„Ja,Herrschaft, bist du's
wirklich, LhristophBerner?
Wenn man dich nicht zu-
fällig mal umrennt, so
sieht man dich ein ganzes
Menschenaltcr nicht. Ich
glaub', es ist ein halbesIahr
her, seit du zum letzten Male
an unserm Stammtisch ge-
wesen bist. Im Tarockklub
hat längst ein anderer dei-
nen Platz. Wo steckst du nur
allemal, seit du verheiratet
bist. . .?"
„Seit ich verheiratet
bin. . . ja, Melchior. . .
seit ich verheiratet bin..."
Christoph hat sein glückseliges Lächeln aufgesteckt. „Das ist's ja gerade:
Seit... ich... verheiratet... bin... Weißt du,was es heißt, den Himmel
auf Erden zu haben? Und aus dem Paradies ist, solange die Welt steht,
noch niemand freiwillig geflohen. Selbst nicht, wenn man ihm in jeder
Runde Zwei Herz-Soli garantiert hätte."
Melchior schiebt seinen Arm unter den des Freundes. „Christoph,
ich gratulier' dir von ganzem Herzen und doch — du machst mir
Sorgen. Erlaubt denn dein Weib dir nicht mal 'ne kleine vorüber-
gehende Rückkehr kn die alte Burschenherrlichkeit?"
„Ich Hab' sie noch nie drum gebeten. Aber das sag' ich dir: Wenn
ich mal den Wunsch äußerte ... Fann hat mir noch nie etwas abge-
schlagen. Du brauchst gar nicht so dumm zu lachen. Ich habe zufällig
einen Engel geheiratet."
Sie gehen eine Zeitlang schweigend. Dann schlägt Melchior einen
Frühschoppen vor,- Christoph aber drängt heim. „Ich bin nun schon
eine ganze Stunde weg. Wie lange soll ich denn Fann allein lassen?"
„Mein lieber Christoph, ich will dir als alter Freund einen Rat
geben: Hüte dich vor dem Pantoffel! Du bist glücklich, du Beneidens-
werter. Aber wer wäre in den ersten drei Ehemonaten nicht glücklich
gewesen? Unterläßt du es, in dieser Zeit dein Frauchen daran zu ge-
wöhnen, daß du deinen eigenen Willen hast, dann bist du für dein
ganzes Leben rettungslos dem Pantoffel verfallen."
Dem Pantoffel? denkt Christoph. Es ist ein sehr kleiner aller-
liebjter Pantoffel. Denn Fann hat Schuhnummer 36. Und weil er
sich des >o heißgeliebten Füßchens erinnert, nimmt er schnell Abschied
von seinem Freunde und witscht in ein Auto: heim zu Fann.
Fann sitzt indessen in ihrem Budoir und weint. Der böse Christel!
Schon seit einer halben Stunde erwartet sie ihn, er aber verspätet
sich so! Sie weiß es, er liebt sie nimmer. Aber nun will sie auch
stundenlang niit ihm schmollen. Gerade!
Und als er kommt und ihr hinterrücks einen Kuß aufpappen will, ent-
windet sie sich ihm und drängt ins Eßzimmer. An der Tür aber wendet
sie sich schnell mal um und sagt: „Gemeiner Mensch! Zuspätkommer!
Und daß Sie's nur wissen: Von jetzt ab sag'ich Sic zu Ihnen. Addio !"
Und sie verriegelt die Tür hinter sich. Die Eßzimmertür. Soll das
die Scheidung vom Tisch bedeuten? Und noch dazu vor Tisch? Und
warum der ganze Lärm? Ach, Fann ist noch s o jung! Christoph
schießt das Blut in den Kops. Melchiors Worte fallen ihm ein: Wenn
du sie nicht erziehst. . . Ach, wer so schrecklich verliebt ist, ist ein
schrecklich schlechter Pädagoge. Aber ... er sieht ein: es muß ge-
schehen. Und zwar gleich. Heute ist Klubabend. Heut will er wieder
mal hin, d. h. wollen will er eigentlich nicht, aber — es muß sein.
Er klopft an die Tür. „Fann, mach' auf!"
„Ich bitt' dich!"
„Ausgeschlossen!"
„Das merk' ich allein, daß ich ausgeschlossen bin. Aber ich muß mit
dir reden."
„Mit Wortbrüchlingen red' ich nicht. Außerdem haben Sie zu mir
Sie zu sagen."
„Fann! ! !"
„Lassen Sie Ihre unglückliche Frau allein!"
Unglückliche Frau? Aber das Eßzimmer hat ja zwei Türen. Und
eine unglückliche Frau vergißt sicher, auch die andere abzuriegeln.
Christi schleicht sich durch die Diele und bricht von dort aus in sein
Eßzimmer ein. Fann schreit aus: „Tyrann!" Und weint wieder.
„Laß vernünftig mit dir reden!" Sie dächte gar nicht dran.
„Also dann sag' ich's dir: Heut abend geh' ich wieder mal in den
Klub Merk's dir!"
Sie ballt die kleinen Fäuste (Handschuhnummer 5): „Das tun
Sie nicht."
„Doch tu' ich's!"
„Dann . . . dann geh' ich auch weg. Jawohl. Und zwar. . . zum
Lol pare geh' ich. Mitten hinein in den Fasching geh' ich. Jawohl."
„Soooo? Run gut, dann geh' auch ich auf einen Ball und nicht
zum Tarocken."
„Ha, kommt's nun heraus, was Sie beabsichtigen. Oh, ich unglück-
liche Frau!"
Das Mädchen meldet diskret, daß die Suppe fertig sei. Tapfer
beißt Fann ihre Zähne zusammen. Und trumpft dann auf: „Legen
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wirklich, LhristophBerner?
Wenn man dich nicht zu-
fällig mal umrennt, so
sieht man dich ein ganzes
Menschenaltcr nicht. Ich
glaub', es ist ein halbesIahr
her, seit du zum letzten Male
an unserm Stammtisch ge-
wesen bist. Im Tarockklub
hat längst ein anderer dei-
nen Platz. Wo steckst du nur
allemal, seit du verheiratet
bist. . .?"
„Seit ich verheiratet
bin. . . ja, Melchior. . .
seit ich verheiratet bin..."
Christoph hat sein glückseliges Lächeln aufgesteckt. „Das ist's ja gerade:
Seit... ich... verheiratet... bin... Weißt du,was es heißt, den Himmel
auf Erden zu haben? Und aus dem Paradies ist, solange die Welt steht,
noch niemand freiwillig geflohen. Selbst nicht, wenn man ihm in jeder
Runde Zwei Herz-Soli garantiert hätte."
Melchior schiebt seinen Arm unter den des Freundes. „Christoph,
ich gratulier' dir von ganzem Herzen und doch — du machst mir
Sorgen. Erlaubt denn dein Weib dir nicht mal 'ne kleine vorüber-
gehende Rückkehr kn die alte Burschenherrlichkeit?"
„Ich Hab' sie noch nie drum gebeten. Aber das sag' ich dir: Wenn
ich mal den Wunsch äußerte ... Fann hat mir noch nie etwas abge-
schlagen. Du brauchst gar nicht so dumm zu lachen. Ich habe zufällig
einen Engel geheiratet."
Sie gehen eine Zeitlang schweigend. Dann schlägt Melchior einen
Frühschoppen vor,- Christoph aber drängt heim. „Ich bin nun schon
eine ganze Stunde weg. Wie lange soll ich denn Fann allein lassen?"
„Mein lieber Christoph, ich will dir als alter Freund einen Rat
geben: Hüte dich vor dem Pantoffel! Du bist glücklich, du Beneidens-
werter. Aber wer wäre in den ersten drei Ehemonaten nicht glücklich
gewesen? Unterläßt du es, in dieser Zeit dein Frauchen daran zu ge-
wöhnen, daß du deinen eigenen Willen hast, dann bist du für dein
ganzes Leben rettungslos dem Pantoffel verfallen."
Dem Pantoffel? denkt Christoph. Es ist ein sehr kleiner aller-
liebjter Pantoffel. Denn Fann hat Schuhnummer 36. Und weil er
sich des >o heißgeliebten Füßchens erinnert, nimmt er schnell Abschied
von seinem Freunde und witscht in ein Auto: heim zu Fann.
Fann sitzt indessen in ihrem Budoir und weint. Der böse Christel!
Schon seit einer halben Stunde erwartet sie ihn, er aber verspätet
sich so! Sie weiß es, er liebt sie nimmer. Aber nun will sie auch
stundenlang niit ihm schmollen. Gerade!
Und als er kommt und ihr hinterrücks einen Kuß aufpappen will, ent-
windet sie sich ihm und drängt ins Eßzimmer. An der Tür aber wendet
sie sich schnell mal um und sagt: „Gemeiner Mensch! Zuspätkommer!
Und daß Sie's nur wissen: Von jetzt ab sag'ich Sic zu Ihnen. Addio !"
Und sie verriegelt die Tür hinter sich. Die Eßzimmertür. Soll das
die Scheidung vom Tisch bedeuten? Und noch dazu vor Tisch? Und
warum der ganze Lärm? Ach, Fann ist noch s o jung! Christoph
schießt das Blut in den Kops. Melchiors Worte fallen ihm ein: Wenn
du sie nicht erziehst. . . Ach, wer so schrecklich verliebt ist, ist ein
schrecklich schlechter Pädagoge. Aber ... er sieht ein: es muß ge-
schehen. Und zwar gleich. Heute ist Klubabend. Heut will er wieder
mal hin, d. h. wollen will er eigentlich nicht, aber — es muß sein.
Er klopft an die Tür. „Fann, mach' auf!"
„Ich bitt' dich!"
„Ausgeschlossen!"
„Das merk' ich allein, daß ich ausgeschlossen bin. Aber ich muß mit
dir reden."
„Mit Wortbrüchlingen red' ich nicht. Außerdem haben Sie zu mir
Sie zu sagen."
„Fann! ! !"
„Lassen Sie Ihre unglückliche Frau allein!"
Unglückliche Frau? Aber das Eßzimmer hat ja zwei Türen. Und
eine unglückliche Frau vergißt sicher, auch die andere abzuriegeln.
Christi schleicht sich durch die Diele und bricht von dort aus in sein
Eßzimmer ein. Fann schreit aus: „Tyrann!" Und weint wieder.
„Laß vernünftig mit dir reden!" Sie dächte gar nicht dran.
„Also dann sag' ich's dir: Heut abend geh' ich wieder mal in den
Klub Merk's dir!"
Sie ballt die kleinen Fäuste (Handschuhnummer 5): „Das tun
Sie nicht."
„Doch tu' ich's!"
„Dann . . . dann geh' ich auch weg. Jawohl. Und zwar. . . zum
Lol pare geh' ich. Mitten hinein in den Fasching geh' ich. Jawohl."
„Soooo? Run gut, dann geh' auch ich auf einen Ball und nicht
zum Tarocken."
„Ha, kommt's nun heraus, was Sie beabsichtigen. Oh, ich unglück-
liche Frau!"
Das Mädchen meldet diskret, daß die Suppe fertig sei. Tapfer
beißt Fann ihre Zähne zusammen. Und trumpft dann auf: „Legen
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Flucht vor dem Pantoffel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1926
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1931
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 164.1926, Nr. 4202, S. 79
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg