Am Stammtisch
im „Blauen Gchsen"
hatten sie's heute mit
der Hypnose. Jeder
wußte Wunderdinge
zu erzählen, die er ge-
lesen oder gar selbst
miterlebt hatte. Nur
der Forstmeister machte
ein ungläubiges Ge-
sicht. ließ seine lustigen
Äuglein spazierenge-
hen und schmunzelte
vergnügt, wenn er sei-
nen fleißig befeuchte-
ten Bart wischte.
„Ich Hab' auch
mal eine hypnotische
Sitzung mitgemacht."
begann er jetzt mit
ernster Miene, „spitzen
S' nur die Ghren.
meine Herrn I Geh'
ich da neulich mit mei-
nem famosen Türkei
in den Wald, um mir
ein Sonntagsbratl zu holen. Den ganzen vormittag bin ich herum-
gestolpert. kei' Schwanzerl Hab' ich g'seheu. Schwül war's, niüd'
war ich; denk' ich: Tust mal frühstücken! Der Türkei hat auch
uir dagegen g'habt. die Jung' ist ihni schon langmächtig 'raus-
g'hängt. Neben mir hat er sich hing'setzt ins Gras im Schatten.
Mit einem Mal seh' ich. wie er wütend auffahrt und dann wie
versteinert stehen bleibt, einige Schritt' vor mir. Ich specht' ganz
stad um den Baum herum in der Richtung, wo der Türkei
immer noch kerzengradaus hinstarrt. Ich trau' meinen Augen
nicht, wie ich da —
ganz nah' vor uns
einen Mordshasen seh',
der meiuen Türkei ganz
merkwürdig fixiert und
mit den Vorderläufen
allerlei Laxen macht.
Es war mir gleich
klar: es war eine regel-
rechte Hypnose.
Ich Hab' mich
nicht gerührt und nicht
gemuckst, war doch zu
neugierig, was denn
nun weiter g'schieht.
Nein Türkei steht
immer noch da wie
eine Stuudsäul'n, da
geht der Has mit
einem letzten stechen-
den Blick auf die halb-
leere Weinflaschen zu,
die ich vorher nebenan
in ein Bächerl zum
Rühlcn gestellt Hab'.
Er packt mit aller
Seelenruh' die Flasche, setzt an. macht einen langen Zug um
den andern, schleckt und schmatzt, wischt sich die Schnauze ab,
feuert die leere Flasche in den Bach hinein. daß es nur so
patscht hat. schaut nochmal befriedigt auf den versteinerten Türkei
her und hoppelt davon, mit der Blume grüßend, als wollt' er
sagen: . . . „Auf Wiederseh'ul" Mein Türkei war noch steif wie
ein g'frorner Bock. Nur ein leises Zittern in der Rute hat ver-
raten, daß noch Leben in ihm war. Über eine Stund' Hab' ich ge-
braucht, bis ich durch streichen und Walken und Zureden den
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im „Blauen Gchsen"
hatten sie's heute mit
der Hypnose. Jeder
wußte Wunderdinge
zu erzählen, die er ge-
lesen oder gar selbst
miterlebt hatte. Nur
der Forstmeister machte
ein ungläubiges Ge-
sicht. ließ seine lustigen
Äuglein spazierenge-
hen und schmunzelte
vergnügt, wenn er sei-
nen fleißig befeuchte-
ten Bart wischte.
„Ich Hab' auch
mal eine hypnotische
Sitzung mitgemacht."
begann er jetzt mit
ernster Miene, „spitzen
S' nur die Ghren.
meine Herrn I Geh'
ich da neulich mit mei-
nem famosen Türkei
in den Wald, um mir
ein Sonntagsbratl zu holen. Den ganzen vormittag bin ich herum-
gestolpert. kei' Schwanzerl Hab' ich g'seheu. Schwül war's, niüd'
war ich; denk' ich: Tust mal frühstücken! Der Türkei hat auch
uir dagegen g'habt. die Jung' ist ihni schon langmächtig 'raus-
g'hängt. Neben mir hat er sich hing'setzt ins Gras im Schatten.
Mit einem Mal seh' ich. wie er wütend auffahrt und dann wie
versteinert stehen bleibt, einige Schritt' vor mir. Ich specht' ganz
stad um den Baum herum in der Richtung, wo der Türkei
immer noch kerzengradaus hinstarrt. Ich trau' meinen Augen
nicht, wie ich da —
ganz nah' vor uns
einen Mordshasen seh',
der meiuen Türkei ganz
merkwürdig fixiert und
mit den Vorderläufen
allerlei Laxen macht.
Es war mir gleich
klar: es war eine regel-
rechte Hypnose.
Ich Hab' mich
nicht gerührt und nicht
gemuckst, war doch zu
neugierig, was denn
nun weiter g'schieht.
Nein Türkei steht
immer noch da wie
eine Stuudsäul'n, da
geht der Has mit
einem letzten stechen-
den Blick auf die halb-
leere Weinflaschen zu,
die ich vorher nebenan
in ein Bächerl zum
Rühlcn gestellt Hab'.
Er packt mit aller
Seelenruh' die Flasche, setzt an. macht einen langen Zug um
den andern, schleckt und schmatzt, wischt sich die Schnauze ab,
feuert die leere Flasche in den Bach hinein. daß es nur so
patscht hat. schaut nochmal befriedigt auf den versteinerten Türkei
her und hoppelt davon, mit der Blume grüßend, als wollt' er
sagen: . . . „Auf Wiederseh'ul" Mein Türkei war noch steif wie
ein g'frorner Bock. Nur ein leises Zittern in der Rute hat ver-
raten, daß noch Leben in ihm war. Über eine Stund' Hab' ich ge-
braucht, bis ich durch streichen und Walken und Zureden den
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Hypnose im Wald"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 154.1921, Nr. 3945, S. 74
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg