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(3er (Tjugendpreis von Oberßapßng / Gine [uflige Qefcßicßfe von ‘Richard Rieß

Alle Rechte Vorbehalten — Copyright by Braun Ä) Schneider, München

(Hermann TtllerS, Oer Hamburger, der sich um Lu, die eln wenig burschikose
Tochter Kommerzienrat Schrammels, bewarb, hat sie wegen ihres forschen Auf-
tretens „unmoralisch" genannt. Lu liest zufällig in der Zeitung, daß in Ober-
hupfing ein „Tugendpreis" verliehen wird, und fährt dorthin, um sich um diesen
Preis zu bewerben.)

(4. Forts.) Inzwischen ist Lu in Oberhupfing angelangt und als einzige wei-
sende dort ausgestiegen. „Gepäckträger!" schreit sie verzwciflungsvoll. Schwarz
liegt im Düsterlichtc zweier Lampen der Bahnhof des Ortes. Man sollte
nicht meinen, sich hier in der Heimat des zwar duftreichen, aber weltberühmten
„OberhupfingerLimburgers" zu befinden. Nochmals ruft Lu: „Trä ... ger,
Trä... ger!" ^

Ganz hinten, am Postwagen, werkt eine geduckte Gestalt. Sie hebt den
Kopf und ruft:„Wer plärrt denn da vüre? pressiert net gar aso!"

Lu seht sich auf ihr Köfferchen: die Unschuld aus der Großstadt im Dunkel
des Landes. Die Plakatwirkung ist gut) aber, wozu denn? Niemand ist da,
sie zu bewundern. Lu hat Zeit, ein paar Gewissensbisse über ihr Abenteuer
zu empfinden. Der Zug ist jetzt schon wieder weitergefahren. Ganz fern klingt
sein Schnaufen.

Der Mann mit der Post tritt nun näher und fragt: „Also des pack'n, soll
i des nehma?"

„Ja, wenn Sie nichts dagegen haben!"

Der Mann schaut sie ein bißchen an. „Drum", sagt er dann. „Genga S'
nur zua!"

Lu geht „zu". Sie betritt die Tür „Stations-Borstand" und erblickt —
ihren Kofferträger, der jetzt eine rote Mühe trägt und sich an einem Stück
Leberkäs erleht. Sie ist sprachlos. Nur ein paar Brocken bringt sie heraus:
„Ich will meine Tasche zur Aufbewahrung geben. Morgen lass ich sie holen.
Vom Hotel."

„Des hat sich gar net not", sagt der Universalbeamte, pfeift mal zwischen
zwei Fingern, und ein paar Sekunden später steht ein langer Lullatsch vor
Lu, empfängt in unnachahmlichem Oberhupfinger Dialekt Weisung und trollt
mit Lus Koffer davon.

„Macht «Mark zwanz'g", sagt der Stationskönig. Und noch dies, zur Er-
klärung: „Saisonpreise!" Lu glaubt nicht recht zu hören, aber sie tut es doch.
Hochachtungsvoll zahlt sie. Holde Schauer der Erwartung durchrieseln sie,
denn Oberhupfing erscheint ihr nun im preisbewußten Lichte einer Sommer-
frische. Und auch der Eisenbahn-Großmeister dünkt ihr um etliche Grade er-
höht: Es wächst der Mensch mit seinen höheren Preisen.

Die Landstraße zieht sich schwarz zu den Häusern hin, deren Lichter als
winzige Sterne aus dem Dunkel glimmen. Tapfer schreitet Lu hinter ihrem
Begleiter. Die Stimmen des Dorf-Abends stimmen sie froh. Oft schlagen
Hunde an aus den Gehegen naheliegender Höfe.

Der Kofferträger wendet sich schließlich um und beginnt ein Gespräch. Er
sei der Krug-Seppl, des Oberwirts einziger Sohn, und das Fräulein wolle
gewiß das neue Kriegerdenkmal besichtigen. Sonst gebe es nämlich nicht
viel in Oberhupfing.

„Ich denk', der ,Tugendpreis"?" sagt Lu zögernd. Sie beginnt zu bereuen:
Hat sich Spaß versprochen und Abenteuer, und sieht nun die Langeweile
sich entgegengähnen.

„Ja mei, der Tugendpreis", sagt Sepp, „'s is freilich a Griß drum. I
wann a Madl war, i tat mi schön bedank'n dafür, daß man's in Zeitung
'nei'druckt, daß mi koaner net g'mocht hat."

„Man sollte Hermann Tillers mal hierhersenden zur Revision seiner
Moralbegriffe", denkt Lu.

„Heut' is g'rad Ko —mies—sons-Sihung", sagt Seppl und lacht stillver-
gnügt. „Bei uns im Deatherspuisaal, da hocka s' beianand: der Gstettner
Raverl... des is nämli der vom Gstettnerbräu, ganz a Großkopfeter ... und
der Stadelmeier Michl, der wo den scheen Hof hat . . . dort . . . drobcr dem
Kirchturm . . . am Hang, und der Roser Toni. Den werds do kenn«,
Freiln? Net? Hab'n S' von dem Hallodri no nie nix g'hö'rt? Der hat do
Rennroß, scheene Traber, die wo er all'weil in Staadt 'nei'schickt, auf Dagl-
fing zu de Rennats. Dle drei, die müss'n schaug'n, welchesMadl dieTugend-
ros'n vadeant."

Der Weg steigt ein visserl bergan. Dann kommt bebaute Straße, und ehe
man sich dessen versieht, ist der Marktplatz erreicht. Der „Obere Wirt" niipmt
die eine Breitseite repräsentabel ein. Ein paar große Fenster sind illuminiert.

Seppl weist mit auswärts gebogenem Daumen hinüber: „Dort stehngan
jetzt die ehrsamen Jungfrauen von Oberhupfing vor der Komiesson und
rauf'n um eahnere Tugend." Er grinst.

Lu betritt den „Oberen Wirt", und sie geht durch den dunklen Gang, aber
hier hält sie inne,- ohrenbetäubender Lärm dringt aus dem Saale nebenan.

Dort sitzt hoch auf dem Podium die Tugendpreiskommission und waltet
ihres Amtes. Gstettner führt, breitstämmig, eilt weirig angesäuselt, aber
blitzend im Schmucke seiner zu Wcstenknöpfen degradierten Silbermünzen,
den Vorsitz. Rechts von ihm hockt der dürre Stadelmeier, rechts protzt Roser
mit seinem Zweieinhalbzentnergewlcht. Und vor ihnen sitzt die Damcnflora
von Oberhupfing und bewirbt sich um den Preis.

„Was tean ma nur. Uberinorgen ist Preisverteilung. Aber Heuer sind die
Madl, die wo a bisserl sauber war'n, ja ganz narrisch mit'n Helrat'n g'we'n.
Und was überbliebcn is, das is entweder schiach oder unsolid."

„Recht hast, Gstettner", sagt Roser, der Sportsmann. „War no am eh'sten
mei' Eenta. Roß fudert s' guat, da feit si nix. l-Ind schaugt nur mal, s' is auch
a ganz a saubers Mensch aa."

Eenta, die für gtltes pfervefüttern zum Tugeitdpreis vorgeschlagen wird,
sitzt unten, und sie trägt ein verschämtes Lächeln zur Schau und eln rotes
Röcklein, das sie nur bis zu den Knien bedeckt. Als sie merkt, daß die Richter
sie beachten, steckt sie den Daumen ins Mündchen. Die anderen Bewerbe-
rinnen aber bewerfen sie mit den giftigsten Blicken.

„Tritt oinmal hervor, Jungfrau Graglhuber-Ccnta", sagt Gstettner. Und
als sie g'schamig nicht gleich pariert, wiederholt er weniger „hochdeutsch" :
„Vüre geh' sollst. Schick' di." Da steht sie nun, die g'schamkge Tugendrose
Eenta und hat zur Abwechslung mal den linken Daumen im Munde. „Kannst
du droi Zeugen für doine Tugendsamkoit benähnen?" knqukriert nun der
Vorsitzende.

Die vier Konkurrentinnen wittern Unrat. Walburga Hollerbauer glüht
vor Kampfeseifer: ,I mach' dera a Zeugin. Schaugts as nur oa, de tugend-
same Jungfrau, und fragts as, wanns daß mir zur Kindstauf' kemma derf'n."

Eenta dreht- sich geschwind um. Sie nimmt vor Erregung den Finger aus
dem Mund: „Wooos? Die Hollerbauer-Burgl möcht' mi ausricht'n? Für
die bin i no lang z' guat, meinat i? Soll nur auf sei eigen's Sach' schaug'n,
die Dreckloas, die."

„I? A Loas? Du zwiders Weibermensch, du! 3u dir tat i mi no lang net
hi'stell'n, du windig's G'schooß, du ganz miserablig's!"

Gemeinsame Feindschaft schafft Bundesgenossen. Da Eenta als Favoritin
die Rivalin aller ist, beginnen auch die andern zu schimpfen.

„A Ruah gebts!" schreit der Gstettner.

„Frcili! A Ruah! Und schimpf'n soll i ini lass'n", zetert die Burgl.

„Jetzt hau' k dir glei' a Watsch'n eini", kreischt Eenta, die Beleidigerin.

„Da host oane", gibt Burgei mutig zurück. Und läßt ihrem Worte die
Tat folgen. Aber — sie trifft leider daneben und ihre Hand landet auf dem
Hinterkopfe der Ietzelsperger-Kathrein. O weh! Kathls schöner Zopf! Und
erst letztes Jahr zu Mariä Lichtmeß hat sie ihn sich beim Bader Frank für
schwerverdientes Geld gekauft! Wer wundert sich, daß unser Kathl nun auf-
braust. Es beginnt ein Kampf aller gegen alle. Vergebens schwingt Gstettner
die Verhandlungsglocke, vergebens brüllt er um Ruhe. Seine Pädagogik
erstickt im Lärme, bind die Schlaft wälzt sich aufs Podium hinauf,- schon

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Tugendpreis von Oberhupfing"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Pfeiffer, Reinhold
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 162.1925, Nr. 4166, S. 280

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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