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Der DLllen - Doni

Don Therese Widmann

Tief im Bayerischen Wald, ganz hinten an der böhmischen Grenze,
wo auch ohne Obrigkeit ein scharfer Wind weht und Fuchs und Hase
sich schiedlich und vergnüglich guten Abend wünschen, haust der Leiten-
bauer. Sein Hof, mit der Bordwand in den Felsen eingebaut, stemmt
sich seit einem Jahrhundert trotzig gegen den Druck des Gesteins.
Breit und ausladend, ein Riese auf gespreizten Beinen, steht er mit
den beiden Einfahrtsflügeln ain waldbewachsenen Hang, an der Leiten,
die südlich steil zur Hauptstraße abfällt.

Der Leitenbauer, der auf Öeit schönen Bamcn Antonius hört, ist
ein Mann wie seines Waldes Tannen, so kerzengerade, hoch und
stark. Aber seit einem „Zeitl" ist es nichts Richtiges mehr. Ganz
plötzlich, beim Holzfällen, hat's ihn „verpackt", ein ganz ein damischer
Schwindel und ein Gestech und ein „Gewergel" in der Brust. Es
Hilst nichts, er muß sich am hcllichten Werktag in den Kreister legen.
Da streckt er sich nun im breiten Ehebett, „kachezt", stöhnt und flucht
und wirst sich hin und her, das; das vierbeinige alte Möbel in allen
Fuchcn kracht und zittert.

Im Haus aber ist's ein ungutes Tun. Die Bäuerin drückt die
Sorge um den Mann und sie will sich's doch »immer merken lassen,-
so ist es einmal bei den knorrigen Waldlern. Die Kinder sitzen in den
Stubenecken herum, haben keine Freude ain Spielen und am Lerne»
schon gar nicht. Die Ehehalten verrichten mürrisch ihr Tagwerk und
plauschen mehr, als es die Arbeit verträgt. Beiin Nachtessen löffeln sie
schweigend an ihrer sauren Suppe und sind heilfroh, wenn sie mit einem
kurzen „Gut' Nacht beisammen" die Stubentür hinter sich yaben.

Denn der kranke Bauer kann ein lustiges
Scherzwort nicht mehr vertragen und hat neu-
lich den Kleinknecht, der ihm zum „Senft-
pflaster" eine „gesegnete Mahlzeit" wünschte,
den Holzschuh mitten aus sein vorlautes Mund-
werk geworfen, daß ihm eine Zeitlang das Essen
und Trinken auch Beschwerde machte.

So schleicht eine Woche um die andere da-
hin. Die Bäuerin, die ein Kind unterm Herzen
trägt, verfällt zusehends. Aber, gottlob, sie ist
eine „rcvierischc" Frau, die ausführt, was sie sich vorgenommen. Bach
dem Frühfuttern macht sie sich in der Kammer zu schaffen, bald da,
bald dort, und sagt endlich so nebenhin: „Toni, i schick' heunt zum
Doktor außi, wann's a net besser wird, schlechter konn's eh nimmer wer'»."

Der Bauer will auffahren,- denn von den Doktoren und ihrer
Kunst hat er als echter Waldler nie viel gehalten. Aber der tiefe
Seufzer, der der Bäuerin unversehens ausgekommen ist, macht ihn
„nachdenksam", und so brummt er etwas Unverständliches in seine
Bartstoppeln, die jchon H Tage keinen Bader gesehen haben, und
sagt nicht ja und nicht nein.

Der Doktor ist vier gut gemessene Wegstunden entfernt, und wer
ihn zur Einöde holen will, muß sich frühzeitig auf die Socken machen.
So wandert denn der Kleinknecht am andern Morgen noch in der
Dämmerung gegen Waldmünchen. Es ist ein klarer Wintertag und
der Sepp schreitet, mit reichlich Zehrgeld in der Hosentasche, rüstig
fürbaß. Um Mittag reißt er an der Glocke der Doktorwohnung. Der
Bezirksarzt schaut erschrocken hinunter. Denkt sich das Knechtlein:
„Das Warten ist im Wirtshaus schöner", und schreit hinauf: „Der
Bauer hat an argen Wehdainm und obs Es net keinma könnts!"
Wie nun der Bezirksarzt entgegenfragt, wo der Wehdamm sei, und

der Sepp darauf gegen sein gewaltiges
Haupt zeigt und einen Fahrer um seine
Joppen macht, meint der Bezirksarzt:
„Heut' kann ich nimmer kommen, aber
verhalt dich ein wenig, ich verschreib'
dir eine Medizin für den Bauern, die
ist schon fertig zum Einnehmen."

Richtig, nach einer kleinen Weile
fliegt von oben eine weiße Kugel her-
unter. Hart spürt sie der Sepp aus
seiner Hand, denn der Bezirksarzt hat
das Rezept um einen Schusser ge-
wickelt, daß cs der scharfe Ost nicht
mitnimmt.

Der Sepp steckt die Pille in die Tasche und wirst das „Papierl"
weg. Dann sucht er zufrieden das Wirtshaus auf. Den Gang zum
Apotheker hat ihm der Doktor erspart und darum kann er seine
schönen Kreuzer im Wirtshaus gemütlich verzehren. Er ißt und trinkt
aus des Bauern Rechnung und denkt dabei mehr, als recht und
billig ist, an die Geschichte mit dem .Holzschuh, an sein „schiaches"
Aussehen dazumal und endlich auch daran, daß ihn der verschwollene
„Foz" um das „Kammerfensterln" brachte. Wie schon die Abendnebel
einfallen, macht sich der Sepp auf den Heimweg. Zuweilen greift er
an die Tasche und versichert sich, ob die „Medizin" noch drinnen steckt.
Dann lacht er in sich hinein und beschleunigt seine Schritte,- denn er
freut sich auf den Augenblick, in dem der Bauer die große Pille
schlucken muß.

Endlich schüttelt er die Schneeflocken aus seiner kurzen Joppe und
stapft in die warme Stube.

„Bo," empfängt ihn die Bäuerin, „wo hast an Dokter?"

„Der kimmt erst morg'n," sagt der Sepp, „aber derweil schickt er
für'» Bauern a Medizin." Damit legt er triumphierend die vermeint-
liche Pille auf den Tisch. Der Bauer horcht auf. Die Leitnerln dreht
die sonderbare Medizin hin und her, schaut den Sepp an, ob er etwa
zu hoch aufgeladen hat, und dann wieder das runde Ding in ihrer Hand.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Pillen-Toni"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Krombach, Paul
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1926
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 164.1926, Nr. 4207, S. 139

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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