Das Rätsel. Mißverstanden.
Abend in einer Industriestadt des
Westens. Es ist Lohntag, und melodischer
Gesang junger Burschen, die ihr Geld am
vorteilhaftesten in einem gehörigen Rausch
anzulegen glauben, tönt durch die abend-
dunklen Straßen und beunruhigt eine ge-
wissenhafte Polizeistreife, die soeben eine
stille Straße kreuzt. Da gewahrt einer der
Beamten ein dunkles Etwas aus den
Schienen der Straßenbahn. Die Herren treten
näher. Es ist ein Mensch, der da quer
über den Schienen liegt und unter jedem
Arm ein Brot hält. Natürlich fragen die
Beamten den seltsanien Mann, was er denn
da auf dem Straßcnbahngeleis tue und
warum er nicht aufstehe. Dumpfes Schwei-
gen des Gefragten ist die Antwort. Die
Polizeistreife aber hat eine ernste Berufs-
auffassung, sie weiß, daß sie den Mann
auf keinen Fall hier liegen lassen darf.
Im Tone zärtlicher Besorgnis wird die
Frage daher erneuert. Endlich reagiert der
Mann und gibt schwermütig zu verstehen,
daß er das Leben in diesen: irdischen Ianimer-
tal satt habe und sich daher mittels der
Straßenbahn in das bessere Jenseits be-
fördern lassen wolle. Kurz. er wolle tot ge-
fahren sein und werde daher bleiben, wo
er sich augenblicklich befinde. Die Beamten
sind erschüttert, und einer, der des Lebens
Last auch zu würdigen weiß, äußert irt /
weiser Erkenntnis, man könne es verstehen,
wenn heute jemand lebensmüde werde, er
wundere sich nur darüber, warum er. der
Selbstmordkandidat. dann noch in jedem
Arm ein Brot habe!
Da erhebt sich der rätselhafte Mensch,
schaut den Fragenden aus großen, tief-
gründigen Augen. die kaum noch etwas Dies-
seitiges an sich haben, prophetisch an und
gibt folgende denkwürdige Worte von sich:
„Ja. glauben Sie denn, ich will verhungern,
bis die nächste Straßenbahn kommt?!"
Was hierauf folgte, lieber Leser, willst
du wissen.? Nun cs wird erzählt: Die Poli-
zeistreife ergriff mit gesträubten paaren
die Flucht und zwei Straßenbahndirektoren
sollen sich seit diesem Vorfall selber ernst-
lich mit Selbstmordgedanken tragen, so daß
die Straßenbahnkommission bereits eine
dringende Sitzung anberaumt hat. um den
beiden Herren ein außerordentliches Ver-
trauensvotum auszustellen, damit sie wieder
auf Normalspur kommen. — „Diese Stadt
im Westen scheint sehr schlechte Straßen-
bahnverbindungen zu haben", meinte mein
Freund Kunibert Schnellgeist nach längerem
Grübeln nachdenklich, als ich ihm die vor-
stehende Geschichte erzählt hatte.
Albert Gocht.
„Schämst Du Dich nicht, Michl, eben
kommst Du von der Beichte und da kehrst
Du auf dem Heimweg schon wieder ein!"
— „Hat ja der Pfarrer g'sagt, ich soll Ein-
kehr halten."
ver Philosoph.
Oer Wirt hat drei Wadeln,
Oie möchten an Wo'.
Oer Simmerl, der pürscht st'
Scho' lang dorten o'.
Ja, zwoa fand bildsauber,
Dom Fuast bis zum tropf,
Oie dritte hat plattfüast',
Falsche Lahn' und an Drops.
Ilm die sreit der Simmerl —
Warum grad um die?
,Wei', sagt er, .die Schönheit
Zs eh' bald dahi'.
Hab' liaba a schiache,
Oie dös all's scho' hat,
Was and'vs ja do' kriag'n
Dber sruah oder spat.
lind abbusseln tua i' s'
Zn stockstnst'rer Dacht;
Oa ko' s' no' so wüascht sei
Weil's nacha nix macht.
Wa' sagt aa', dast braver
kl schiach's Weiberl waar'.
Oie schönern druckt d' Hofsart,
lind d' Tugend iS rar.'
.Respekt', sag' i', .Simmerl,
Hist a richtiger Wo',
flti so m Philosophen,
Do' net leicht was o'.'
Was hör' i' da neuligs?
Za schaug, dös is g'wandl.
Ls hat di« wüast' Ilrfchel
Echwaar g erbt vo' ra Taut !
L'weg'n dem hak er s' g'heirat't,
Oa wett' i' mein'n Dops.
klber uns hat er's net g'sagt,
Oer scheinheiti' Tropf! ^
Boshaft.
©cd: „Denken Sie sich nnr, Gnädigste,
in der Schaubude war ein rauchender Asse
zu sehen!" — Herr: „So, haben Sie Ihre
Zigarre nicht ausgehen lassen?"
41 ns einem Hcfteroman.
Stürmisch drückte er die Geliebte an
sich. (Nachdruck strengstens nerboteie)
52
Abend in einer Industriestadt des
Westens. Es ist Lohntag, und melodischer
Gesang junger Burschen, die ihr Geld am
vorteilhaftesten in einem gehörigen Rausch
anzulegen glauben, tönt durch die abend-
dunklen Straßen und beunruhigt eine ge-
wissenhafte Polizeistreife, die soeben eine
stille Straße kreuzt. Da gewahrt einer der
Beamten ein dunkles Etwas aus den
Schienen der Straßenbahn. Die Herren treten
näher. Es ist ein Mensch, der da quer
über den Schienen liegt und unter jedem
Arm ein Brot hält. Natürlich fragen die
Beamten den seltsanien Mann, was er denn
da auf dem Straßcnbahngeleis tue und
warum er nicht aufstehe. Dumpfes Schwei-
gen des Gefragten ist die Antwort. Die
Polizeistreife aber hat eine ernste Berufs-
auffassung, sie weiß, daß sie den Mann
auf keinen Fall hier liegen lassen darf.
Im Tone zärtlicher Besorgnis wird die
Frage daher erneuert. Endlich reagiert der
Mann und gibt schwermütig zu verstehen,
daß er das Leben in diesen: irdischen Ianimer-
tal satt habe und sich daher mittels der
Straßenbahn in das bessere Jenseits be-
fördern lassen wolle. Kurz. er wolle tot ge-
fahren sein und werde daher bleiben, wo
er sich augenblicklich befinde. Die Beamten
sind erschüttert, und einer, der des Lebens
Last auch zu würdigen weiß, äußert irt /
weiser Erkenntnis, man könne es verstehen,
wenn heute jemand lebensmüde werde, er
wundere sich nur darüber, warum er. der
Selbstmordkandidat. dann noch in jedem
Arm ein Brot habe!
Da erhebt sich der rätselhafte Mensch,
schaut den Fragenden aus großen, tief-
gründigen Augen. die kaum noch etwas Dies-
seitiges an sich haben, prophetisch an und
gibt folgende denkwürdige Worte von sich:
„Ja. glauben Sie denn, ich will verhungern,
bis die nächste Straßenbahn kommt?!"
Was hierauf folgte, lieber Leser, willst
du wissen.? Nun cs wird erzählt: Die Poli-
zeistreife ergriff mit gesträubten paaren
die Flucht und zwei Straßenbahndirektoren
sollen sich seit diesem Vorfall selber ernst-
lich mit Selbstmordgedanken tragen, so daß
die Straßenbahnkommission bereits eine
dringende Sitzung anberaumt hat. um den
beiden Herren ein außerordentliches Ver-
trauensvotum auszustellen, damit sie wieder
auf Normalspur kommen. — „Diese Stadt
im Westen scheint sehr schlechte Straßen-
bahnverbindungen zu haben", meinte mein
Freund Kunibert Schnellgeist nach längerem
Grübeln nachdenklich, als ich ihm die vor-
stehende Geschichte erzählt hatte.
Albert Gocht.
„Schämst Du Dich nicht, Michl, eben
kommst Du von der Beichte und da kehrst
Du auf dem Heimweg schon wieder ein!"
— „Hat ja der Pfarrer g'sagt, ich soll Ein-
kehr halten."
ver Philosoph.
Oer Wirt hat drei Wadeln,
Oie möchten an Wo'.
Oer Simmerl, der pürscht st'
Scho' lang dorten o'.
Ja, zwoa fand bildsauber,
Dom Fuast bis zum tropf,
Oie dritte hat plattfüast',
Falsche Lahn' und an Drops.
Ilm die sreit der Simmerl —
Warum grad um die?
,Wei', sagt er, .die Schönheit
Zs eh' bald dahi'.
Hab' liaba a schiache,
Oie dös all's scho' hat,
Was and'vs ja do' kriag'n
Dber sruah oder spat.
lind abbusseln tua i' s'
Zn stockstnst'rer Dacht;
Oa ko' s' no' so wüascht sei
Weil's nacha nix macht.
Wa' sagt aa', dast braver
kl schiach's Weiberl waar'.
Oie schönern druckt d' Hofsart,
lind d' Tugend iS rar.'
.Respekt', sag' i', .Simmerl,
Hist a richtiger Wo',
flti so m Philosophen,
Do' net leicht was o'.'
Was hör' i' da neuligs?
Za schaug, dös is g'wandl.
Ls hat di« wüast' Ilrfchel
Echwaar g erbt vo' ra Taut !
L'weg'n dem hak er s' g'heirat't,
Oa wett' i' mein'n Dops.
klber uns hat er's net g'sagt,
Oer scheinheiti' Tropf! ^
Boshaft.
©cd: „Denken Sie sich nnr, Gnädigste,
in der Schaubude war ein rauchender Asse
zu sehen!" — Herr: „So, haben Sie Ihre
Zigarre nicht ausgehen lassen?"
41 ns einem Hcfteroman.
Stürmisch drückte er die Geliebte an
sich. (Nachdruck strengstens nerboteie)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Belauscht"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1923
Entstehungsdatum (normiert)
1918 - 1928
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 159.1923, Nr. 4072, S. 52
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg