Fliegende Blätter (152.1920 (Nr. 3884-3909))

Viel bunte Strümpfe, fein und grob
Da ward das Wams ihm enge.

Einst schuf er Schuhe, klein und
schmucf,

Aus rotem Ziegenleder,

Und heißentflammt mit einem Ruck,
Griff er zu Tint’ und Feder.

Warf auf Papier ein Sprüchlein hin,
Im Schuh tief zu verstecken :

,,Du ahnst nicht, fremde Finderin,
Wie meine Küsse schmecken . .!“

Die Schuhe gingen in die Welt,

Fast hat er sie vergessen —

Da schallt Musik, em Wagen hält. .
O schönste der Prinzessen!

Sie schwenkt den Zettel in der Hand,
Den Seufzer jener Sohlen,

Und flüstert: ,,So, Du süßer Fant,
Ich will die Küsse holen !“

Bescheiden in Gewissensqual
Versucht er sich zu wehren.

Umsonst — er wurde Prinzgemahl
Und kam zu höchsten Ehren.

Viel hundert Jahre später las
Davon ein and’rer Schuster,

Der dachte froh: ,,Dies wäre was!“
Und nahm den Fall zum Muster.

Papier klebt er in jeden Schuh
Anstatt der Lederhäutlein —
Jedoch vergeblich immerzu
Erwartet er das Bräullein.

Vielmehr der Staatsanwalt schickt hin
Und läßt den Schwindler holen . . .
Ach, heute hat man keinen Sinn
Für solche Märchensohlen !

Krampus.