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Aufklärung

Ein auf einer Studien-
wanderfahrt begriffener
Maljüngling trifft in einem
schwäbischen Städtchen ei-
nen entzückend zünftigen
Fechtbruder. Der Jüngling
ist von den koloristischen
Reizen dieses Stromers so
begeistert, daß er ihn höf-
lich fragt, ob er ihm nicht
Modell stehen möge. »Es
dauert höchstens eine halbe
Stunde, und ich entschädige
Sie gerne dafür ange-
messen."

Da lächelt der schwä-
bische Landstreicher ganz
verschmitzt und flüstert dem
Kunstjünger ins Ohr:

»Dees könne Sie mir
net bezohle, woas i in a
halb' Stund' verdiene, mei'
Liaber." Jgi.

Von oben meint man, tugendsam sei das Benehmen dieser zwei —

Doch lehrt ein Blick uns untern Tisch, daß es nicht so ganz einwandfrei.

Ironie.

Der Prediger hatte die
Schafe seiner Gemeinde zu
einer Versammlung be-
rufen. Vorm Auseinan-
dergehen forderte er zu
einer mildtätigen Samm-
lung auf und ließ in Er-
mangelung einer Sammel-
büchse seinen Hut herum-
gehen. Bach längerer Wan-
derung kam der Hut ohne
jeglichen Inhalt zu ihm zu-
rück. Der Prediger stülpte
den Hut um, damit die
ganze Gemeinde das Re-
sultat bewundern konnte,
und sprach darauf mit sal-
bungsvollerStimme: »Ich
danke dir, o Herr, daß die-
ser Hut, nachdem er in der
andächtigen Versammlung
von Hand zu Hand gegan-
gen ist, glücklich wieder in
den Besitz deines getreuen
Knechtes gekommen ist." n.

Der Schrebergärtner beim Redakteur

vr. Miesegang kannte die Tücken des Redakteurberufes noch nicht
genügend. Sonst hätte er den Maikäfer, den »ersten dieses Jahres",
den der Kleinrentner Schurig persönlich und mit längerem wissen-
schaftlichen Vortrag über Fortpflanzung und Lebensweise des Mai-
käfers zu ihm ins Büro brachte, schaudernd von sich gewiesen.

Aber er akzeptierte ihn und brachte die Lokalnotiz: »Der erste Mai-
käfer dieses Jahres, ein prächtiges Exemplar seiner Gattung, wurde
uns heute morgen von dem Rentner Schurig, einem langjährigen
treuen Abonnenten unseres Blattes, auf den Redaktionstisch gelegt."

Am nächsten Tage betrat der Schrebergärtner Lintworm das
Redaktionsbüro:»Sie! Herr Redakteur! Haben Sie je in Ihrem Leben
einen Maikäfer gesehen? Ja? Ja, behaupten Sie? ? Bun, dann
sollten Sie wissen, daß ich als siebenundzwanzigjähriger treuerAbonnent
Ihrer Zeitung alljährlich das Vorrecht hatte, aus meinem eigenen
Garten den ersten Maikäfer in die Zeitung zu bringen. Schurig ist —
drei Kreuze und 'nen Strich! — mein Bachbar. Was hat Ihnen der
Kerl aufgehängt? Zeigen Sie ihn her, diesen vermeintlichen Mai-
käfer — — —"

Dr. Miesegang bedauerte. Er log, der Seher hätte den Maikäfer
versehentlich entfliegen lassen,- in Wirklichkeit hatte er ihn aus dem
Fenster in den Aschenkasten im Hof plumpsen lassen.

»Einen Mistkäfer hat er Ihnen aufgehängt, der Kerl! Hier über-
reiche ich Ihnen den ersten echten Maikäfer dieses Jahres. Widerrufen
Sie die gestrige Botiz und bringen Sie eine neue. Lintworm ist mein
Bame, mit t und o."

Dr. Miesegang fühlte sich wie ein Maikäfer im Rachen eines Lint-
worms, dankte und nahm die krabbelnde Lokalnotiz in Empfang.

Kaum war der Schrebergärtner dem Büro entwandelt, so trat
Miesegang ans Fenster und ließ den Maikäfer — in den Aschenkasten
plumpsen.

Kaum war der Maikäfer in den Aschenkasten geplumpst, so öffnete
sich die Tür und — Lintworm trat noch einmal herein: „Zeigen Sic
mir bitte den Maikäfer noch einmal her! Ich mochte ihm das linke
hintere Bein mit roter Tinte signieren, um Verwechslungen mit etwaigen
späteren Einreichungen vorzubeugen."

Or. Miesegang war sprachlos. Er wurde weiß und rot. Der Wind
aus dem geöffneten Fenster fächelte über seine Schweißperlen.

Da trat Lintworm, verschmitzt lächelnd und sich ängstlich im Zimmer
umsehend, auf Or.Miesegang zu und flüsterte ihm ins Ohr: „ Schmieren
Se sich nich, Herr Doktor, der eine von meinen Iungens schätzt Mai-
käfer auch als Delikatesse." T.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Von oben meint man, tugendsam sei das Benehmen dieser zwei"
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Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Wolfgang
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 162.1925, Nr. 4157, S. 166

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