Der Weiher.
Ls wird schon dunkel in der Stube. Kaum daß die Bäuerin noch
zu sehen ist mit ihrem Strickgeschirr auf der Gfenbank. Das Ave-
Glöckcrl schwingt grad aus und schon schauen die ersten Stern-
derln durch die Milchstraße hindurch, wie lachende Ainderguckerln
durch ein spinn-
wcbfeines Lenster-
vorhangl.
An den ge-
schaftelndcn Strick-
nadeln hängt ein
halbfertiges Bu-
benstrünipsi. So
ein wadenhoserl
eigentlich, wie man
es trägt, drinnen
zwischen den Berg-
wänden. Lür den
Lranzl werden sie
gewerkclt, für den
einzigen kjosenträ-
trä auf dem fjof.
Lr ist aber heut
noch gar nicht in
der Stube, der kjeu-
Hupfer, war fest
eingespannt den
ganzen Tag. wenn
die Dreschmaschine
geht, istjedes Läuft!
nötig und die ganze
Nachbarschaft muß
zusammengreifen.
Und der Stroh-
staub juckt — und
drum ist er spät
noch zum Baden,
der Franz, mit den
Unechten und Mäg-
den. Drunten am
Unie, wo der Bach
sich staut und aus-
breitet und daliegt
wie ein großer, ge-
räumiger Weiher.
Braun und un-
heimlich.
Der kjarthofer
wettert, wie er
seinen Buben noch
nicht in der Stube
findet. „Do drunt
is der Bach krauti'
und dös wickelt si'
um d' Füaß' und ziahgt di' nunter. kiockt der Teuft auf 'm
Grund an der Stell'!"
Lr geht ans Lenster und pfeift dem alten Simon zum Stall
hinüber.
„Geh am Weiher nunter, zum Franz! Lr soll glei'hoam, auf
der Stell'!" Und brummelt und hockt sich zur Tischlampe und wirft
den 6ut in die Lcke. Aber hinten ani Dfen klingeln die Strick-
nadeln weiter, schön gleichmäßig, als ob gar nichts wär.
„vagunn eahm halt die Freud!"
„von dem koa Red — aber wenn ma so an Büabl all's hingeh'n
laßt, dann wird's
starr und höckrig
wiar a Bäuml, dös
ma als a Aloancr
aufz'bind'n verges-
sen hat. Und der
Weiher is grund-
krauti und dös
hängt si' an d'
weiter kam er
nicht mehr mit sei-
ner predigt.
„Bauer!" schreit
ein Weiberleut über
den lsof. Und jetzt
rumpelt die Türe
auf und die Urschl,
die erste Dirn, steht
in der Stub'n, packt
sich selber an der
Brust vorAtemnot,
sperrt den Mund
weit mächtig auf
und bringt doch
bloß etliche wort-
brocken über die
Lippen: „Bau—r I
Da Fr-anzl —"
Der lsarthofcr
schnellt in die ksöh'.
„wos is's?!" -
Und weil die Dirn
nicht weiter spricht,
packt er sie an den
Armen und schüt-
telt sic her wie ei»
Zwetschgenbäuml.
„Red'n sollst, sag'
wie ein När-
rischer schreit er,
seine Kaumuskeln
zittern und die
Schlagadern lau-
fen ihm auf wie
Geißelstrick l Und
wieder trampelt cs
über den bfof. . .
Männer und wei-
bcr schreien ineinander, ein ganzer Knäuel erregter Menschen drängt
sich in die Stub'n. voran der Simon mit dem Franzi, den er
trägt und dem die Arme! hcruntcrhängen wie leere Rockärmeln.
„Untergängen is er, aber da Adem geht eahm no'l"
Der kjartbauer rennt auf den Anecht los und reißt ihni das Büabl
aus den Fäusten, wild und wütig, wie ein gestohlenes Eigentum.
N a i v.
Apotheker: „Gift darf ich Ihnen nicht verkaufen. Fräulein, da müssen Sic einen Gift-
schein beibringen!" — Dienstmädchen (schluchzend): „Ja, wo soll ich den hcrkriegen — ge-
nügt nicht dieser Absagebrief von meinem Bräutigam?"
78
Ls wird schon dunkel in der Stube. Kaum daß die Bäuerin noch
zu sehen ist mit ihrem Strickgeschirr auf der Gfenbank. Das Ave-
Glöckcrl schwingt grad aus und schon schauen die ersten Stern-
derln durch die Milchstraße hindurch, wie lachende Ainderguckerln
durch ein spinn-
wcbfeines Lenster-
vorhangl.
An den ge-
schaftelndcn Strick-
nadeln hängt ein
halbfertiges Bu-
benstrünipsi. So
ein wadenhoserl
eigentlich, wie man
es trägt, drinnen
zwischen den Berg-
wänden. Lür den
Lranzl werden sie
gewerkclt, für den
einzigen kjosenträ-
trä auf dem fjof.
Lr ist aber heut
noch gar nicht in
der Stube, der kjeu-
Hupfer, war fest
eingespannt den
ganzen Tag. wenn
die Dreschmaschine
geht, istjedes Läuft!
nötig und die ganze
Nachbarschaft muß
zusammengreifen.
Und der Stroh-
staub juckt — und
drum ist er spät
noch zum Baden,
der Franz, mit den
Unechten und Mäg-
den. Drunten am
Unie, wo der Bach
sich staut und aus-
breitet und daliegt
wie ein großer, ge-
räumiger Weiher.
Braun und un-
heimlich.
Der kjarthofer
wettert, wie er
seinen Buben noch
nicht in der Stube
findet. „Do drunt
is der Bach krauti'
und dös wickelt si'
um d' Füaß' und ziahgt di' nunter. kiockt der Teuft auf 'm
Grund an der Stell'!"
Lr geht ans Lenster und pfeift dem alten Simon zum Stall
hinüber.
„Geh am Weiher nunter, zum Franz! Lr soll glei'hoam, auf
der Stell'!" Und brummelt und hockt sich zur Tischlampe und wirft
den 6ut in die Lcke. Aber hinten ani Dfen klingeln die Strick-
nadeln weiter, schön gleichmäßig, als ob gar nichts wär.
„vagunn eahm halt die Freud!"
„von dem koa Red — aber wenn ma so an Büabl all's hingeh'n
laßt, dann wird's
starr und höckrig
wiar a Bäuml, dös
ma als a Aloancr
aufz'bind'n verges-
sen hat. Und der
Weiher is grund-
krauti und dös
hängt si' an d'
weiter kam er
nicht mehr mit sei-
ner predigt.
„Bauer!" schreit
ein Weiberleut über
den lsof. Und jetzt
rumpelt die Türe
auf und die Urschl,
die erste Dirn, steht
in der Stub'n, packt
sich selber an der
Brust vorAtemnot,
sperrt den Mund
weit mächtig auf
und bringt doch
bloß etliche wort-
brocken über die
Lippen: „Bau—r I
Da Fr-anzl —"
Der lsarthofcr
schnellt in die ksöh'.
„wos is's?!" -
Und weil die Dirn
nicht weiter spricht,
packt er sie an den
Armen und schüt-
telt sic her wie ei»
Zwetschgenbäuml.
„Red'n sollst, sag'
wie ein När-
rischer schreit er,
seine Kaumuskeln
zittern und die
Schlagadern lau-
fen ihm auf wie
Geißelstrick l Und
wieder trampelt cs
über den bfof. . .
Männer und wei-
bcr schreien ineinander, ein ganzer Knäuel erregter Menschen drängt
sich in die Stub'n. voran der Simon mit dem Franzi, den er
trägt und dem die Arme! hcruntcrhängen wie leere Rockärmeln.
„Untergängen is er, aber da Adem geht eahm no'l"
Der kjartbauer rennt auf den Anecht los und reißt ihni das Büabl
aus den Fäusten, wild und wütig, wie ein gestohlenes Eigentum.
N a i v.
Apotheker: „Gift darf ich Ihnen nicht verkaufen. Fräulein, da müssen Sic einen Gift-
schein beibringen!" — Dienstmädchen (schluchzend): „Ja, wo soll ich den hcrkriegen — ge-
nügt nicht dieser Absagebrief von meinem Bräutigam?"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Naiv"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1923
Entstehungsdatum (normiert)
1918 - 1928
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 159.1923, Nr. 4075, S. 78
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg