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Dr. Weise
war ein tüch-
ttgcr Arzt und
sonst ein ganz
angenehmer
Gesellschafter,
wenn er nur

nicht bet jeder Gelegenheit mit seinem vielseitigen Wissen geprotzt hätte.
Ehe er nämlich praktizierte, hatte er sich journalistisch betätigt und war
Berichterstatter für alles mögliche. Er eignete sich im Gerichtssaal ver-
schiedene juristische Kenntnisse an. Auf der Pressetribüne zum Sitzungs-
saal des Gemeindeparlamcnts drang er in die Geheimnisse der Kom-
munalpolitik ein. Hatte er Ausstellungen, Tagungen, Jubiläen usw. zu
besuchen, so blieb von dem, was er dort hörte und sah und was er
zur eigenen Informierung lesen mußte, mancherlei hängen. Auch im
Theater und im Konzertsaal wurde er heimisch. Außerdem war er
eine Zeitlang Briefkastenredakteur, in welcher Eigenschaft er die aller-
verschiedensten Fragen zu beantworten hatte.

Dieses «vielseitige gleichschwebende Interesse" — wie es in der
Erziehungskunst heißt — ließ nicht nach, als Dr. Weise eine Praxis
hatte. Und soweit es seine ärztlichen Pflichten erlaubten, besuchte er
auch weiterhin die verschiedensten Veranstaltungen. Dagegen hatte
niemand etwas einzuwenden. Daß er aber jede passende und un-
passende Gelegenheit benutzte, um sein Wissen an den Mann zu bringen,
gefiel den mit seiner Weisheit Beglückten weniger. Er wurde daher,
wenn er nicht dabei war, nicht Dr. Weise, sondern nach einer Märchen-
gestalt «Der Doktor Allwissend" genannt.

Der neue Direktor der Spar- und Girokasse nahm sich vor, dem
allweisen Herrn Doktor eine kleine Lektion zu erteilen. Hatte dieser
ihn doch einmal im Löwen dadurch vor den anderen Gästen fast bloß-
gestellt, daß er in schulmeisterhafter Weise ihm ins Wort siel: «Herr
Direktor, man sagt rocht Pot e m kinsche, sondern potj o m kinsche Dör-
fer!" Dann folgte ein langer Vortrag über die russische Phonetik und
über den Lebensgang des Staatsmannes potemkin.

Die Gelegenheit zur Revanche bot sich bald. Der Spar- und Giro-
kassendirektor hatte im Löwen — er war Junggeselle — sein Abendessen
verzehrt. Er saß nun bei seinem pschorrbräu, rauchte und las die
Zeitung. Am Bachbartische erzählte Dr. Weise, der eben den Unter-

schied zwischen Real- und Verbalinjurien klargelegt hatte, verschiedene
Musikeranekdoten.

Da sagte der Spar- und Girokassendirektor: «Entschuldigen Sie,
wenn ich störe! Weiß vielleicht jemand von den Herrschaften, was ein
Schwan-Kau-Tor ist?"

„Ein Schwan-Kau-Tor?" entgegnete Dr. Weise/ und als ihm ver-
sichert worden war, daß er recht gehört habe, fuhr er fort: «Zu den
herrlichsten Gegenden unseres deutschen Vaterlandes gehört entschie-
den der Steigerwald."

Bun folgte — er hatte einen vor zwei Jahren verfaßten Reisebrief
noch halb im Gedächtnis — eine Beschreibung der Lage dieses Ge-
birges und eine Schilderung seiner landschaftlichen Reize. Dann
kain er darauf zu sprechen, daß am Fuße des südlichsten Ausläufers,
des Schwanberges, das Städtchen Iphoven liegt. Von den Reizen
dieses Ortes, den man mit Recht Klein-Rothenburg nennt, entwarf
er ein recht anschauliches Bild. Auch pries er die herrlichen Weine,
die man dort teils in Gläsern, teils in den sogenannten Borbeuteln
verschenkt.

Dann beschrieb er die noch erhaltenen Stadttore, von denen jedes
anders gebaut ist.

Da wandte der Spar- und Girokassendirektor ein, das wäre ja
ganz nett und er bekäme förmlich Lust seinen nächsten Urlaub dort
zu verleben. Aber er wollte doch eigentlich wissen, was ein Schwan-
Kau-Tor sei.

„Bur immer Geduld!" sagte der Doktor Allwissend, «das wer-
den Sie gleich erfahren. — Mit dem einen Tor, das nach dem
Schwanberg zu führt, hat sich vor ungefähr 600 Jahren eine selt-
same Geschichte zugetragen. Die Stadt Iphoven wurde einmal be-
lagert. Die Bürger verteidigten sich tapfer. Aber die Lebensmittel
wurden immer knapper. Da nahmen die Bürger die letzten Fleisch-
reste und hingen sie mit Fäden an langen Stangen auf dem Turme
des nach dem Schwanberge zu gelegenen Tores auf. Dadurch lockten
sie allerhand Vögel an, auch wilde Schwäne, die auf dem Schwan-
berg nisteten. Diese Vögel fingen, schlachteten und brieten sie. Bun
wußte man damals schon, daß durch tüchtiges Kauen die Speisen
viel besser ausgenützt werden als durch hastiges Hinunterschlingen.
Auch mochte das Fleisch der Schwäne etwas zähe sein, so daß die
Schwäne ganz besonders lange gekaut werden mußten. Dadurch blieben

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Schwan-Kau-Tor"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Flechtner, Otto
Entstehungsdatum
um 1926
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1931
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 164.1926, Nr. 4208, S. 151

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