Üjühnerhosphllosophje
Die Wanderwanzen
Von Franz Poppe
Herr Primping, der wackere
Künstler, ist ein Mann von ele-
gantem Äußeren, mit tadclloseir
Manieren, volltönender Stimme,
weitem Gewissen, treuherzigen
Augen, kurz ein vollendeter Welt-
mann.
Kein Geld hat er auch!
Doch diesen Mangel ersetzt er
durch kunstreiche Methoden.
Herr Primping hatte mich als
Begleiter für eine kleine Wander-
tour erkoren. Als wir den ersten
Abend dem Herbergsstädtchen zu-
strebten, sagte er mit sanfter
Stimme: „Die Erfahrung lehrt,
daß nicht nur bei der Arbeit, son-
dern auch beim Bezahlen sich die
Teilung empfiehlt,- man lebt da-
bei sparsamer, und das wollen wir
doch, mein sehr lieber Freund! 2ch
werde also immer das Nachtquar-
tier für uns beide bezahlen, wäh-
rend Sie das Nachtmahl beglei-
chen. Sie fahren dabei besser ,- denn
bekanntlich rechnen die Leute das
Schlafen höher an als das Essen."
Ich fand den Vorschlag aus-
gezeichnet.
Im „Blauen Bären" kehrten
wir cin.Herrprimping zeigte beim
Nachtmahl einen ungewöhnlichen
Appetit und erklärte, als er sich noch
eine kalte Platte extra bestellte, der
„Blaue Bär" sei das beste Hotel
der Stadt, das Quartier werde
daher auch entsprechend teuer sein.
Das Bett war ausgezeichnet!
Als ich nächsten Morgeir er-
wachte, war Herr Primping fast
fertig angekleidet. „Wie haben Sie
geruht?" war seine erste Frage.
„Wie ein Gott!" erwiderte ich,
worauf er staunend mit dem
Kopfe schüttelte. Dann läutete er
nach dem Dienstmädchen und ver-
langte sofort den Wirt zu sprechen,
aber sofort.
Dieser erschien. „Herr Wirt!"
begann Herr Primping mit einem
Tone, der eine starke innere Er-
regung verriet, „als vermögender
Bcrgnügungsreisender bin ich ge-
wöhnt, stets das beste Hotel auf-
zusuchen und boffte dies es in Ihrem
Hause gefunden zu haben. Auf
peinliche Sauberkeit lege ich größ-
ten Wert. Sie selbst haben mir
diese feierlichst zugesichert. Ich bin
völlig enttäuscht!! Dochwassollcn
Worte? Überzeugen Sie sich selber
von den, Erfolg meiner dreimali-
gen nächtlichen Hochwild-agd!!!"
Und damit wies er auf das Tisch-
tuch, in welchem eine blanke Steck-
kill gähn, ein großer Philosoph,
hielt Seminar im kjiihnerhos.
Mn kam auf vie Unsterblichkeit,
kin junger Hahn meint, weit und
breit
Sei man von Zweifeln angestelkt,
Ob der Segriff die Wahrheit derkt.
„ 0 Skepsis!" rief verölte stramm,
„Ilch schwör's bei meinem 6art und
stamm,
vie 6uten werden ausgewelkt
Und eitel Lust wird um sie sein!"
vie wilden scharrten mit dem Sein:
„stur Sutesoll'n unsterblich sein?!"
va sprach der ölte sehr bedeckt:
,,^sa, denn nur sie wer'n - eingewelkt."
nadet spießte, auf der die Leiber
dreier hoffnungsvollen Wanzen
prangten.
Der Wirt erbleichte. „ Unerklär-
lich !! Ich weiß wirklich nicht,...
so etwas ist in meinem Hause seit
Jahren,.... aber selbstverständ-
lich, ... der Augenschein,... ich
bitte den Herrn vielmals um Ent-
schuldigung, ich werde sofort alles
veranlassen, was in meinen Kräf-
ten steht. Natürlich bitte ich, die
Rechnung für diese Nacht als be-
reits beglichen ansehen zu wollen!!"
„Es sei denn!" beschloß Herr
Primping kühl, und der Wirt ver-
schwand lautlos.
Den nächsten Abend kehrten
wir zur Nacht in R. im „Hirschen"
ein. Herrn Primpings Appetit
war ungeschwächt,- dafür war das
Nachtlager wieder ausgezeichnet.
Auch diesmal war Herr Prim-
ping zeitig wach, auch diesmal ver-
langte er stürmisch nach dem Wirt,
und seine Stimme zitterte wieder-
um.
„Herr Wirt!" sagte er, «als
vermögenderBergnügungsrcisen-
der bin ich gewöhnt, stets das beste
Hotelaufzusuchenund hoffte dieses
in Ihrem Hause gefunden zu ha-
ben. Auf peinliche Sauberkeit lege
ich den größten Wert. Sie selbst
haben mir diese feierlichst zuge-
sagt. Ich bin furchtbar enttäuscht!
Doch was sollen viele Worte?
Überzeugen Sie sich selbst von
dem Erfolg meiner nächtlichen
Tätigkeit!!" Und damit wies er
aus das Tischtuch, in dem, wie
gestern, eine Stecknadel mit drei
Wanzenleibern spießte. Der Wirt
betrachtete sie mit Sachkenntnis.
„Wenn ich es nicht selber sähe,"
begann er schließlich, „ich würde
es nicht glauben können,- denn
erstens war noch nie so etwas in
meinem Hause und zweitens sind
die hier ortsansässigen Tiere dieser
Art von zierlicherem Körperbau.
Es gibt nur eine Erklärung, näm-
lich, daß der gestern hier nächti-
gende Gast sie vergessen hat.
Immerhin, selbstverständlich hätte
ich,— ich bitte tausendmal um
Entschuldigung und darf Sie bit-
ten, die Rechnung für diese Nacht
als beglichen anzusehen!!"
„Nun, es sei!" erwiderte Herr
Primping, und der Wirt ver-
schwand kopfschüttelnd.
Seltsam,höchst seltsam!!! Auch
den dritten Morgen, auch den vier-
ten Morgen, immer wieder der-
selbeBorgang, der natürlich jedes-
mal mit der Bitte des Wirtes
endete, die Nachtrechnung als für
(Forgetzung nächste Sette)
170
Die Wanderwanzen
Von Franz Poppe
Herr Primping, der wackere
Künstler, ist ein Mann von ele-
gantem Äußeren, mit tadclloseir
Manieren, volltönender Stimme,
weitem Gewissen, treuherzigen
Augen, kurz ein vollendeter Welt-
mann.
Kein Geld hat er auch!
Doch diesen Mangel ersetzt er
durch kunstreiche Methoden.
Herr Primping hatte mich als
Begleiter für eine kleine Wander-
tour erkoren. Als wir den ersten
Abend dem Herbergsstädtchen zu-
strebten, sagte er mit sanfter
Stimme: „Die Erfahrung lehrt,
daß nicht nur bei der Arbeit, son-
dern auch beim Bezahlen sich die
Teilung empfiehlt,- man lebt da-
bei sparsamer, und das wollen wir
doch, mein sehr lieber Freund! 2ch
werde also immer das Nachtquar-
tier für uns beide bezahlen, wäh-
rend Sie das Nachtmahl beglei-
chen. Sie fahren dabei besser ,- denn
bekanntlich rechnen die Leute das
Schlafen höher an als das Essen."
Ich fand den Vorschlag aus-
gezeichnet.
Im „Blauen Bären" kehrten
wir cin.Herrprimping zeigte beim
Nachtmahl einen ungewöhnlichen
Appetit und erklärte, als er sich noch
eine kalte Platte extra bestellte, der
„Blaue Bär" sei das beste Hotel
der Stadt, das Quartier werde
daher auch entsprechend teuer sein.
Das Bett war ausgezeichnet!
Als ich nächsten Morgeir er-
wachte, war Herr Primping fast
fertig angekleidet. „Wie haben Sie
geruht?" war seine erste Frage.
„Wie ein Gott!" erwiderte ich,
worauf er staunend mit dem
Kopfe schüttelte. Dann läutete er
nach dem Dienstmädchen und ver-
langte sofort den Wirt zu sprechen,
aber sofort.
Dieser erschien. „Herr Wirt!"
begann Herr Primping mit einem
Tone, der eine starke innere Er-
regung verriet, „als vermögender
Bcrgnügungsreisender bin ich ge-
wöhnt, stets das beste Hotel auf-
zusuchen und boffte dies es in Ihrem
Hause gefunden zu haben. Auf
peinliche Sauberkeit lege ich größ-
ten Wert. Sie selbst haben mir
diese feierlichst zugesichert. Ich bin
völlig enttäuscht!! Dochwassollcn
Worte? Überzeugen Sie sich selber
von den, Erfolg meiner dreimali-
gen nächtlichen Hochwild-agd!!!"
Und damit wies er auf das Tisch-
tuch, in welchem eine blanke Steck-
kill gähn, ein großer Philosoph,
hielt Seminar im kjiihnerhos.
Mn kam auf vie Unsterblichkeit,
kin junger Hahn meint, weit und
breit
Sei man von Zweifeln angestelkt,
Ob der Segriff die Wahrheit derkt.
„ 0 Skepsis!" rief verölte stramm,
„Ilch schwör's bei meinem 6art und
stamm,
vie 6uten werden ausgewelkt
Und eitel Lust wird um sie sein!"
vie wilden scharrten mit dem Sein:
„stur Sutesoll'n unsterblich sein?!"
va sprach der ölte sehr bedeckt:
,,^sa, denn nur sie wer'n - eingewelkt."
nadet spießte, auf der die Leiber
dreier hoffnungsvollen Wanzen
prangten.
Der Wirt erbleichte. „ Unerklär-
lich !! Ich weiß wirklich nicht,...
so etwas ist in meinem Hause seit
Jahren,.... aber selbstverständ-
lich, ... der Augenschein,... ich
bitte den Herrn vielmals um Ent-
schuldigung, ich werde sofort alles
veranlassen, was in meinen Kräf-
ten steht. Natürlich bitte ich, die
Rechnung für diese Nacht als be-
reits beglichen ansehen zu wollen!!"
„Es sei denn!" beschloß Herr
Primping kühl, und der Wirt ver-
schwand lautlos.
Den nächsten Abend kehrten
wir zur Nacht in R. im „Hirschen"
ein. Herrn Primpings Appetit
war ungeschwächt,- dafür war das
Nachtlager wieder ausgezeichnet.
Auch diesmal war Herr Prim-
ping zeitig wach, auch diesmal ver-
langte er stürmisch nach dem Wirt,
und seine Stimme zitterte wieder-
um.
„Herr Wirt!" sagte er, «als
vermögenderBergnügungsrcisen-
der bin ich gewöhnt, stets das beste
Hotelaufzusuchenund hoffte dieses
in Ihrem Hause gefunden zu ha-
ben. Auf peinliche Sauberkeit lege
ich den größten Wert. Sie selbst
haben mir diese feierlichst zuge-
sagt. Ich bin furchtbar enttäuscht!
Doch was sollen viele Worte?
Überzeugen Sie sich selbst von
dem Erfolg meiner nächtlichen
Tätigkeit!!" Und damit wies er
aus das Tischtuch, in dem, wie
gestern, eine Stecknadel mit drei
Wanzenleibern spießte. Der Wirt
betrachtete sie mit Sachkenntnis.
„Wenn ich es nicht selber sähe,"
begann er schließlich, „ich würde
es nicht glauben können,- denn
erstens war noch nie so etwas in
meinem Hause und zweitens sind
die hier ortsansässigen Tiere dieser
Art von zierlicherem Körperbau.
Es gibt nur eine Erklärung, näm-
lich, daß der gestern hier nächti-
gende Gast sie vergessen hat.
Immerhin, selbstverständlich hätte
ich,— ich bitte tausendmal um
Entschuldigung und darf Sie bit-
ten, die Rechnung für diese Nacht
als beglichen anzusehen!!"
„Nun, es sei!" erwiderte Herr
Primping, und der Wirt ver-
schwand kopfschüttelnd.
Seltsam,höchst seltsam!!! Auch
den dritten Morgen, auch den vier-
ten Morgen, immer wieder der-
selbeBorgang, der natürlich jedes-
mal mit der Bitte des Wirtes
endete, die Nachtrechnung als für
(Forgetzung nächste Sette)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Hühnerhofphilosophie"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 163.1925, Nr. 4184, S. 170
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg