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DAS ERLEBNIS /VonRidiardRieß

Die Dichterei ist ein
höchst unlukratives Ge-
schäft. Sie meinen, man
brauche sich bloß an den
Schreibtisch zu setzen und
ein bißchen Tinte
auf die Rückseite
einer unbezahlten
Rechnung zu ver-
spritzen, dann auf
die Redaktion zu
gehen und einen
Sack voll Reichs-
markscheine einzu-
kassieren? Das habe auch ich mir so gedacht und Hab' ein ebenso
langes wie schönes Gedicht hergestellt und es dem Doktor Federkiel
präsentiert. Der aber hat die Brille von der Rase genommen und
dafür den Zwicker dareingezwickt und dann den Zwicker wieder ab-
getan und die Brille eingehakt. Und am Ende den Zwicker über der
Brille befestigt. Und dann hat er gesagt: „Wie ich die Sache auch
dreh' und wende: Ihrer Poesie fehlt eines: das Erlebnis. Rur das
Erlebnis weckt die wahre Empfindung und Leidenschaft. Und nur aus
der wahren Leidenschaft entsteht die wahre Kunst. Und nur die wahre
Kunst ist es, die unsere Leserinnen von uns wünschen. Also, gehen Sie,
junger Mann, erleben Sie etwas und dann kommen Sie mit dem
Produkte Ihres Erlebnisses wieder zu uns."

Da Hab' ich meinen Freund Leo gefragt, und der hat mich um zehn
Mark angepumpt und dann geantwortet: „Erlebnis? Kleinigkeit! Ein
Abend mit ihm imd seinen Freunden im .G'scheckigten Hund' und ich
hätte genug Lebensinhalt für ein Drama, zwei Rovellen und drei
Romane."

Ich bin mit Leo in den „G'scheckigten Hund" gegangen und habe
eine Gesellschaft kennengelernt, vor
der einen schon grauseit konnte.

Man stellte mir vor:

„Stemmer - Franzl, Ein-
brecher",

„Sauerstoff-Max, Spezia-
list für Eisenschränke",

„Der schöne Schursch, der
Mann der Fassaden",

„Gold-Hugo, sieben Jahre
wegen Heiratsschwin-
del".

„Hast du genug für deine Er-
lebniskunst?" fragte Leo.

Ich nickte beklommen und fragte, auf einen stillen Mann neben
mir deutend:

„Und wer ist denn das?"

„Der?" kam's von Leo zurück. „Non kennimus. Aber unbedeutend.
Sicherlich so 'n harmloser Verirrter. Es gibt vielleicht nock andere
Literaten, die hier .Studien' machen wollen."

Und nun ermunterte Leo seine griffesten Bekannten, mal auszu-
packen. Und ich hörte das schicksalvolle Leben Stemmer-Franzls und

ich vernahm, wie die Tücke der sozialen Weltordnung den Sauerstoff-
Max zu einem Spezialisten für Eisenschränke ausgebildet hat, und
auch dies blieb mir nicht verborgen, wie ein so lieber Mensch wie
Schursch zum Fassadenkletterer wurde.

Ich habe selbstverständlich für alle Herrschaften die Zeche bezahlt.
Rur dem stillen Manne neben mir — dem tat ich's nicht. Ich bitt'
euch, ein Mann, der offensichtlich der Konkurrenz angehörte....

Anderntags kam Leo zu mir und fragte, ob ich mit dem Roman
schon begonnen hätte. Ich hatte Grund, trübe in die Zukunft zu blicken,

und nickte nur. „Es sei ja aber
auch wirklich hochinteressant ge-
wesen, was wir von der edlen
Bruderschaft vernommen."

Dann machte Leo eine Pause.
Bis er wieder begann:

„Run will ich dir aber ein
Geständnis machen. Sauerstoff-
Max und der schöne Schursch,
auch Gold-Hugo und Franz, der
Einbrecher — sie alle waren gar
keine echten Einbrecher. Sie sind
vielmehr Mitglieder unseres dra-
matischen Vereins ,Das Welt-

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Erlebnis"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Reinicke, Emil
Entstehungsdatum (normiert)
1925 - 1925
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 163.1925, Nr. 4175, S. 64

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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
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