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Als er nachträglich von der Presse wegen der sittlichen Anrüchigkeit
des Stückes und der Unbedeutendheit des Verfassers angegriffen
wurde, verteidigte er sich mit Recht, er hätte das Stück nicht ge-
kannt und den Namen des Verfassers nicht gewußt. Und der Name
hätte „Überhaupts" nichts zur Sache.

In der freiwilligen Feuerwehr Schnuxfendaxendorf (das ist
meine bfeimatstadt) brachte er den Antrag ein, man möchte in
Zukunft zu den Übungen statt mit lfelmen mit Schlafhauben aus-
rücken, der aber nicht durchging, wegen der Ironie, die dahinter
stecke. Joachim konnte trotz aller Mühe nichts finden.

Dann verlegte er sich auf die Iungfrauenkongregation, wurde
aber nach dem ersten Punkt seines Reformprogramms, der einen
weiblichen Präses forderte, aus dem Saal gew—iefen.

Daraufhin zog sich Joachim Schnurrig ins Privatleben zurück.
Als er nach langer Zeit wieder ausging, war er zwar kein ange-
sehener Mann mehr, aber alles gaffte ihn groß an: fein Kopf hatte
sich noch weiter verrückt und sich in den einsamen Tagen ebenfalls
zurückgezogen.

Müd ging er heim. Die Mißachtung konnte er nicht vertragen.
Er fing zu grübeln an: Haben die Leute recht, Hab' ich recht . . .?

Die Reste des angesehenen Mannes verlangten Abstimmung.
Er stimmte ab und fand sich allein, Was tun, als sich selbst ver-
achten? Ersah sich bereits über die Achsel an: Du bist ein Wurm,
ein Elender. — — Mit einem gewaltigen Ruck riß er sich noch
weiter zurück. Trotzen wollte er ihnen, trotzen allen.

Mit Leidenschaft liebte er nun seinen Trotz und warf das
Buch „Wie werde ich ein guter Gesellschafter" hohnlachend in
die Kehrichttonnc. Mit diesem Wurf sah er das Groteske, Gran-
diose seiner Lage ein: hatte nicht er das Recht, die Welt schief
anzuschauen, zu verachten über die Achsel weg? Konnte er das
nicht?

Er konnte es. Immer extremer wurde er im Umstürzen, Ver-
neinen. Mit mephistophelischer Gebärde tat er ein letztes und —
der Kopf saß im Nacken. Er jauchzte, jubelte, brüllte Lhoräle in
seine Verlassenheit: ihm war's gelungen, er hatte die Welt aus
den Angeln gehoben, er hatte die Welt von der Kehrseite. Denn
er war die Welt.

In immer neuen Variationen dieses Themas erging er sich,
wenn ihm auf den Straßen die Leute nachliefen, dann triumphierte
er: seht, sie stiehen mich. Wenn er sich aber am Morgen schlaf-
trunken sein Gesicht wusch, freute er sich, daß ihm auf der Platte
wieder Haare wuchsen und streichelte dabei seinen Schnurrbart.

Doch das Verhängnis kam. Er schritt durch die Straßen. Da
hörte er hinter sich einen allerliebsten Schrei. Er erschrak und —
Himmel, er wußte nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Gewaltsam
riß er ihn nach links. Das Verhängnis war vorbei und Joachim
dachte nichts weiter dabei, bis er eines Tages seinen Drden wieder
über die Achsel sah. Zuerst über die Achsel, dann immer mehr von
vorn. Brausende Akkorde aus vergangenen Tagen brachen auf,
der Kopf wandelte, wanderte...

Joachim fand das ganz in der Grdnung und folgte dem Ruf.
Nur eins ist ihm bis heute noch nicht klar und er grübelt darüber:
daß ihm jetzt der Kopf nach rechts steht, obwohl er immer konse-
quent nach links gewandert war . . .

Doch der Sturm wird sich legen mit der Aussicht auf den
geraden Kopf und damit auf den angesehenen Mann.

Jedesmal, wenn er an meinem Fenster vorbeigeht, nicke ich ihm
.freundlich zu und denke dabei einen kleinen Gedanken: Du . . .

Doch der ist nicht druckreif.

Gb die Geschichte wahr ist? Wahr auf jeden Fall, möglich
allerdings nur in Schnupfendarendorf.

Bskrir Kroll.

Pechzig Zahre werb' ich Heuer-",
Sagt der- Herr Direktor Leier-,
Den scho' lang bas Zipper! plagt,

„Onb bann geh' f“, hat er- g’fagt.

Zum Geburtstag war- a Essen —
vlnd bann hat er- b'r-aus vergehen.
Pflichtgefühl, bas macht sl' guat,

Mann nta fo fast nix mehr tuat.

Ins Büro um zehne hatschen,

Da unb bort a vißl ratschen,

Dann sein' Damen b'runterschmier'n,

Unb (sein' Baud)) repräsentiert I

's nächste (sahr — ber gleiche Schwrnbel.
Immer meinst, er schnürt sei' Bünbel,

Unb bann bleibt er g'rab' erst recht,

Well er's neamb vergSnna mScht'.

Bünfasechzig sinb verflossen
Unb er bleibt halt, unverbrossen.

Hoff' ma. bis er siebzig is,

And bann is's no' lang net g'witz.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Unsterblich"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1920
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 152.1920, Nr. 3908, S. 273

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