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Da kam der vereinsdiencr umfragend: „Gehört jemand diese Reise-
tasche?" — „ksurrah I" riefen wir, unsere Tasche! Das haben Sie
schlau gemacht, Ldenhofer!" Der Diener schien das Lob nicht recht
zu verstehen und meinte, wir sollten ihm nun „die andere" dafür
geben.-- Nun ging uns eine tausendkerzige Bsmo auf: Je-

mand hatte am Bahnsteig aus versehen unsere Tasche mitge-
nommen und seine dafür stehen lassen! Das nenne ich Nächsten-
liebe! „lver hat Ihnen denn die Tasche hier gegeben, Ldenhofer?"

„Der Herr Kommerzienrat Müller; das heißt seiner Tochter
gehört die andere eigentlich." Uns beiden gab's einen Riß (Nieder-
meyer gab's den stärkeren). Schicksalsfäden I Fortuna lächelt! Die
Brücke ist gesunden! „wir werden zu Kommerzienrats Vorkommen
und die Sache aufklären, Ldenhofer I"

Niedermeyer beschwor mich, meine Tasche für seine auszugeben
und ihn nur machen zu lassen. Dann bettelte er mir den Zwetschgen-
kuchen ab; er brauchte ihn als „sinnfälligen Anknüpfungspunkt und
Sühnopfer", wie er sagte. Ich mußte mitgehen zu Müllers. Der
„Schwabinger" lehnte in der Lcke und schlief, als echter Nacht-
vogel. Also alles ging nach Wunsch.

Niedermeyer klärte in wohlgesetzten Worten den Sachverhalt
auf, machte sich ganz klein und häßlich, sichte zerknirscht um Ver-
gebung und bat, als schwaches Zeichen rc., den Zwetschgenkuchen
huldvollst entgegennehmen zu wollen. Der wurde geteilt und so kam
ich wenigstens auch zu einem bescheidenen Stückchen. Bald war man
in fröhlichster Unterhaltung. Niedermcyer berichtete auch, daß die
Tasche schon unterwegs sei; er lasse es sich nicht nehmen, sie am
nächsten vormittag persönlich gewissenhaft an die schöne Ligen-
tümerin abzuliefern. Damit hätte er also schon den Fuß über die
Schwelle der nun wirklich Angebeteten gesetzt! Müllers wider-
sprachen nicht. Blondinchen machte ihm nur zur Pflicht, die Tasche
ja nicht zu öffnen; Niedermeyer wies den leisesten Gedanken an
eine solche Handlung weit von sich — so gern er etwas hinein-
gezaubert hätte, wenn's möglich gewesen wäre.

wir blieben den Tag über beisammen, besichtigten Dinkels-

bühl, Nördlingen, das heißt Niedermeyer, besichtigte den Locken-
kops. Ich hatte die Aufgabe, den schillernden Kometen aus Schwa-
bing aus seiner Bahn zu lenken und unschädlich zu machen, was
mir auch mit Aufgebot aller teuflischen Künste gelang. Als wir
spät abends in München ankamen und uns von Müllers herzlich
verabschiedeten, konnte Niedermeyer es sich nicht versagen zu ge-
stehen, daß die Reue über seine Ungeschicklichkeit ganz wesentlich
gemildert werde durch die Freude, auf diese Meise die Bekannt-
schaft einer so reizenden rc. rc.

Als ich heimkam, schlief meine Frau bereits; und am nächsten
Morgen, etwas spät, weckte sie mich mit der Mitteilung, meine
Tasche sei mit der Post soeben angekommen; fragte, ob ich einen
Damenfriseurladen ausgeplündert hätte: Frisiermantel, Brcnnschere
mit Spiritussiamme, ein Dutzend Dosen mit Lreme, Puder, ver-
schiedene Malutensilien, Instrumentarium für Manikür und pedi-
kür, eine Reihe Flaschen mit Haarwasser usw.

Lachend gab ich Aufklärung über die ganze verwickelte Ge-
schichte. Um zehn Uhr kam Niedermeyer, frisch gebügelt, aus einer
Haarkunstanstalt, um die Tasche zu holen. „Du hast versprochen
sic nicht zu öffnen", sagte ich trocken. „Meine Frau hat sie aus
versehen geöffnet, und es war gut so." Ich konnte mich nicht
zurückhalten, wenigstens eine Flasche ans Licht zu ziehen und
ihm höhnisch grinsend unter die Nase zu halten, darauf stand:
„Wasserstoffsuperoxyd"! Niedermeyer erbleichte und schickte die
Tasche, mit einer Entschuldigung wegen Unwohlseins, durch einen
Dienstmann an Frau Kommerzienrat Müller. 01. tz-g-rl.

A »zeige.

Diejenige Person, welche am vergangenen Sonntag
in der Vorortbahn meinen Mann aus dem Gepäcknetz ent-
wendete, ist erkannt und wird ersucht, denselben sofort abzu-
liefern, widrigenfalls Anzeige erfolgt. Asta Nudeltopf.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Was sitzt denn da an der Schreibmaschine?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kirchner, Eugen
Entstehungsdatum
um 1920
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1930
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Sekretärin <Motiv>
Mann <Motiv>
Kollege
Lästern
Schreibmaschine

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 153.1920, Nr. 3930, S. 171

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