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und jeder Qualität. Peter war überzeugt, mit seinem plane das Rich-
tige getroffen zu haben. Das Plakat, das die Strumpfabteilung über-
glänzte, gab ihm die letzte Bestätigung:

„Erfreun wird jede Dame man
Durch Setdenstrümpf' von Klostermann."

Aha! dachte Peter, und ihm fielen die bunten Osterplakate ein: Slnd's
die Eier, geh zu Meier! woraufhin er sich vornahm, für jede der
Schwestern noch ein Dutzend Ostereier bei Meier zu kaufen. In-
zwischen aber ging er ans Werk und erstand vier halbe Dutzend
Strümpfe, in vier Größen, für vier Damen. Offensichtlich.

Fräulein Buhka Speiteufel, die Oberleiterin der Strumpfabteilung
und gleichzeitig ihre erste Verkäuferin, nahm jäh ein persönliches In-
teresse an diesem Kunden. Es war ihr schon manches vorgekommen,-
aber daß jemand in der gleichen Sekunde gleich vier Liebste mit
Setdenstrümpfen versah, das überstieg doch die von Fräulein Butzka
ohnehin weitherzig genug gezogenen Grenzen des Erlaubten. Ganz aus
dem Häuschen aber geriet Fräulein Speiteufel, als Peter, bezaubert
von der Baturähnlichkeit einiger den Ladentisch zierender nachgeahmter
Zierblumen, mit den Worten „Das wird meiner Braut sicherlich Spaß
machen" etn Bukettchen aus falschen Veilchen und cchtsamtenen Stief-
mütterchen wand. —

Derweil Peter nun von der Kassa zur Treppe schritt, ließ sich Kloster-
mann, dieses Ausverkaufes Herr und Gebieter, im Fahrstuhle empor-
ziehen und gerade rechtzeitig genug ausbooten, um den auch hinten
sehr charakteristisch wirkenden Peter beim Enteilen als einen paket-
reichen und daher seine Pfiicht offensichtlich erfüllt habenden Kunden
festzustellen. Da Klostermann daran dachte, dem Schwiegersöhne in spe
für den Fall, daß er es demnächst wirklich würde — die Verwandten
zukommenden 10 Prozent Preiserlaß noch nachträglich gutschreiben zu
lassen, wandte er sich an die Dame aus dem Geschlechte der Speiteufel
und erkundigte sich nach Peters Einkäufen. Da aber wurde Butzkas
Mädchenantlih strenge, und sie antwortete mit essigsaurem Tone:
„Der Herr beliebte für vier Damen je ein halb Dutzend Br. 2345
zu nehmen, ungerechnet jener vier Stück Hk 13, die er als Dauer-
bukett seiner „Braut" zu erhandeln für gut gehalten."

„So!!" sagte Klostermann, und auf seinem Antlitz malten sich plötz-
lich, wie seit langem nicht, weitreichende Gedanken.

*

Ein herrlicher Ostersonntag ging hin. Peter und Marianne hatten
sich schon vor dem Abendbrote endgültig ausgesprochen, und man be-
schloß, noch vor der Suppe sich des väterlichen Segens zu vergewissern,
alldieweil bestätigtes Glück der Verdauung förderlicher ist als eine
den Magenwänden Peinlichkeit verursachende Ungewißheit.

Papa Klostermann kam und gewährte petern die gewünschte Unter-
redung im Herrenzimmer.

„Ich brauch' Ihnen wohl nichts zu sagen", begann Peter, obwohl er
die Zusammenkunft doch eigens, weil er etwas sagen zu müssen vor-
gegeben, erbeten hatte. Klostermann antwortete mit einem festen: Bein!
Er wisse bereits alles. Ein guter Chef babe seine Augen überall. Und

vier halbe Dutzend paare
Seidenstrümpfe, in Grö-
ßen sortiert, sprächen Bän-
de. Romanbände sprächen
sie. Lie-bes-romanbände,
Herr! Aber es müsse jetzt
selbstverständlich aus sein.

Peter hörte „aus" und
fühlte den Boden wanken.
Er war außerstande, jene
keuschen Erklärungen abzu-
geben, die mit dem Hin-
weise auf die sonderbaren
Gebräuche derBatur, Kin-
der des gleichen Eltern-
paares mit höchst ungleichen
Fußgrößen auszustatten, dem entrüstetsten Schwiegerpapa hätten ge-
nügen müssen — Peter brachte kein Wort hervor. Ängstlich sah er an
Herrn Klostermann aufwärts, die ganze Bügelfalte entlang bis zu
dem sich sanft rundenden Bäuchlein. Und auch die Rundung machte
er mit und begab sich, die güldene Uhrkette überquerend, zu Krawatte,
Kragen und Kinneskinn. Das Kinn wie nichts nehmend, kletterten
Peters Blicke über die Base, bis sie — Iessesmariaundjosef! — mitten
in die schwiegerväterlichen Augen hineinkullcrten. Da erst begann
dieser, und seine Stimme war milde:

„Ich will das Glück meines Kindes, und so sage ich, sie soll den
Mann kriegen, den sie mag. Seien Sie — nein, kein Sie mehr! sei
ein Ehrenmann, Peter Kümmerling. Hier hast du einen Brief. Sein
Inhalt wird dir den Weg zeigen, die Strumpf-Angelegenheit zu ord-
nen. Denn es muß selbst-ver-ständ-lich ein Strich unter deine Ver-
gangenheit gezogen werden."

Peter wollte nun endlich doch mal zu Worte kommen. Aber da kam
Marianne herein und fiel ihm um den Hals. Und schrie „Papa" und
rief die Köchin ins Zimmer und wirbelte umher. Peter Kümmerling
konnte nicht mehr zu Worte kommen.

Daheim, kurz vorm Zubettgehen, fiel ihm der Brief ein. Er fand
im Umschlag nur die Worte: „Zur anständigen Liquidierung" und
fünftausend Reichsmark in bar.

Peter fiel sprachlos auf seinen Bettrand.

Er hatte Gutes tun wollen und war zum Lohne verdächtigt worden.

Und weil man ihn im Verdacht des Schlimmen hatte, überschüttete
ihn ein Geldregen. Sollte Peter an seiner Weltanschauung irre werden,
Peter, der fromme und gute Mensch? Er wurde es nicht. Er besann
sich des biblischen Versprechens, daß Gott die guten Werke mit Zinses-
zinsen zurückzuerstatten pflege, und schob die Tausender in seine Brief-
tasche.

„Für die Hochzeitsreise mit Marianne", sagte er, und er nahm sich
vor, unter den Palmen Siziliens seiner jungen Frau die Geschichte
zu erzählen — die „Geschichte von den Seidenstrümpfen".

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Geschichte von den Seidenstrümpfen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Pfeiffer, Reinhold
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 162.1925, Nr. 4158, S. 180

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