Die Roulade
Nagel aus der Fir-
ma Nagel lind Wu-
cherpfennig ist bei sei-
nem Kompagnon zum
Essen eingeladcn. Na,
wenn schon, man must
im Notfall noch ganz
andre Opfer bringen.
Als Hauptgang
gibt es Kohlrouladen.
Wucherpfennig besitzt
vor der Stadt einen
Schrebergarten, und
Nagel denkt sich sein
Teil: Kohl! denkt er,
was denalten Schröp-
fer schon Kohl kostet.
Er nimmt das Ende
des Zwirnsfadens, in
den die Roulade ein-
gewickelt ist, zwischen
seine Finger. Er zieht
und zieht. Der Faden
ist ohne Ende, er wird
immer länger. Meh-
rere Male hat Nagel
bereits die Hand mit
dem unaufhörlichen
Faden fast bis zur
Decke erhoben: der
Faden wird immer
länger. Die Roulade
infolgedessen immer
kleiner und kleiner.
Da sagt Nagel
schliestlich erbost (möge
die ganze Geschästs-
frcundschast darüber
in die Brüche gehen!):
„Hör mal, diese Rou-
lade scheint ja völlig
aus Zwirnsfaden zu
bestehen!"
„Za, diese Ver-
schwendung in der
Küche ist unglaublich,"
sagt Wucherpfennig
völlig ruhig, „der
Zwirnsfaden kostet
mich das Doppelte
wie der Kohl." T.
Massiv
Tischler Knotig steht
wegen Beleidigung
„Mutter, warum tust du denn der toten Ente noch Apfel in den Bauch — jetzt hat sie doch
nichts mehr davon?"
DIE REISEINS PARADIES
Eine
Diefes Leben! Hofs der Geier!
Nein! Ich hab' den Schwindel fatt!
Jeden Tag dieselbe Leier!
Ich bin fertig, fchach und matt!
Nichts wie Kummer, nichts wie Sorgen
Jeder QuaL und Quantität!
Dalles schon am frühen Morgen,
Pleite noch des Abends fpät!
Ball ade
Öffne deine heil'gen Pforten
Meinem Elend, Paradies,
Das mich Freuden aller Sorten
Troftverheißend ahnen ließ!
Vorwärts, vorwärts drum ! Durchichieße
Meinen Bufen, teures Schwert!
Liebe Browning, auf, zerfpieße
Mir das Herz — und umgekehrt!
Ift das nicht zum Gotterbarmen ?
Ja! Ich kann und mag nicht mehr!
Eine Wahl nur bleibt mir Armen:
Säbel oder Schießgewehr!
Noch ein letzter Blick zum Himmel —
Noch ein letzter Abfchiedsfluch.
Weh! Was foll mir das Gebimmel ?
Kriege ich noch nachts Besuch?!
Komm, du scharf gelad'ner Degen,
Spitz geschliffnes Terzerol!
Nur kein langes Überlegen !
Welt des Jammers, lebe wohl!
Wie ?! Du hilf es, du, mein Lieschen ?
bla! Ein Kuß!! Mir wird ganz warm!!!
Du half recht: ins — Paradieschen
Reift man heller-Arm in Arm !!
Kiki
vor Gericht. Er soll
den Kaufmann Sprei-
sel tätlich angegriffen
haben. Wie er denn
dazugekommen sei,
fragt der Vorsitzende.
„Der Mann hak
mir schon in Rage je-
bracht," verteidigt er
sich, „weil er nich
jloob'n wollte, daß der
jelieferte Kleiderstän-
der aus Eichenholz
is. Und wie ick ihm
versichere, daß et be-
stimmt Eiche is, meent
er so recht verächtlich:
.Aber nich massiv
Eiche/ 72a, und da
hab' ick nu den Klei-
derständer jenommen,
um zu zeigen, w r e
massiv er ist, Herr
Rat." Jgl.
Der Rest
2m Konzert sitzen
vor mir zwei Damen,
die ein wundervolles
Streichquartett als
würdige Begleitmusik
für ihre Unterhaltung
erachten. Den Ge-
sprächsstoff bildet das
neue Kleid einer ge-
meinsamen Bekann-
ten. Es ist da vonKrepp
Georgette, Kreppplis-
see, vonpatten,Säum-
chen, Spitzen, von
Jabots, Schluppen,
Blenden, von Bänd-
chen, Tressen, Schnal-
len und allerhand an-
derem die Rede, daß
mir nahezu schwindlig
wird und ich schon an-
fange, die Trägerin all
dieser Lasten zu bemit-
leiden. Wie Erlösung
klingt es mir da, als
eine der Damen ge-
rade beim Schlust-
akkord sagt: „Und im
Grunde genommen
hatte sie soviel wie
nichts an." C.F.G.
290
Nagel aus der Fir-
ma Nagel lind Wu-
cherpfennig ist bei sei-
nem Kompagnon zum
Essen eingeladcn. Na,
wenn schon, man must
im Notfall noch ganz
andre Opfer bringen.
Als Hauptgang
gibt es Kohlrouladen.
Wucherpfennig besitzt
vor der Stadt einen
Schrebergarten, und
Nagel denkt sich sein
Teil: Kohl! denkt er,
was denalten Schröp-
fer schon Kohl kostet.
Er nimmt das Ende
des Zwirnsfadens, in
den die Roulade ein-
gewickelt ist, zwischen
seine Finger. Er zieht
und zieht. Der Faden
ist ohne Ende, er wird
immer länger. Meh-
rere Male hat Nagel
bereits die Hand mit
dem unaufhörlichen
Faden fast bis zur
Decke erhoben: der
Faden wird immer
länger. Die Roulade
infolgedessen immer
kleiner und kleiner.
Da sagt Nagel
schliestlich erbost (möge
die ganze Geschästs-
frcundschast darüber
in die Brüche gehen!):
„Hör mal, diese Rou-
lade scheint ja völlig
aus Zwirnsfaden zu
bestehen!"
„Za, diese Ver-
schwendung in der
Küche ist unglaublich,"
sagt Wucherpfennig
völlig ruhig, „der
Zwirnsfaden kostet
mich das Doppelte
wie der Kohl." T.
Massiv
Tischler Knotig steht
wegen Beleidigung
„Mutter, warum tust du denn der toten Ente noch Apfel in den Bauch — jetzt hat sie doch
nichts mehr davon?"
DIE REISEINS PARADIES
Eine
Diefes Leben! Hofs der Geier!
Nein! Ich hab' den Schwindel fatt!
Jeden Tag dieselbe Leier!
Ich bin fertig, fchach und matt!
Nichts wie Kummer, nichts wie Sorgen
Jeder QuaL und Quantität!
Dalles schon am frühen Morgen,
Pleite noch des Abends fpät!
Ball ade
Öffne deine heil'gen Pforten
Meinem Elend, Paradies,
Das mich Freuden aller Sorten
Troftverheißend ahnen ließ!
Vorwärts, vorwärts drum ! Durchichieße
Meinen Bufen, teures Schwert!
Liebe Browning, auf, zerfpieße
Mir das Herz — und umgekehrt!
Ift das nicht zum Gotterbarmen ?
Ja! Ich kann und mag nicht mehr!
Eine Wahl nur bleibt mir Armen:
Säbel oder Schießgewehr!
Noch ein letzter Blick zum Himmel —
Noch ein letzter Abfchiedsfluch.
Weh! Was foll mir das Gebimmel ?
Kriege ich noch nachts Besuch?!
Komm, du scharf gelad'ner Degen,
Spitz geschliffnes Terzerol!
Nur kein langes Überlegen !
Welt des Jammers, lebe wohl!
Wie ?! Du hilf es, du, mein Lieschen ?
bla! Ein Kuß!! Mir wird ganz warm!!!
Du half recht: ins — Paradieschen
Reift man heller-Arm in Arm !!
Kiki
vor Gericht. Er soll
den Kaufmann Sprei-
sel tätlich angegriffen
haben. Wie er denn
dazugekommen sei,
fragt der Vorsitzende.
„Der Mann hak
mir schon in Rage je-
bracht," verteidigt er
sich, „weil er nich
jloob'n wollte, daß der
jelieferte Kleiderstän-
der aus Eichenholz
is. Und wie ick ihm
versichere, daß et be-
stimmt Eiche is, meent
er so recht verächtlich:
.Aber nich massiv
Eiche/ 72a, und da
hab' ick nu den Klei-
derständer jenommen,
um zu zeigen, w r e
massiv er ist, Herr
Rat." Jgl.
Der Rest
2m Konzert sitzen
vor mir zwei Damen,
die ein wundervolles
Streichquartett als
würdige Begleitmusik
für ihre Unterhaltung
erachten. Den Ge-
sprächsstoff bildet das
neue Kleid einer ge-
meinsamen Bekann-
ten. Es ist da vonKrepp
Georgette, Kreppplis-
see, vonpatten,Säum-
chen, Spitzen, von
Jabots, Schluppen,
Blenden, von Bänd-
chen, Tressen, Schnal-
len und allerhand an-
derem die Rede, daß
mir nahezu schwindlig
wird und ich schon an-
fange, die Trägerin all
dieser Lasten zu bemit-
leiden. Wie Erlösung
klingt es mir da, als
eine der Damen ge-
rade beim Schlust-
akkord sagt: „Und im
Grunde genommen
hatte sie soviel wie
nichts an." C.F.G.
290
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"In der Küche"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 163.1925, Nr. 4194, S. 290
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg