Spinnerei alleweilvorOstern immer ein paar Augen zugedrückt. Wenn's
aber um meines Mädls Glück geht, da kenn' ich kein Sparifankerln.
Oder soll ich dir mal Noten geben? Einen Einser bekämst, verlaß
dich drauf. Aber — im Granteln. Als der Professor sein Weib so stark
im Angriffe sah, griff er sich in den Bart und retirierte. Aber er konnte
nichts als stottern: „Bei unseren Vorfahren, den alten Germanen,
herrschte der edle Brauch, das; die Frauen dem Manne sich unterzu-
ordnen hatten. In meinem Hause herrschen in dieser Beziehung jene
Sitten, die schon einen Tacitus, obschon dem feindlichen Ausland zu-
gehörig, zu Anerkennung, ja noch mehr, zu Begeisterung entflammt
hatten. Deine Auflehnung bezeichne ich mit Note V."
„Von mir aus mit XXXVII", entgegnete Frau Lina. Sie war
ehrlich erzürnt. So ein Spinner. „Geh in dein Bett! Ich Hab' heut
genug von dir. Und morgen reden wir noch ein Tönerl, mein Lieber!"
Nicht mit dem sonst ihm innewohnenden Behagen kroch Professor
Strengl heut unter Steppdecke und plumeau Und doch, ein Lächeln
überschattete seinen Bollbart. Sein Pracht-Klärchen sollte nur einen
Menschen kriegen, der in allem I war. Noch besser: lg! Aber — einen
„Dreier-Juristen?"
„Huch!" machte Strengl. „Dieser Tag war weit unter III." Das
war sein letzter Gedanke. Und dann schlief er ein.
Und er sah sich, wie so oft im Traume, wieder auf seinem Katheder
sitzen und seine fünfundzwanzig Lausbuben examinieren. Ganz deutlich
sah er sich. Und sein langer Bart weht geradezu vor Eifer. Aber . . .
nein . . . dieser dort so eifrig wehende Bart war doch nicht braun wie
der des Professors Or. Strengl? Der war doch ganz weiß, und es ging
ein Strahlen von ihm aus. Und-Herrjemine-saß unser ge-
strenger Strengl nicht in einer Schülerbank . . . ganz vorn, wo die
Buben ihren Platz haben, die des Lehrers Aufsicht ganz besonders
nötig haben? Was war das nur? Und plötzlich schwanden die Wände
und das ganze Schulzimmer lag in Wolken gebettet. Der hohe Lehrer
aber, droben auf dem Prüfungskatheder, erhob seine Stimme, und
er begann den Schüler Strengl zu prüfe» . . . mit sehr, sehr ernster
Miene. „Nimm dich zusammen," sagte er, „sonst wirst du das Ziel des
Himmels nicht erreichen und mußt in das Fegefeuer zum Nachhilfe-
lehrer Beelzebub. Bist du stets ein guter und nachsichtiger Gatte ge-
wesen? Hast du nie deine arme Frau durch Granteln gekränkt? Nie-
mals daheim und deinen Schülern gegenüber dummen Launen nach-
gegeben? Wie steht es um deine Gerechtigkeit? Wie um deine eigene
Vollkommenheit? Sprich!"
Und dann stieg der liebe Gott-Lehrer vom Katheder und trat
vor die himmlische Tafel und malte dicke, fette, bösartige Ziffern dar-
auf. V...V...V... So schauten die aus. Der Schüler Strengl
aber schwitzte.und sein Herz ging hörbar. „Und hast du für dein Kind
gesorgt oder hast du sein Glück deiner Eitelkeit geopfert? Bist du ein
liebevoller Vater gewesen? Wie soll ich dich als solcher zensieren??"
„Fünf. . . fünf. . . fünf ..." riefen ein paar vorlaute Engerl.
Da aber geschah es: Eine Wolkentür ging auf und stolz wie der
Rektor, der zur Oberaufsicht hereinkommt, erschien Mutter Strengl
und g'rad' bös schaute sie drein. „Was macht ihr denn meinen Alten
schlecht? Mag er zehnmal seine Fünfer verdient haben. Habt ihr aber
schon sein Herz geprüft? Wißt ihr, was für'n guter Kerl er ist, mein
spinniger Alter? Dann will ich's euch sagen: Wenn er auch oft ein
ekliger Grantlhuber gewesen ist, sein gutes Herz kriegt einen Einser.
Ohne Einschränkung."
„Ja mei," sagte der liebe Gott, „wenn ein solcher Ausgleick da
ist, dann müssen wir ihn wohl zu den Seligen versehen. Holt mal 'n
paar von den Geigen, von denen der Himmel voll ist, und spielt ihm
ein Begrüßungslied!" Und die Engel begannen zu spielen. Und von
all der Musik ist der Schüler Strengl aufgewacht und - hat sich im
Bette gefunden neben seiner guten alten Muttl, die die Brille auf
der Nase hatte und die Romanfortsehung des Generalanzeigers las.
Ganz gerührt schaute der Professor auf seine Himmels-Fürsprecherin.
„Na, wie hast denn geschlafen?" fragte sie.
„No ..." Note III hatte er sagen wollen, aber er verschluckte es zun.
Glück. „Gut, besser ... am besten!" lachte er dafür. „Und jetzt steh'
ich bald auf."
„Warum denn so zeitig?"
„Nun, wenn Klärchen uns doch heut ihren ,Dreier-Juristen'
präsentieren will ..."
„Vatl!" sagte da die Frau Professor und stippte ihre Brille über
die Stirn, „weißt was, heut geb' einmal ich dir Oster-Noten." Und
sie gab sie ihm mit einem Kuffe: „Note I, Papa Strengl... Note I."
Bemerkung
Man sah schon, wie die
Überklugen
Sich manchmal selber
Wunden schlugen.
Ich habe zu dem Glau-
ben Grund,
Ein bißchen Dummheit
ist gesund.
Alb. Roderidi
Erziehung
Sie zieh » am Kindlein
hin und her,
Von heißer Lieb' be-
wogen,
Ein bißchen sie, ein biß-
chen er —
Zum Schluffe ist's —
verzogen. o, e.w.
Falsch aufgefaßt
Richter: „Schon wieder stehen Sie vor Gericht, weil Sie sich in einer Wirtschaft eine
Kalbshaxe geben ließen, die Sie nicht bezahlen konnten! Wollen Sie sich denn nicht endlich
bessern?" - Zechpreller: „Etwas Besseres wie Kalbsharen gibt's nicht, Herr Richter!"
F r o in m e r Wunsch
Mancher Närrin ist cs
geglückt,
Daß sie zehn Weise
machte verrückt/
Könnt' ich doch lieber
die Holde preisen,
Die zehn Narren machte
zu Weisen, o.e.w.
Literaturg lo sse
Wie sehr sie auch nach
Neuland strebt,
Nach Eig'nem, Unbe-
kannten —
Die Literatur von heute
lebt
Doch nur von Varian-
ten. o.e.w,
164
aber um meines Mädls Glück geht, da kenn' ich kein Sparifankerln.
Oder soll ich dir mal Noten geben? Einen Einser bekämst, verlaß
dich drauf. Aber — im Granteln. Als der Professor sein Weib so stark
im Angriffe sah, griff er sich in den Bart und retirierte. Aber er konnte
nichts als stottern: „Bei unseren Vorfahren, den alten Germanen,
herrschte der edle Brauch, das; die Frauen dem Manne sich unterzu-
ordnen hatten. In meinem Hause herrschen in dieser Beziehung jene
Sitten, die schon einen Tacitus, obschon dem feindlichen Ausland zu-
gehörig, zu Anerkennung, ja noch mehr, zu Begeisterung entflammt
hatten. Deine Auflehnung bezeichne ich mit Note V."
„Von mir aus mit XXXVII", entgegnete Frau Lina. Sie war
ehrlich erzürnt. So ein Spinner. „Geh in dein Bett! Ich Hab' heut
genug von dir. Und morgen reden wir noch ein Tönerl, mein Lieber!"
Nicht mit dem sonst ihm innewohnenden Behagen kroch Professor
Strengl heut unter Steppdecke und plumeau Und doch, ein Lächeln
überschattete seinen Bollbart. Sein Pracht-Klärchen sollte nur einen
Menschen kriegen, der in allem I war. Noch besser: lg! Aber — einen
„Dreier-Juristen?"
„Huch!" machte Strengl. „Dieser Tag war weit unter III." Das
war sein letzter Gedanke. Und dann schlief er ein.
Und er sah sich, wie so oft im Traume, wieder auf seinem Katheder
sitzen und seine fünfundzwanzig Lausbuben examinieren. Ganz deutlich
sah er sich. Und sein langer Bart weht geradezu vor Eifer. Aber . . .
nein . . . dieser dort so eifrig wehende Bart war doch nicht braun wie
der des Professors Or. Strengl? Der war doch ganz weiß, und es ging
ein Strahlen von ihm aus. Und-Herrjemine-saß unser ge-
strenger Strengl nicht in einer Schülerbank . . . ganz vorn, wo die
Buben ihren Platz haben, die des Lehrers Aufsicht ganz besonders
nötig haben? Was war das nur? Und plötzlich schwanden die Wände
und das ganze Schulzimmer lag in Wolken gebettet. Der hohe Lehrer
aber, droben auf dem Prüfungskatheder, erhob seine Stimme, und
er begann den Schüler Strengl zu prüfe» . . . mit sehr, sehr ernster
Miene. „Nimm dich zusammen," sagte er, „sonst wirst du das Ziel des
Himmels nicht erreichen und mußt in das Fegefeuer zum Nachhilfe-
lehrer Beelzebub. Bist du stets ein guter und nachsichtiger Gatte ge-
wesen? Hast du nie deine arme Frau durch Granteln gekränkt? Nie-
mals daheim und deinen Schülern gegenüber dummen Launen nach-
gegeben? Wie steht es um deine Gerechtigkeit? Wie um deine eigene
Vollkommenheit? Sprich!"
Und dann stieg der liebe Gott-Lehrer vom Katheder und trat
vor die himmlische Tafel und malte dicke, fette, bösartige Ziffern dar-
auf. V...V...V... So schauten die aus. Der Schüler Strengl
aber schwitzte.und sein Herz ging hörbar. „Und hast du für dein Kind
gesorgt oder hast du sein Glück deiner Eitelkeit geopfert? Bist du ein
liebevoller Vater gewesen? Wie soll ich dich als solcher zensieren??"
„Fünf. . . fünf. . . fünf ..." riefen ein paar vorlaute Engerl.
Da aber geschah es: Eine Wolkentür ging auf und stolz wie der
Rektor, der zur Oberaufsicht hereinkommt, erschien Mutter Strengl
und g'rad' bös schaute sie drein. „Was macht ihr denn meinen Alten
schlecht? Mag er zehnmal seine Fünfer verdient haben. Habt ihr aber
schon sein Herz geprüft? Wißt ihr, was für'n guter Kerl er ist, mein
spinniger Alter? Dann will ich's euch sagen: Wenn er auch oft ein
ekliger Grantlhuber gewesen ist, sein gutes Herz kriegt einen Einser.
Ohne Einschränkung."
„Ja mei," sagte der liebe Gott, „wenn ein solcher Ausgleick da
ist, dann müssen wir ihn wohl zu den Seligen versehen. Holt mal 'n
paar von den Geigen, von denen der Himmel voll ist, und spielt ihm
ein Begrüßungslied!" Und die Engel begannen zu spielen. Und von
all der Musik ist der Schüler Strengl aufgewacht und - hat sich im
Bette gefunden neben seiner guten alten Muttl, die die Brille auf
der Nase hatte und die Romanfortsehung des Generalanzeigers las.
Ganz gerührt schaute der Professor auf seine Himmels-Fürsprecherin.
„Na, wie hast denn geschlafen?" fragte sie.
„No ..." Note III hatte er sagen wollen, aber er verschluckte es zun.
Glück. „Gut, besser ... am besten!" lachte er dafür. „Und jetzt steh'
ich bald auf."
„Warum denn so zeitig?"
„Nun, wenn Klärchen uns doch heut ihren ,Dreier-Juristen'
präsentieren will ..."
„Vatl!" sagte da die Frau Professor und stippte ihre Brille über
die Stirn, „weißt was, heut geb' einmal ich dir Oster-Noten." Und
sie gab sie ihm mit einem Kuffe: „Note I, Papa Strengl... Note I."
Bemerkung
Man sah schon, wie die
Überklugen
Sich manchmal selber
Wunden schlugen.
Ich habe zu dem Glau-
ben Grund,
Ein bißchen Dummheit
ist gesund.
Alb. Roderidi
Erziehung
Sie zieh » am Kindlein
hin und her,
Von heißer Lieb' be-
wogen,
Ein bißchen sie, ein biß-
chen er —
Zum Schluffe ist's —
verzogen. o, e.w.
Falsch aufgefaßt
Richter: „Schon wieder stehen Sie vor Gericht, weil Sie sich in einer Wirtschaft eine
Kalbshaxe geben ließen, die Sie nicht bezahlen konnten! Wollen Sie sich denn nicht endlich
bessern?" - Zechpreller: „Etwas Besseres wie Kalbsharen gibt's nicht, Herr Richter!"
F r o in m e r Wunsch
Mancher Närrin ist cs
geglückt,
Daß sie zehn Weise
machte verrückt/
Könnt' ich doch lieber
die Holde preisen,
Die zehn Narren machte
zu Weisen, o.e.w.
Literaturg lo sse
Wie sehr sie auch nach
Neuland strebt,
Nach Eig'nem, Unbe-
kannten —
Die Literatur von heute
lebt
Doch nur von Varian-
ten. o.e.w,
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Falsch aufgefasst"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1926
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1931
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 164.1926, Nr. 4209, S. 164
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg