DER BILLIGE WEIN.
Durch die glückliche Verbindung des Onkels eines Freundes der
Freundin meiner Nichte war es mir gelungen, einen äußerst günstigen
Kauf eines Fasses guten Weines zu sehr billigem Preise abzuschließen.
Meine Frau lachte natürlich wieder, als ich ihr davon erzählte. Sie
behauptet nämlich, es gäbe überhaupt nichts Billiges.
Nicht nur weil ich ein warmer Verehrer eines guten billigen
Tropfens bin, sondern auch, um meiner Frau zu beweisen, daß sie
auch einmal nicht recht habe, beschleunigte ich den Kauf durch Bar-
zahlung.
In froher Erwartung kam der Tag heran, an dem mir das Faß
mit dem edlen Inhalt von der Eilgutfrachtladerinnung per Auto vor
das Haustor gestellt wurde. Jawohl, vor das Haustor! Der Acht-
stuirdentag schien eben abgelaufen zu sein, so daß für die Weiterbe-
förderung in den Keller die Zeit nicht mehr reichte ES blieb mir also
nichts anderes übrig, als mit Hilfe unsrer perle (siehe: Dienst-
mädchen mit unschätz-
baren Eigenschaften)
die kostbare Flüssigkeit
im Keller zu bergen.
Im Schweiße unse-
res Angesichtes brach-
ten wir das Gebinde
bis auf die vorletzte
Kellerstufe. Wahr-
scheinlich ging's dem
Faß zu langsam/denn
plötzlich sprang es
fröhlich über die letz-
ten Stufen und den
großen Zehen meiner
Helferin.
Mit einem Schrei der Verwunderung und des Schmerzes ver-
sagten wohl momentan ihre Körperkräste, um so mehr aber funktio-
nierten ihre Sprachorgane.
Nachdem sie mir in ausdrucksvollen, bildcrreichcit und lcichtver-
ständlichen Worten auseinandcrgeseht hatte, daß sie wohl ihre Kräfte
und ihren Geist meinem Dienst, nicbt aber ihre Zehen als Brems-
vorrichtung zu widmen
gedachte, konnte ich als
einsichtsvoller mitfüh-
lender Mann ihren lo-
gischen Behauptungen
nur beistimmen und ihr
als kühlendes Pflaster
für die brennende Wun-
de ein Dreimarkstück in
die treue Hand drücken.
Schmerz und Schwäche war überwunden und nach fünf Minuten
stand das Faß an seinem Bestiinmungsort.
Die nächsten Tage vergingen mit dem Reinigen von-Flaschen und
dann begann die unkerhaltliche Arbeit des Abfüllens.
Die ersten fünf Flaschen waren eben auf dem Transport in die
Wohnung, als ich von ferne jenes Klirren vernahm, das immer ent-
steht, wenn Glasgegenstände in unsanfte Berührung mit dem Erd-
boden kommen.
Bange Ahnungen erfüllten mich und
mit einigen pantherartigen Sähen war ich
über die Kellertreppe hinauf in de» Haus-
flur gesprungen.
Da stand sic, die perle (siehe: Dienst-
mädchen mit usw.) in einem Scherbenhaufen,
aus dem gleich einem Bergquell
die kostbare Flüssigkeit nach allen
Richtungen hin schlängelte. Dieser
letztere Anblick erweckte in mir
eine Ideen-Assoziation und schnel-
ler, als ich gekommen, verschwand ich wieder im Keller.
Und richtig — meine Ahnungen trügen nie, da hatte ich vergessen,
den Hahnen abzudrehen und munter wie ein Bächlein entströmte das
edle Naß dem bereits
halbleeren Fasse.
Mit bewunderungs-
würdiger Geistesgegen-
wart rettete ich den Rest
des Inhaltes und ver-
staute in Anbetracht der
eben gemachten Erfah-
rung die Flaschen in
einer dunklen Ecke deö
Kellers.
Körperlich und seelisch
erschöpft von den unge-
wohnten Anstrengungen und Aufregungen meiner Kellcrmcisterarbcitcn
war ich eben im Begriff, mich in den Tiefen des Lehnstuhles zu erholen,
als unsere Klingel in kraftvolle Bewegung gesetzt wurde. Alsbald
schob sich unter einem Wortschwall, der mich an mein entsprudelndcs
Weinfaß erinnerte, unsere allgeliebte Meisterin des Hauses in mein
Zimmer.
Nach anfänglichen Mißverständnissen meinerseits, ich glaubte von
tödlichen Verletzungen durch Verbluten zu hören, schälte sich aus dein
Gewirr der rhetorischen Explosion der Kern der Sachlage heraus.
Unsere perle (stehe: usw.) hatte die Scherben nicht sorgsam genug
zusammengekehrt und der hoffnungsvolle Sprößling der Hausmcisterin
batte sich einen Glassplitter in den Fuß getreten.
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Durch die glückliche Verbindung des Onkels eines Freundes der
Freundin meiner Nichte war es mir gelungen, einen äußerst günstigen
Kauf eines Fasses guten Weines zu sehr billigem Preise abzuschließen.
Meine Frau lachte natürlich wieder, als ich ihr davon erzählte. Sie
behauptet nämlich, es gäbe überhaupt nichts Billiges.
Nicht nur weil ich ein warmer Verehrer eines guten billigen
Tropfens bin, sondern auch, um meiner Frau zu beweisen, daß sie
auch einmal nicht recht habe, beschleunigte ich den Kauf durch Bar-
zahlung.
In froher Erwartung kam der Tag heran, an dem mir das Faß
mit dem edlen Inhalt von der Eilgutfrachtladerinnung per Auto vor
das Haustor gestellt wurde. Jawohl, vor das Haustor! Der Acht-
stuirdentag schien eben abgelaufen zu sein, so daß für die Weiterbe-
förderung in den Keller die Zeit nicht mehr reichte ES blieb mir also
nichts anderes übrig, als mit Hilfe unsrer perle (siehe: Dienst-
mädchen mit unschätz-
baren Eigenschaften)
die kostbare Flüssigkeit
im Keller zu bergen.
Im Schweiße unse-
res Angesichtes brach-
ten wir das Gebinde
bis auf die vorletzte
Kellerstufe. Wahr-
scheinlich ging's dem
Faß zu langsam/denn
plötzlich sprang es
fröhlich über die letz-
ten Stufen und den
großen Zehen meiner
Helferin.
Mit einem Schrei der Verwunderung und des Schmerzes ver-
sagten wohl momentan ihre Körperkräste, um so mehr aber funktio-
nierten ihre Sprachorgane.
Nachdem sie mir in ausdrucksvollen, bildcrreichcit und lcichtver-
ständlichen Worten auseinandcrgeseht hatte, daß sie wohl ihre Kräfte
und ihren Geist meinem Dienst, nicbt aber ihre Zehen als Brems-
vorrichtung zu widmen
gedachte, konnte ich als
einsichtsvoller mitfüh-
lender Mann ihren lo-
gischen Behauptungen
nur beistimmen und ihr
als kühlendes Pflaster
für die brennende Wun-
de ein Dreimarkstück in
die treue Hand drücken.
Schmerz und Schwäche war überwunden und nach fünf Minuten
stand das Faß an seinem Bestiinmungsort.
Die nächsten Tage vergingen mit dem Reinigen von-Flaschen und
dann begann die unkerhaltliche Arbeit des Abfüllens.
Die ersten fünf Flaschen waren eben auf dem Transport in die
Wohnung, als ich von ferne jenes Klirren vernahm, das immer ent-
steht, wenn Glasgegenstände in unsanfte Berührung mit dem Erd-
boden kommen.
Bange Ahnungen erfüllten mich und
mit einigen pantherartigen Sähen war ich
über die Kellertreppe hinauf in de» Haus-
flur gesprungen.
Da stand sic, die perle (siehe: Dienst-
mädchen mit usw.) in einem Scherbenhaufen,
aus dem gleich einem Bergquell
die kostbare Flüssigkeit nach allen
Richtungen hin schlängelte. Dieser
letztere Anblick erweckte in mir
eine Ideen-Assoziation und schnel-
ler, als ich gekommen, verschwand ich wieder im Keller.
Und richtig — meine Ahnungen trügen nie, da hatte ich vergessen,
den Hahnen abzudrehen und munter wie ein Bächlein entströmte das
edle Naß dem bereits
halbleeren Fasse.
Mit bewunderungs-
würdiger Geistesgegen-
wart rettete ich den Rest
des Inhaltes und ver-
staute in Anbetracht der
eben gemachten Erfah-
rung die Flaschen in
einer dunklen Ecke deö
Kellers.
Körperlich und seelisch
erschöpft von den unge-
wohnten Anstrengungen und Aufregungen meiner Kellcrmcisterarbcitcn
war ich eben im Begriff, mich in den Tiefen des Lehnstuhles zu erholen,
als unsere Klingel in kraftvolle Bewegung gesetzt wurde. Alsbald
schob sich unter einem Wortschwall, der mich an mein entsprudelndcs
Weinfaß erinnerte, unsere allgeliebte Meisterin des Hauses in mein
Zimmer.
Nach anfänglichen Mißverständnissen meinerseits, ich glaubte von
tödlichen Verletzungen durch Verbluten zu hören, schälte sich aus dein
Gewirr der rhetorischen Explosion der Kern der Sachlage heraus.
Unsere perle (stehe: usw.) hatte die Scherben nicht sorgsam genug
zusammengekehrt und der hoffnungsvolle Sprößling der Hausmcisterin
batte sich einen Glassplitter in den Fuß getreten.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der billige Wein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1925 - 1925
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 164.1926, Nr. 4200, S. 53
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg