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WO SIND DIE BLUMEN?

Von Egon H. Straßburger

Die Familie Hagemann hatte schon monatelang über den Schmuck
ihres Balkons große Kontroversen gehabt. Vater Hagemann erklärte
kurzweg, das Leben sei so teuer, daß man auf neue Blumen in
diesem Jahre verzichten müsse. Mutter Hagemann aber meinte, Blumen
seien das einzige, was uns das Leben genießbar mache.

Herr Hagemann ging eines Tages heimlich in den Keller und grub

ein paar alte Tulpenzwiebeln aus. Im Geiste sah er schon alle mög-
lichen Formen und Farben von Tulpen auf seinem Balkon. Als seine
Frau und die Kinder Erika und Paul eines Tages einen Besuch
machten, benutzte er die Gelegenheit, um die Tulpen einzupflanzen.
Tags daraus forderte Frau Hagemann ihren Gatten auf, sich endlich
über den Balkonschmuck schlüssig zu werden.

Herr Hagemann lächelte selbstbewußt und meinte:

„Liebe Amanda, du wirst ja sehen, wie lieblich unser Balkon aus-
sehen wird/"

Die anderen Familienmitglieder horchten auf und Frau Hagemann
war wißbegierig:

„Was gibst du aus?"

„Alles schon erledigt", erklärte Herr Hagemann.

Als Hagemann am anderen Tage ins Büro gegangen war, schlich
seine Frau auf den Balkon und ihre Hand versank langsam, aber sicher,
in der Blumenerde. Ihre Finger stießen auf einen harten Gegenstand,
und klopfenden Herzens zog sie — die erste Tulpenzwiebel heraus.

„So 'ne Ge-
meinheit!" entfuhr
es ihren Lippen.

Sie grub weiter
und in zehn Mi-
nuten hatte sie vker-
zigTulpenzwiebeln
an die Oberfläche
befördert. Sie
nahm sie und warf
sie in der Küche
in den Mülleimer.
Bon dem Vor-
gang erzählte sie

nichts ihrem Manne. Der sah tagtäglich in die Blumen-
kästen hinein und war erstaunt, daß der Früh-
ling so wenig Einfluß aus seine Tulpen-
zwiebeln hatte. Er wurde nervös
und kaufte sich ein Buch
über die Tulpenzwiebel.

In dem Buch stand,
daß sich Tulpen bald ent-
wickeln,- aber hier war
es — seltsamerweise —
nicht der Fall. Um s
eifriger begoß er di
Erde.

Aber die Tulpen
men nicht.

Schließlich vergaß er die Heiligkeit der Erde und wühlte in ihr.
Umsonst! Er ging zu seiner Frau, und unter vier Augen erzählte er ihr
sein Geheimnis von den Tulpenzwiebeln. Sie konnte sich vor Lachen
kaum halten.

„Seid ihr Männer einfältig! Deine Tulpenzwiebeln ruhen längst
im Mülleimer."

Herr Hagemann war außer sich.

„Vichts bekommst du nun auf deinen Balkon. Vichts!"

Und er fügte hinzu: „Fünfundzwanzig Mark hatte ich schon zurück-
gelegt, hier, fünfundzwanzig Mark. Dafür wollte ich zwei antike Rohr-
sessel und einen antiken Tisch für den Balkon kaufen, aber nun bleibt
der Balkon öd und leer."

Herr Hagemann hatte sich so aufgeregt, daß er sich niederlegen
mußte. Seine Frau nahm die fünfundzwanzig Mark, die noch auf
dem Tisch lagen.

„Es bleibt ja in der Familie", sagte sie sich und ging rasch zum
Gärtner.

Als Herr Hagemann zwei Stunden später aufstand, war der Bal-
kon ein Blütenmeer. Es blieb ihm nichts übrig, als zu seiner Frau
zu sagen:

„Du bist doch eine herzensgute Seele."

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Wo sind die Blumen?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Flechtner, Otto
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Digitales Bild
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Fliegende Blätter, 163.1925, Nr. 4178, S. 100

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