Saal schweben. Da mußte er lächeln, denn ein verslein
war ihm eingefallen, das er einmal im Bozcner Batzenhäusl gelesen :
„IDo einer nicht in Gunst,
Bleibt alle Müh umsunst!" . . .
„wissen Sie auch, Doktor, wandte er sich dann an seinen
Rivalen, daß unser alter perr morgen seinen sechzigsten Geburts-
tag feiert?"
„Ach nee — was Sie sagen! Ihr Dichter wißt auch alles!"
„Ja, man sollte wirklich für eine hübsche Aufmerksamkeit zu
dieser inimerhin seltenen Gelegenheit sorgen. Ivas meinen Sie
zu einem Fläschchen jenes veritablen Sektes dort — anscheinend
Friedcnsware."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Gedanken Splitter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1920
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 152.1920, Nr. 3892, S. 100
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg