Der Döpfer
n einem leuchtenden Sommermorgen ging der Bildhauer
phidias frühzeitig über den Markt von Athen und freute
sich des bunten Treibens, das dort herrschte. Die PLndler
priesen ihre Gemüse, Früchte, Lebensmittel und Maren an. Käu-
ferinnen und Käufer suchten, feilschten und jammerten über die
hohen Preise, viele auch klatschten mit Bekannten und tauschten
ernste und frohe Neuigkeiten mit Lachen und Betrübnis.
Da sah der Künstler in einer Ecke ein altes Männchen sitzen,
das irdene Geschirre und Urnen feilbot. Sein Geschäft ging nicht
eben schlecht. Aber trotzdem wurde sein Gesicht immer schwer-
mütiger. . . Jeden Topf, den er verkaufte, begleitete er mit einem
tiefen Seufzer. Die Unruhe, in der er sich befand, schien zuzu-
nehmen, je höher die Sonne über den Markt Heraufstieg.
,,pör' Du!" sagte Phidias — der ihn eine Meile beobachtet
hatte, als gerade niemand vor dem Töpfer' stand. „Mas bedrückt
Dich? Dein Pandel blüht. Die Gbolen und Drachmen beginnen
sich schon in Deiner Geldschale zu häufen — aber Deine Miene
wird immer trauriger und qualvoller, was hast Du denn auf
dem Perzen?"
„(D1" antwortete der Alte und wischte sich eine Träne aus
dem Bart. „Ich bin hier an die elenden Scherben gefesselt —
unterdessen steht mein Sohn, der einen dumnien Streich gemacht
hat, allein mit seiner Jugend und Unbeholfenheit vor dem Richter
und wird sicher zu schwerer Strafe verurteilt werden. Könnte ich nur
eine Stunde hier los! Aber wir sind arme Leute und mein Weib
sieht sehr darauf, daß der Verdienst nicht mangelt, wenn ich bei
meinem Buben wäre. Ich weiß gewiß, ich würde seine Sache
so führen und alles in das rechte Licht stellen — denn man lernt
reden auf dem Markt — daß er mit einer geringen Strafe davon-
käme oder vielleicht gar mit einem strengen verweis durchschlüpfte."
„So geh!" riet Phidias. „Ich will Dich hier vertreten."
Der Töpfer blickte ihn verdutzt und mißtrauisch an. weil
ihm aber das treuherzige Gesicht des Unbekannten gefiel und seine
offene Art vertrauen einflößte, überwand er den Argwohn und
ließ sich mit Freude und Ungeduld auf den Pandel ein. Nur
schnell noch bezeichnete er ihm die Preise der einzelnen Waren, band
ihm mit dringenden Worten auf die Seele, ja kein Stück zu billig
wegzugebcn, und rannte spornstreichs und glücklich davon.
phidias setzte sich behaglich hinter den Töpferkram und harrte
der Kunden, die da kommen sollten. Aber das Geschäft ging
unter seinem neuen Inhaber sehr schlecht. Denn die Leute, die
bei dem Alten gekauft hatten, sahen jetzt einen fremden Mann dort
und wandelten gleichgültig an ihm vorüber.
Plötzlich jedoch bemerkte jemand, der Phidias kannte, daß der
berühmte Bildhauer hinter dem Geschirr saß. Der Entdecker dieser
raren Neuigkeit teilte sie einem Freunde mit. Drei oder vier Leute
sammelten sich in einiger Entfernung und beobachteten erstaunt
und bewundernd den großen Mann, der heute aus irgend einer
interessanten Laune heraus einfache Töpferwaren auf offenem Markte
feilbot. Andere gesellten sich dazu. Bald lief das Gerücht wie
ein Lauffeuer zwischen den Ständen und Buden hin und her und
schnell drängten und stießen sich nun die Käuferinnen und Käufer
um den Tisch und rissen dem schmunzelnden Künstler die waren
nur so weg, obwohl er dafür das Fünffache jener Preise forderte,
die ihm der Töpfer als recht und billig vorgcschrieben hatte.
wie das alte Männlein endlich freudestrahlend mit seinem
Sohn zurückkehrte, den er wirklich durch bewegliche Reden und
Bitten freigebracht hatte, da war Phidias ausverkauft und der
Stand leer.
„G Ihr Götter!" jammerte aber der Töpfer entsetzt, als er
das sah. „Ach ja, wenn ein Tag schon einmal schwarz sein soll,
dann bleibt er es trotz aller Plage. Nun habe ich mit schwerer
Mühe den Burschen da vor Strafe bewahrt und inzwischen ver-
schleudert mir hier ein leichtsinniger Schwachkopf meine Ware!
Denn wie anders könnten sonst einem unverständigen Menschen, der
weder Gewerbe noch Pandel kennt, die Töpfe und Urnen so unter
den Fingern weggeschmolzen sein!"
Da wies Phidias auf die Geldschale, die schwer und voll war
250
n einem leuchtenden Sommermorgen ging der Bildhauer
phidias frühzeitig über den Markt von Athen und freute
sich des bunten Treibens, das dort herrschte. Die PLndler
priesen ihre Gemüse, Früchte, Lebensmittel und Maren an. Käu-
ferinnen und Käufer suchten, feilschten und jammerten über die
hohen Preise, viele auch klatschten mit Bekannten und tauschten
ernste und frohe Neuigkeiten mit Lachen und Betrübnis.
Da sah der Künstler in einer Ecke ein altes Männchen sitzen,
das irdene Geschirre und Urnen feilbot. Sein Geschäft ging nicht
eben schlecht. Aber trotzdem wurde sein Gesicht immer schwer-
mütiger. . . Jeden Topf, den er verkaufte, begleitete er mit einem
tiefen Seufzer. Die Unruhe, in der er sich befand, schien zuzu-
nehmen, je höher die Sonne über den Markt Heraufstieg.
,,pör' Du!" sagte Phidias — der ihn eine Meile beobachtet
hatte, als gerade niemand vor dem Töpfer' stand. „Mas bedrückt
Dich? Dein Pandel blüht. Die Gbolen und Drachmen beginnen
sich schon in Deiner Geldschale zu häufen — aber Deine Miene
wird immer trauriger und qualvoller, was hast Du denn auf
dem Perzen?"
„(D1" antwortete der Alte und wischte sich eine Träne aus
dem Bart. „Ich bin hier an die elenden Scherben gefesselt —
unterdessen steht mein Sohn, der einen dumnien Streich gemacht
hat, allein mit seiner Jugend und Unbeholfenheit vor dem Richter
und wird sicher zu schwerer Strafe verurteilt werden. Könnte ich nur
eine Stunde hier los! Aber wir sind arme Leute und mein Weib
sieht sehr darauf, daß der Verdienst nicht mangelt, wenn ich bei
meinem Buben wäre. Ich weiß gewiß, ich würde seine Sache
so führen und alles in das rechte Licht stellen — denn man lernt
reden auf dem Markt — daß er mit einer geringen Strafe davon-
käme oder vielleicht gar mit einem strengen verweis durchschlüpfte."
„So geh!" riet Phidias. „Ich will Dich hier vertreten."
Der Töpfer blickte ihn verdutzt und mißtrauisch an. weil
ihm aber das treuherzige Gesicht des Unbekannten gefiel und seine
offene Art vertrauen einflößte, überwand er den Argwohn und
ließ sich mit Freude und Ungeduld auf den Pandel ein. Nur
schnell noch bezeichnete er ihm die Preise der einzelnen Waren, band
ihm mit dringenden Worten auf die Seele, ja kein Stück zu billig
wegzugebcn, und rannte spornstreichs und glücklich davon.
phidias setzte sich behaglich hinter den Töpferkram und harrte
der Kunden, die da kommen sollten. Aber das Geschäft ging
unter seinem neuen Inhaber sehr schlecht. Denn die Leute, die
bei dem Alten gekauft hatten, sahen jetzt einen fremden Mann dort
und wandelten gleichgültig an ihm vorüber.
Plötzlich jedoch bemerkte jemand, der Phidias kannte, daß der
berühmte Bildhauer hinter dem Geschirr saß. Der Entdecker dieser
raren Neuigkeit teilte sie einem Freunde mit. Drei oder vier Leute
sammelten sich in einiger Entfernung und beobachteten erstaunt
und bewundernd den großen Mann, der heute aus irgend einer
interessanten Laune heraus einfache Töpferwaren auf offenem Markte
feilbot. Andere gesellten sich dazu. Bald lief das Gerücht wie
ein Lauffeuer zwischen den Ständen und Buden hin und her und
schnell drängten und stießen sich nun die Käuferinnen und Käufer
um den Tisch und rissen dem schmunzelnden Künstler die waren
nur so weg, obwohl er dafür das Fünffache jener Preise forderte,
die ihm der Töpfer als recht und billig vorgcschrieben hatte.
wie das alte Männlein endlich freudestrahlend mit seinem
Sohn zurückkehrte, den er wirklich durch bewegliche Reden und
Bitten freigebracht hatte, da war Phidias ausverkauft und der
Stand leer.
„G Ihr Götter!" jammerte aber der Töpfer entsetzt, als er
das sah. „Ach ja, wenn ein Tag schon einmal schwarz sein soll,
dann bleibt er es trotz aller Plage. Nun habe ich mit schwerer
Mühe den Burschen da vor Strafe bewahrt und inzwischen ver-
schleudert mir hier ein leichtsinniger Schwachkopf meine Ware!
Denn wie anders könnten sonst einem unverständigen Menschen, der
weder Gewerbe noch Pandel kennt, die Töpfe und Urnen so unter
den Fingern weggeschmolzen sein!"
Da wies Phidias auf die Geldschale, die schwer und voll war
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Töpfer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1920
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 152.1920, Nr. 3906, S. 250
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg